Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
8 Abgaben 
kung gesetzlich feststehender und anderer anerkannter 
Bedürfnisse). 
6. Volkswirtschaftliche Auffassung der Sten- 
ern. Die Wirtschaftslehre betrachtet — und mit 
Recht — die St auch unter anderen Gesichts- 
punkten. Die Auffassung, daß die Leistungen des 
Staates an die Einzelnen Geschenk, die Leistungen 
der Einzelnen an den Staat dagegen reines, nur 
nach deren Leistungsfähigkeit zu bemessendes, Opfer 
seien (Opfertheorie, auch historische oder 
organische StTheorie genannt)), ist politisch gerecht- 
fertigt, aber rein ökonomisch nicht ausreichend. Es 
ist daher wohl erklärlich, daß die volkswirtschaftliche 
Auffassung der St, in positiver Auffassung auch 
die Tauschtheorie oder das Acquivalenz- 
system (allgemeine Leistungen des Staates ein- 
getauscht gegen die St) und in negativer For- 
mulierung die Assekuranztheorie (St 
als Versicherungsprämie für den Staatsschutz) 
berücksichtigt. Wenn neuere volkswirtschaftliche 
Forschungen (Stein, Sax) von der Reproduzie- 
rung der St durch die Leistungen der Verwal- 
tung oder von dem Wesen der öffentlichen A. 
als kollektivistischer Wertungsform sprechen, so 
handelt es sich immer nur um weiteren Ausbau 
der Tauschtheorie. Diese ist volkswirtschaftlich 
begründbar; sie hat jedoch den Eigentümlichkeiten 
eines „Zwangs"tausches Rechnung zu tragen; 
im übrigen ist sie Quelle mannigfacher Anregung 
für die Politik, weniger für die Verwaltungslehre 
der St. 
Die Erörterung der allgemeinen volkswirtschaft- 
lichen Prinzipien über die Wahl der St Quellen, 
sowie über die Wirkungen der St, insbesondere der 
Stleberwälzung, fällt in das Gebiet der Finanz- 
wissenschaft. Dagegen ist vom verwaltungsrecht- 
lichen Standpunkt 1. der Grundsätze der gerechten 
Besteuerung, 2. der finanzpolitischen und ver- 
waltungspolitischen Grundsätze der StVerwal-= 
tung zu gedenken. 
## 7. Grundsätze der gerechten Bestenerung; 
Allgemeinheit und Gleichmäßigkeit. Das Prinzip 
der Allgemeinheit der St kann in dem 
Sinne erfaßt werden, daß man darin das Wesen 
der modernen St erkennt, ein allgemeiner nach 
Zweckbestimmung ununterschiedener Beitrag zur 
Deckung des Staatsbedarfs zu sein, im Gegensatz 
zu der älteren Auffassung der Zweck#St. Der 
politische Fortschritt, welcher durch die Ausbildung 
der Allgemeinheit der St in diesem Sinne gemacht 
war (es bestanden bis vor einiger Zeit nur noch ver- 
einzelte, tatsächlich nur mehr formelle Ausnahmen, 
z. B. bei dem bayerischen Malzaufschlag) und der 
im Zusammenhang mit der Entwicklung des die 
Sonderprüfung der ZweckSt ersetzenden allge- 
meinen Budgetrechts der Volksvertretung stand, 
war sehr bedeutend. Leider hat sich neuerlich ge- 
rade in der Reichs St Politik eine reaktionäre Ent- 
wicklung in der Richtung der Zweckbesteuerung aus- 
gebildet, sowohl positiv in der Zuweisung gewisser 
St Einnahmen für gewisse Zwecke (gewisse Zölle zur 
Ansammlung von Mitteln für die Hinterbliebenen- 
Versicherung, Betriebs St bei der Verbrauchsbe- 
steuerung zum Zweck der Gewährung von Aus- 
fuhrprämien) als insbesondere negativ in dem prin- 
zipiellen Ausschluß gewisser Deckungsmittel für 
gewisse Zwecke (so in den Flottengesetzen von 
1898 und 1900 die für die Reichsfinanzen so ver- 
hängnisvoll gewordene Verfehmung der „in- 
  
direkten den Massenverbrauch belastenden“ Reichs- 
Steuern). 
