62 $ 4. Verwaltungsrecht.
artigen Grundsätzen aus.?? Aus diesem öffentlichen Recht, wie esin
der Verwaltung des Reichs und der Gliedstaaten von Tag zu Tag
betätigt wird, läßt sich daher ein Bestand einheitlicher Rechts-
gedanken herausschälen. Diese zeigen die eigentümliche Richtung
und Naturanlage des in der Verwaltung der deutschen Staaten
lebendigen gemeinsamen Rechtsgeistes.’® Diese Rechtsgedanken
suchen wir zu ermitteln, nicht um ein für die Verwaltung maß-
gebendes ‚‚Naturrecht‘‘ zu konstruieren, sondern um die ursprüng-
lichen rechtlichen Anschauungen kennen zu lernen, die das
Rechtsleben der deutschen Völker speisen und die in Gesetz-
gebung und Gewohnheit feste Gestalt gewonnen haben. In
diesem Sinne allein soll von einem ‚deutschen‘ Verwaltungs-
recht die Rede sein.
II. Nicht alle für die Verwaltungsbehörden verbindlichen all-
gemeinen Vorschriften sind Rechtssätze.”* Bei der Vollziehung
der Gesetze zeigt sich sehr häufig die Notwendigkeit, die Tätigkeit
der Einzelbehörden innerhalb des Rahmens des freien Ermessens
einheitlich zu regeln.°® Dies geschieht durch allgemeine Befehle,
die die höheren und höchsten Verwaltungsbehörden vermöge ihrer
Dienstgewalt an die unteren Organe richten. Man bezeichnet sie
als „Verwaltungsverordnungen‘“, ‚„Reglements‘‘, ‚Dienstinstruk-
tionen‘, „Dienstanweisungen‘“, Dienstbefehle usw.’® Sie ent-
32 Laband, Staatsrecht, III* S. 358.
33 Es verhält sich damit nicht anders, als mit dem „deutschen Privat-
recht‘‘ vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches. Man vergleiche
darüber die ausgezeichneten Erörterungen bei Andreas Heusler, In-
stitutionen des Deutschen Privatrechts, I S. 13ff.
3* Laband,Staatsrecht, II5 S. 197 ff. Rosin, Polizeiverordnungsrecht
in Preußen, 2. Aufl., 1895,8S.27ff. Hänel, Das Gesetz im formellen und mate-
ricllen Sinne (Studien zum Deutschen Staatsrecht, II, 1888) S. 201ff.
Jellinek, Gesetz und Verordnung S. 244ff.e Hubrich, Das Reichs-
gericht und die Begriffe „Gesetz-“ und ‚„Verwaltungsvorschriften‘‘ (Ver-
waltungsarchiv, XIII S. 441) und die dort zitierte Literatur. Georg
Meyer-Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, S. 570ff.
v. Seydel, Bayer. Staatsrecht, II S. 327ff. Thoma, Polizeibefehl
im Badischen Recht, I, 1906, S. 348.
3 Vgl. zum folgenden Rosin, Polizeiverordnungsrecht in Preußen,
S. 28.
36 Die Unterscheidung von Rechtsverordnung und Verwaltungs-
verordnung ist heute fast allgemein anerkannt. S. die Literatur bei
Laband, Staatsrecht, II®S. 87, Anm. 2. Reichsstaatsrecht, 6. Aufl.,S. 136.