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nicht enthalten,!? oder weil gesetzliche Bestimmungen für ein
Rechtsverhältnis überhaupt fehlen.'? Dann entsteht zwischen den
durch feste juristische Grenzpfähle abgesteckten Gebieten ein
Bereich, in dem Privatrecht und öffentliches Recht um die Herr-
schaft kämpfen. In solchen Fällen hat die Wissenschaft das
Schiedsrichteramt zu übernehmen und mit ihren Mitteln zu er-
gründen, ob ein umstrittenes Rechtsverhältnis dem Privatrecht
oder dem öffentlichen Recht angehört.
Man hat versucht, für dieses judicium finium regundorum
eine feste Formel zu gewinnen. Unter dem Einfluß privatrecht-
licher Anschauungen hat eine in Doktrin und Praxis weit ver-
breitete Meinung bis in die Gegenwart hinein den Satz verfochten,
gewisse juristische Merkmale eines Rechtsverhältnisses wiesen
ohne weiteres auf dessen privatrechtliche Naturhin. Dem Privat-
recht unterständen1. alle Rechtsverhältnisse vermögensrechtlichen
Inhalts, ferner 2. alle durch ‚‚Privatrechtstitel‘ (Vertrag, Condictio,
negotiorum gestio usf.) begründeten Rechtsverhältnisse und end-
lich 3. die Rechtsverhältnisse, für deren Beurteilung die Zivil-
gerichte zuständig seien. Allein diese Theorie ist abzulehnen.
Unwesentlich für die Natur eines Rechtsverhältnisses ist der Ver-
mögenswert: denn, wie die auf die Steuergesetze oder die Ar-
beiterversicherungsgesetze gegründeten finanziellen Ansprüche und
Pflichten zeigen, deckt sich das Privatrecht nicht mit dem Ver-
mögensrecht. Unwesentlich ist ferner der Rechtstitel: denn, wie
noch näher zu begründen sein wird, sind Vertrag, Condictio usf.
Formen, die in allen Teilen des Rechtssystems ihre Verwendung
finden; sie sind nicht auf das Privatrecht beschränkt.'* Un-
wesentlich ist endlich die Zuweisung einer Streitsache an die
Zivilgerichte: denn den Zivilgerichten kann Gerichtsbarkeit auch
12 Beispiel: Das Gesetz beschränkt sich auf die Vorschrift: irrtümlich
zu viel bezahlte Steuern können binnen 5 Jahren zurückgefordert werden.
13 Beispiel: Eine Ortsstraße wird verlegt; den Straßenanliegern
erwächst ein Vermögensschaden, — oder zwischen Expropriant und
Expropriat wird nach Einleitung des Expropriationsverfahrens ein
Vertrag abgeschlossen, der die abzutretenden Parzellen und die dafür
zu entrichtenden Entschädigungssummen bestimmt. Für beide Fälle
fehlen in dem betreffenden Staate gesetzliche Bestimmungen.
14 Tezner, Die Privatrechtstitel im öffentlichen Recht (Archiv
für öffentl. Recht, IX 325ff., 489 ff.).