I. Armenrecht (Verpflichtungen)
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auszuschließen. (Pauschal-, nicht Maximalsätze!)
In solchem, wie auch in dem Falle, daß kein Tarif
gilt, gelten die allgemeinen Vorschriften. (E. 3 82;
12 70; 17 121; 33 91.) — Tarife sind erlassen von
Preußen, Sachsen, Württemberg,
Baden, S.-Weimar, S.-Meiningen,
Anhalt, Schw.-Rudolstadt, Wald-
eck, Reußä. L., beiden Lippe und Ham-
burg. (Bgl. die genauere Nachweisung bei Krech
unter C). Es sind darin feste Sätze für gewöhn-
liche Anstaltspflege aufgestellt, deren Höhe für
Preußen je nach der Zugehörigkeit zu den beiden
ersten oder den drei unteren Servisklassen (Serviskl.
Gv. 28. 5.87, RGBl 159), in Sachsen dagegen gar
nicht verschieden ist. Besonders können die Kosten
für Kleidung sowie für besonders motivierte Mehr-
aufwendungen berechnet werden, in Preußen auch
die Kosten für Personen unter 14 Jahren, während
Sachsen und S.-Weimar auch für diese feste Sätze
aufstellen. — Die Klage darüber, daß die Tarif=
sätze nicht annähernd dem wirklichen Aufwand
nahekommen, ist namentlich für Preußen sehr
weit verbreitet. Doch ist dazu zu bemerken, daß
die sogen. Individualkosten sich im allgemeinen
zwischen 1 und 1,50 Mk. bewegen und der erheb-
liche Mehraufwand, der sich z. B. für Berlin auf
4 bis 4,50 Mk. beläuft, auf die ärztliche Behand-
lung, Wartung, Unterbringung und die Verzinsung
und Amortisation des Anlagekapitals für sehr kost-
spielige Anstalten entfällt.
Die Geltendmachung des Erstattungs-
anspruches ist bei Vermeidung des Verlustes bin-
nen 6 Monaten nach begonnener Ubei dem
vermeintlich verpflichteten AV und, falls dieser
nicht zu ermitteln ist, bei der eigenen vorgesetzten
Behörde anzumelden (§ 34). Doch bezieht sich der
Ausschluß der Rechte nicht auf den gesamten, mit
dem betr. UFall verbundenen Aufwand, sondern
nur auf den von der Fristversäumnis betroffenen
Teil, was namentlich in Ansehung fortdauernder
U zu beachten ist. Unter vermeintlich verpflich-
tetem Au ist nicht ein beliebig herausgegriffener
Aß zu verstehen, so wenig wie die Anmeldung bei
der vorgesetzten Behörde schlechterdings genügt.
Voraussetzung ist die Gewißheit oder Wahrschein-
lichkeit der Verpflichtung eines anderen A## bezw.
die aus den Umständen sich ergebende Schwierig-
keit oder Unmöglichkeit, bei sorgfältiger Nachfor-
schung den verpflichteten A## zu ermitteln (E. 6 85;
7121; 14 107; 18 112; 27 159: 29 129). Streitig
ist die Frage, ob durch Versäumung der rechtzeitigen
Anmeldung aus §s 34 der Anspruch nur in Bezug
auf die 6 Monate zurückliegende Zeit, oder ob er
gänzlich und in allen Beziehungen ausgeschlossen
wird. Eger vertritt in seinem Kommentar auch
in der neuesten (5.) Auflage die letztere Auffassung,
während Krech annimmt, daß durch die Fristen-
versäumnis der Erstattungsanspruch nur für die
über 6 Monate zurückliegende Zeit präkludiert
werde. Die Zulassung der Egerschen Auffas-
fung würde die praktisch ungeheuerliche Folge
haben, daß ein A#, der durch ein Versehen mit der
erstmaligen Anmeldung sich verspätet hätte, selbst
für eine lebenslängliche U den Anspruch auf Rück-
erstattung verlöre; auf der andern Seite könnte
er sich dieser Folge sehr leicht dadurch entziehen,
daß er die U aufhören ließe und nach einiger Zeit
sie von neuem aufnähme und nunmehr rechtzeitig
anmeldet. Das Bu selbst teilt den hier vertre-
tenen Standpunkt, daß durch die nicht rechtzeitige
Anmeldung der Erstattungsanspruch lediglich hin-
sichtlich derjenigen U verwirkt war, die mehr als
sechs Monate vor der U erfolgt sind (E. 31 167).