Um diese Allgemeinheit der Besteuerung handelt 
es sich jedoch nicht, wenn von den Grundsätzen ge- 
rechter Besteuerung die Rede ist, sondern um die 
auch in den Verfassungen teilweise ausgesprochene 
Allgemeinbeit der Besteuerung, welche darauf be- 
ruht, daß die Gesamtheit der Bevölkerung ohne Be- 
vorzugung einzelner Personen oder einzeiner Be- 
völkerungsgruppen zur Besteuerung herangezogen 
werde. Bevorzugung liegt vor, wenn diejenigen, 
welche gegenüber der besteuernden Absicht des Ge- 
setzgebers an sich in der gleichen Lage von Besitz, 
Einkommen oder Verbrauch sind, wie die zur St 
herangezogenen, von derselben gleichwohl freige- 
lassen werden. Die Allgemeinheit der Besteuerung 
bei einer einzelnen St wird biernach we- 
sentlich bedingt durch die Ausdehnung, welche die 
besteuernde Absicht des Staates von Anfang an hat. 
StBefreiungen gewisser Gruppen sind hiernach 
nicht ausgeschlossen; es sollen nur die Gründe 
dieser Befreiung mit den Grundsätzen gerechter 
Verteilung der StLast verträglich sein. Vielfach 
werden gerade die Grundsätze letzterer Art nicht 
bloß bestehende St Befreiungen, sondern auch deren 
weitere Ausdehnung rechtfertigen. (Erlaß von Klas- 
sensteuer in Preußen im Hinblick auf die Ausbil- 
dung des indirekten St Wesens des Reichs; als 
Zukunftsentwicklung von der vorerst nur vereinzelte 
Spuren sich zeigen: erhebliche Erhöhung des Exi- 
stenzminimums bei der direkten Besteuerung im 
Zusammenhang mit schärferer Entwicklung der 
Progression bei dieser Besteuerung und insbeson- 
dere mit dem Ausbau der indirekten Besteuerung). 
Die Lehre von der Allgemeinheit der St hat 
deshalb zwei Hauptabschnitte: 1. Begrenzung des 
Umfangs der steuerpflichtigen Bevölkerung, 2. Er- 
örterung der StBefreiungen. 
Die Begrenzung des Umfangs der 
St Pflicht bietet wenig Schwierigkeit bei der 
Form der Besteuerung, welche an einzelne Hand- 
lungen anknüpft; die Zweifel tauchen in der 
Hauptsache bei jenen St auf, welche eine vor- 
gängige Verwaltungstätigkeit, gerichtet auf Er- 
mittlung der St Pflichtigen und deren namentliche 
Verzeichnung erheischen. Die Fragen der interna- 
tionalen Besteuerung (Einheimische im Ausland, 
Fremde im Inland) sowie der Regelung gleicher 
Verhältnisse zwischen den Einzelstaaten des Reichs 
machen sich geltend. [In letzterer Hinsicht [Dop- 
pelbesteuerung.] Die internationalen Be- 
steuerungsfragen werden bei den einzelnen StGat- 
tungen zur Erörterung kommen. Der erweiterte 
moderne Verkehr hat das Bedürfnis der Rege- 
lung dieser Fragen vermehrt. Gleiche Folgen hat 
die neuere Entwicklung der verschiedenen Formen 
der menschlichen Vereinigungen gehabt; so stellt 
z. B. die Heranziehung der Aktiengesellschaften, 
Selbstverwaltungskörper, Vereine, Stiftungen usw. 
zur Besteuerung der neueren Gesetzgebung man- 
che neue und eigenartig gestaltete Aufgaben. 
Die St Befreiungen, welche heute noch 
bestehen, beruhen 1. auf völkerrechtlichen Verhält- 
nissen (St Befreiungen fremder Diplomaten und 
Berufskonsuln), 2. auf staatsrechtlichen Bestim- 
mungen. Hierher gehören die St Freiheiten von 
Häuptern und Mitgliedern regierender oder vor- 
mals regierender Häuser, sowie (in beschränkterem 
Umfang und durch die neuzeitliche Entwicklung im
	        
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