Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Ansiedlungen (Posen und Wesipreußen) 
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folgenden Gesichtspunkten aus: In sich geschlos- 
sene leistungsfähige Landgemeinden mit Kirche 
und Schule am Orte, mit Gemeindevermögen 
ausgestattet und zu kräftigen Genossenschaften 
organisiert, sind die Grundform moderner länd- 
licher Siedlungsweise. Die spannfähige Bauern- 
stelle, die durch den Besitzer und seine Familie 
ohne ständige fremde Arbeitskraft bewirtschaftet 
wird, bildet das Rückgrat der gesunden ArWe- 
meinde. Hiernach ist die äußere Form der A. für 
das gute Gedeihen einer Kolonie von größter Be- 
deutung. Es wird daher, bevor mit dem Verkauf 
der neuen Stellen begonnen wird, für das aufzu- 
teilende Gut durch den Präsidenten der AK ein 
„Besiedlungsplan“ aufgestellt (bis 1896 in einzel- 
nen Fällen von der Generalkommission in Brom- 
berg). Der Besiedlungsplan, der auf Grund einer 
besonderen Wertschätzung des aufzuteilenden Gu- 
tes — und zwar sowohl des Grund und Bodens, 
als auch der vorhandenen Gebäude — aufgestellt 
wird, sieht nicht nur die zu öffentlichen und ge- 
meinschaftlichen Zwecken erforderlichen Anlagen, 
als Wege, Gräben, Kirchen-, Schul= und Gemeinde- 
land usw., sondern auch die zu jeder einzelnen 
neuen Stelle gehörigen Ländereien vor. Um 
für eine spätere Entwicklung der Kolonie und 
dabei hervortretende unvorhergesehene Verhält- 
nisse noch Land zu haben, wird vielfach auch 
eine erhebliche Landfläche zur Verfügung der 
As gehalten, die dann einstweilen durch Ver- 
pachtung genutzt wird. Selbstverständlich wird bei 
den den einzelnen Stellen zu überweisenden 
Ländereien ein besonderer Wert darauf gelegt, 
daß die zu einem gedeihlichen Wirtschaftsbetriebe 
ersörderlichen Bodenarten und -Klassen vorhan- 
den sind. Bei Beurteilung der Frage, ob bei der 
Lage der neuen Gehöfte dem Dorfsystem oder dem 
System der Einzelhöfe der Vorzug zu geben sei, 
kam einesteils in Betracht, daß die erforderliche 
Verschmelzung der aus den verschiedensten Ge- 
bieten des In= und Auslandes in einer Kolonie 
zusammengeführten oft recht verschiedenartigen 
Ar zu einem von nationalem Empfinden getrage- 
nen, kräftigen und einheitlichen Gemeinwesen nur 
dann möglich ist, wenn die einzelnen Gemeinde- 
angehörigen sich auch persönlich näher treten, 
gegenseitig kennen und stützen. Das aber ist bei dem 
Hofsystem, wo der eine Besitzer mit den andern 
kaum in Berührung kommt, sehr erschwert. An- 
dernteils war zu erwägen, daß den heimischen Ge- 
wohnheiten der einzelnen Volksstämme Rechnung 
zu tragen war, von denen die einen den Einzelhof, 
die andern das Zusammenwohnen bevorzugen. 
Dazu kommt endlich, daß vielfach die vorhandenen 
Gutsgebäude für das Wegenetz und die Verkehrs- 
verhältnisse den gegebenen Mittelpunkt bildeten, 
der, sofern diese Gebäude noch brauchbar waren, 
auch beibehalten werden mußte. Alles das hat 
dazu geführt, eine Zwischenform zwi- 
schen Hof= und Dorfsystem zu wählen, 
nämlich das Reihendorf mit einem Dorfkern. Der 
Dorfkern wird aus den Hofstellen des Gutshofes 
gebildet und daran werden die öffentlichen Zwecken 
dienenden Gebäude: Kirche, Schule, Gemeinde- 
haus, Dorfkrug sowie Arbeiter= und Handwerker- 
stellen augegliedert; die übrigen Gehöfte werden 
soweit als möglich an die Hauptverkehrsstraße der 
Gutsmark herangezogen. Daß diese Siedlungs- 
form nicht ausnahmslos angewendet, sondern den 
  
  
  
Verhältnissen des einzelnen Falles, z. B. der 
Schwierigkeit der Wasser-Versorgung, ungünsti- 
gen Wegeverbindungen, weitläufigen hüglichen 
Gelände u. dgl. m. ausreichend Rechnung getra- 
gen wird, ist selbstverständlich. 
In welcher Größe die einzelnen 
Stellen gebildet werden, ergibt nachstehende 
Zusammenstellung: 
  
  
  
  
  
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Zu den vergebenen Stellen treten noch 522 an Arbeiter- 
familien vergebene Mietwohnungen mit Gartenland, sodaß 
im Ganzen 17051 Stellen vergeben sind. 
Die seit Bestehen der AßKzu ArRechtver— 
gebene Fläche umfaßt 244551 ha oder 
43½/10 Quadratmeilen. Für öffentliche Zwecke usw. 
(Gemeinde-, Kirchen= und Schuldotationen, Wege, 
Gräben uͤsw. ) sind 24 806 ha verwendet. An den 
Domänen= und den Forstfiskus und an Nicht Ar 
sind 31 985 ha veräußert. Zur Verfügung der 
A für spätere Verwertung als Zulagestücke, 
Dotationen, Bauplätze usw. sind in den besiedelten 
Gütern 8 480 ha vorbehalten. Von den 375 054 
ha umfassenden Gesamterwerbungen sind also 
309 822 ha = 82,61 00 vergeben. 
Bei der Bemessung der den einzelnen Stellen 
zu gebenden Größe legt die AK den Schwerpunkt 
auf das „Bauerngut"“, d. h. eine ländliche Stelle, 
die so groß ist, daß sie einerseits den Inhaber und 
seine Familie ausreichend beschäftigt und ernährt 
und ihm die volle Ausnutzung eines Gespanns er- 
möglicht, andererseits aber nicht genügt, den Wirt 
allein für ihre Leitung in Anspruch zu nehmen, 
vielmehr seine praktische Mitarbeit verlangt. Die 
Größe einer solchen Stelle schwankt je nach den. 
Bodenverhältnissen zwischen 10 und 20 ha. Außer- 
dem werden auch Großbauern--, sowie Halbbauern-, 
Handwerker= und Arbeiterstellen geschaffen. Von 
der Schaffung von Großbauernstellen (20—120ha), 
die anfangs im Interesse der wirtschaftlichen Ver- 
wertung der alten Gutsgebäude sowie um ge- 
bildetere, selbstbewußte Bauern zu haben, in be- 
trächtlichem Maße ausgelegt wurden, ist man 
immer mehr zurückgekommen, weil die Besitzer 
ständig auf fremde d. h. polnische Hilfskräfte hin- 
gewiesen sind und daher zur Stärkung des polni- 
schen Elementes beitrugen. Halbbauernstellen 
(5—10 ha) haben sich als wenig günstig erwiesen, 
weil sie für eine selbständige Wirtschaftsführung 
zu klein, für Arbeiterstellen aber zu groß sind. 
Handwerkerstellen (2—5 ha) haben den Uebel- 
stand, daß das aufzuwendende Gebäudekapital 
verhältnismäßig hoch ist und daher vom Erwerbe 
abschreckt; zudem zeigt sich bei den Handwerkern 
aljo Ende 
1909 unbe- 
geben 
 
	        
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