Amtsdelikte
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Angesichts dieser Kontroverse ist der Inhalt des
z 369 zunächst nach dem Gegensatz zu bestimmen,
welcher unverkennbar zwischen ihm und dem 8 31
Abs 2 RötEB besteht: „Unter öffentlichen
Aemtern im Sinne dieses Stras G sind die Advo-
katur, die Anwaltschaft, und das Notariat, sowie
der Geschworenen= und Schöffendienst mitbegrif-
fen“. Augenscheinlich hat danach der RStGgeber
die Träger derjenigen Funktionen, welche er
durch ausdrückliche Vorschrift dem Begriff des
öffentlichen Amts „im Sinne dieses Straf G“ zu
subsumieren für notwendig hielt, prinzipiell
aus dem BBegriff des § 359 ausgeschieden wissen
wollen (s. auch Mot zu § 31 Abs 2 StBer RT 1870
III Anl. S50). Nur bezüglich der Notare hat er
durch positiven Ausspruch im 5 359 selbst diese
seine prinzipielle Anschauungsweise modifiziert,
Schöffen und Geschworene dagegen auch schon.
durch Nichterwähnung im § 359 vom BBegriff
ohne weiteres ausgeschlossen. Andererseits darf bei
der Vorbildlichkeit der preuß. Rechtsentwicklung,
welche auch hinsichtlich der Fassung des §& 359 in
Frage kommt (5 331 StGB und §1 G21 VII 52),
ohne Bedenken angenommen werden, daß der
RSt Ggeber bei den B des 3 359 nicht ge-
dacht hat an die „Organe der Repräsentation“,
d. h. an solche Träger öffentlich-rechtlicher Funk-
tionen, welche im Gegensatz zu den „Organen der
Reg“ als rechtliche Interesse-Repräsentanten der
regierten Masse oder bestimmter Abteilungen der-
selben gelten. In Preußen hat man nämlich bei
Emanation der Kriminal- und Dögebung v. 1849
bis 52 an offizieller Stelle den BCharakter gerade
folgenden „Organen der Repräsentation“" versagt:
„Den Mitgliedern der Kammern, Gemeindever-
ordneten, Abgeordneten zu den Kreistagen, Pro-
vinzial-oder Kommunallandtagen, Vertretern son-
stiger korporativer Verbände, Mitgliedern der
Handelskammern usw., sofern ihr Beruf sich nicht
etwa auf die unmittelbare Verw erstreckt“ (Goltd-
ammer, Materialien 1, 517). Das positiv den
BeCharakter im reichsstrafrechtlichen Sinn be-
stimmende Moment bezeichnet jedoch weiterhin
der unmittelbare Wortlaut von § 359 als „Anstel-
lung im Dienste des Reichs oder im unmittel-
baren oder mittelbaren Dienste eines Bundes-
staats“. Damit wird notwendig ein besonderes
Verhältnis vorausgesetzt, in welchem der B unter
einem Dienstherrn steht, der entweder das
Reich, ein deutscher Gliedstaat oder ein sonstiges
qualifiziertes Rechtssubjekt sein kann, und „An-
stellung“ ist der Begründungsmodus für dies Ver-
hältnis. Berücksichtigt man nun, daß in der vor-
bildlichen preußischen Rechtsentwicklung bereits
seit Ausgang des 18. Ihd. der Staats B gerade
vermöge eines öffentlich-rechtlichen Dienstvertrags,
der durch Annahme eines Amtsangebots perfekt
und — jedenfalls wenigstens regulär — in der
Empfangnahme einer förmlichen „Bestallung“
sichtbar ward, in ein besonderes Gewaltverhältnis
trat, dessen „unmittelbarer“ oder „mittelbarer“
Träger der Staat war, und daß sich auch bereits
um die nämliche Zeit für den ganzen, das BVer-
hältnis begründenden Vorgang die technische Be-
zeichnung „Anstellung" einfand, so kann über die
Annahme einer gleichartigen Sachlage bei den B
des z 359 RStGB kein Zweifel sein. B im
reichsstrafrechtlichen Sinne ist auch nur derjenige,
welcher vermöge öffentlich-rechtlichen Dienstver-
