$ 5. Quellen des Verwaltungsrechts. 73
Gesetze vorgeschrieben ist.” Dann aber binden sie Untertanen, '?*
Gerichte und Verwaltungsbehörden; diese Bindung erstreckt sich
auch auf die dem Verordnungsberechtigten übergeordneten Or-
gane bis hinauf zum Landesherrn. Sie trifft auch die Behörde
selbst, welche die Verordnung erlassen hat.!* Essteht jeder Behörde
zwar frei, ihr Werk in aller Form Rechtens wieder zurückzu-
nehmen. Solange sie dies aber nicht getan hat, darf sie sich bei
der Regelung eines Einzelfalles nicht über ihre Verordnung hin-
wegsetzen mit der Begründung, die Verordnung beruhe auf
ihrem eigenen Willen. Sie muß die von ihr geschaffenen Recht-
sätze auch gegen sich selbst gelten lassen. Denn die Verordnung
steht in ihrer Wirkung dem Gesetze gleich.
Aber dem Range nach steht sie hinter dem Gesetz. Sie ist
nicht Gesetz, sie vertritt es nur. Dem Gesetze bleibt sein ver-
fassungsmäßiger Vorrang gewahrt. Daraus folgt, daß für Ver-
waltungsorgane, Gerichte und Untertanen eine Verordnung nur
dann verbindlich ist, wenn sie mit dem Willen des Gesetzes
übereinstimmt. Nicht rechtsbeständig ist daher die Verord-
nung, welche von einem Organ ausgeht, dem der Gesetzgeber
für die Angelegenheit Gesetzesvertretung gar nicht übertragen
hat,!° und nicht rechtsbeständig ist innerhalb einer formell
18 Laband, Staatsrecht, II® 9. 183. — Andrer Meinung: Preuß. Ob.-
Verw.-Ger. v. 1. Juni 1908 (Spruchsammlung der DJZ. 1909, S. 150).
Dambitsch, Verfassung des Deutschen Reichs, 1910, S.55ff. Arndt,
Verfassung des Deutschen Reichs S. 44.
13° Die Behauptung, bei der Unmenge neuer Verordnungen könne
der einzelne Bürger unmöglich jede neue Vorschrift kennen, entschuldigt
nicht; auch hier heißt es: error iuris nocet. KReichsgericht i. Zivils.
7. Januar 1913 (DJZ. XVIII 465).
14 Thoma, Polizeibefehl im Bad. Recht, I S. 75.
15 Hierher gehört z. B. die Streitfrage, ob der Bundesrat zuständig
gewesen ist, eine Eisenbahnverkehrsordnung (neuste Fassung vom 23. Dez.
1908, Reichsgesetzblatt, 1909, S. 93) zu erlassen. Vgl. darüber Laband,
Deutsches Reichsstaatsrecht, 6. Aufl., S. 253 und die dort zitierten Schriften.
R. Bäseler, Die rechtliche Natur der Eisenbahnverkehrsordnung, 1912
(Abhandlungen aus dem Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht, heraus-
gegeben von Zorn u. Stier-Somlo IX 2). — Bedenken ähnlicher Art sind
zu erheben gegen die vom Bundesrat erlassene Schiffsvermessungsordnung
v.J. 1895. Laband, a. a. O0. 258; Georg Meyer-Dochow, Lehrbuch