trags, d. h. durch Annahme eines Amtsangebots,
kurz vermöge „Anstellung" das Reich, einen deut-
schen Gliedstaat oder ein sonstiges qualifiziertes
Rechtssubjekt zum besonderen, mit einem Gewalt-
recht d. h. mit einer „Dienstgewalt“ ausgestatteten
Dienstherrn erhält. Hierbei ist freilich zu beachten,
daß nicht die Angestellten eines jeden unter staat-
licher Aufsicht stehenden Verbandes (vgl. § 13 II
13 ALR) die Eigenschaft „mittelbarer“ Staats B
beanspruchen können, auch daß nicht schon aus
dem Besitz der juristischen Persönlichkeit etwas für
das Vorhandensein von „mittelbaren“ Staats B
folgt. Schon das preußische Recht betrachtete als
„mittelbare“" StaatsB einerseits nur die Ange-
stellten gewisser Rechtssubjekte, von welchen die
positive Ggebung aus einer besonderen Einschätzung
ihrer unmittelbaren Dienstherrn für das Staats-
leben ausdrücklich sagte, daß sie „zugleich als
Staatsdiener anzusehen seien“, andererseits nur
die B der ven staatswegen als solche anerkannten
öffentlich-rechtlichen Korporationen. Nach gleichen
Maßstäben muß nun auch bei der Anwendung
des § 359 RSt#B allgemein die Frage ent-
schieden werden, ob für gewisse Personenkatego-
rien ein „mittelbarer“ Staatsdienst gegenüber den
einzelnen deutschen Gliedstaaten vorliegt. Ein
analoger „mittelbarer"“ Dienst gegenüber der
Reichsgewalt kommt zur Zeit im allgemeinen
nicht in Betracht; als „mittelbare Reichs B“
erscheinen nur gewisse unmittelbare Glied-
staats S. (Vgl. aber Olshausen s zu §& 359
Nr. 12 al. Kommt auch der das BVerhältnis be-
gründende öffentlich-rechtliche Dienstvertrag durch
Annahme des Angebots einer Amtsübertragung
zu Stande, so kann nach Maßgabe der bestehenden
Ggebung unter Umständen die einmal erworbene
BEigenschaft auch trotz persönlicher Loslösung von
dem fraglichen Amt fortbestehen: insbesondere be-
halten den BCharakter die „zur Disposition ge-
stellten“ B des Reichsrechts und des Landesrechts.
Andererseits steht dem Begriff des den BCharakter
begründenden öffentlich-rechtlichen Dienstvertrags
nicht entgegen, daß sein Abschluß von seiten der
Einzelindividuen unter Umständen in Gemäßheit
einer besonderen gesetzlichen Pflicht erfolgt. Der
Anstellungswille kann sich auch unter Umständen
darstellen als Majoritätswille eines Wahlkolle-
giums, mit oder ohne nachfolgende „Bestätigung“
eines Organs der „Regierung". Als unerheblich für
den Bhegriff bezeichnet dagegen der § 359 RSt-
GB in Uebereinstimmung mit der preußischen
Tradition ausdrücklich: a) ob die „Anstellung“ auf
Lebenszeit, auf Zeit oder nur vorläufig erfolgt ist,
und b) ob ein Diensteid geleistet worden oder
nicht. Ebenso irrelevante Momente für den B-
Begriff sind aber auch: die Natur der unter das
Amt fallenden Dienste und der Bezug einer ma-
teriellen Gegenleistung. Fruchtlos ist es freilich,
wenn trotz genügender Unterlagen für die An-
nahme eines BVerhältnisses im Sinne von 359
RStGB von einer partikulären Instanz in
fraucceem des Reichsrechts die Eigenschaft als B
wegzupaktieren versucht wird.
§ 4. Die Amtsdelikte des Reichsstrafrechts als
kriminalisierte Verletzungen der internen Beam-
tendienstpflicht. Schon im preuß. St GB von 51
erscheinen als Adressaten der Strafsanktionen in
Tit. 28 T. II außer „B“ noch „Schiedsrichter“
(§ 310, 314), „Richter“ (§ 312), „Geschworene“