Verjährung. „Erstattungs= und Ersatz-
ansprüche, welche auf Grund dieses G erhoben
werden, verjähren in zwei Jahren vom Ab-
lauf desjenigen Jahres ab, in welchem der An-
spruch entstanden ist.“ Es ist zu beachten, daß durch
diesen § 30 a zum erstenmal eine Verjährung für
diese Ansprüche gesetzt ist (E. 28 125), während die
in 3 34 gestellte Frist eine Präklusivfrist darstellt.
Damit sind die bisherigen landesgesetzlichen Ver-
jährungsfristen — z. B. Preußen 30 Jahre —
für armenrechtliche Ansprüche beseitigt. — Auch
in Ansehung des § 30 a hat das BA ausdrücklich
ausgesprochen, daß die Verjährung, soweit es sich
um fortlaufende Leistungen handele, sich nur auf
die Beträge beziehe, die in die Zeit vor Beginn
der Verjährungsfrist entfallen. (E. 35 123). Doch
findet § 30 a nicht Anwendung bei Ansprüchen,
die durch rechtskräftige Entsch vollständig festge-
stellt sind. (E. 31 114.)
3. Uebernahme in eigene Für-
sorge. Die A6esetzgebung will in ihrem engen
Anschluß an die Wirtschafts Ggebung, namentlich
an das Freizügigkeits G, in der Ein-
schränkung der wirtschaftlichen Freiheit infolge von
Hilfsbedürftigkeit nicht weiter gehen, als jenes G,
sondern es nur ergänzen. Für den einen
armenrechtlichen Ausweisungs--
grund (die übrigen sind lediglich polizeilicher
Natur) aus 95 FGCU|Freizügigkeitl will
es das Korrelat durch Bezeichnung desjenigen Be-
zirkes schaffen, welcher zur Uebernahme
eines solchermaßen ausgewiesenen Individuums
und zur Duldung seines ferneren Aufenthalts ver-
pflichtet sein soll: und in Uebereinstimmung mit
den Grundsätzen über die endgültige Fürsorgepflicht
wird als hierzu verpflichtet derienige A erachtet,
in welchem das betr. Individuum einen UW besitzt.
Soweit die Uebernahmepflicht vorlicgt, ist aber
nicht bloß der vorläufig unterstützende A# die Aus-
weisung, sondern der endgültig verpflichtete A
auch die Ueberführung in eigene Fürsorge zu for-
dern berechtigt (I§ 31. 32). Doch erfährt diese
beiderseitige Berechtigung eine Ausnahme in fol-
genden Fällen: 1. wenn über das Verbleiben des
Bedürftigen gegen Gewährung einer bestimmten
U seitens des verpflichteten AL eine Verein-
barung getroffen ist, zu deren Herbeiführung
auf Anrufen eines Beteiligten die erstinstanzlichen
Behörden vermittelnd einzuschreiten haben (§ 55);
2. wenn mit der Ausweisung Gefahr für Leben
oder Gesundheit des Auszuweisenden oder seiner
Angehörigen verbunden sein würde, — wenn die
Ursache der Erwerbs= oder Arbeitsunfähigkeit durch
eine im RKriegsdienste oder bei Gelegenheit einer
Tat persönlicher Selbstaufopferung erlittene Ver-
wundung oder Krankheit herbeigeführt ist, —
wenn endlich die Wegweisung mit erheblichen Här-
ten oder Nachteilen für den Auszuweisenden ver-
bunden sein würde. In den Fällen zu 2 entscheidet
die zur Entsch erster Instanz zuständige Behörde
des OA# des Aufenthaltsorts über das Verbleiben.
gegen Festsetzung der von der anderen Seite zu
zahlenden Vergütung. Berufung ist hiergegen zu-
lässig (§ 56). — Auch ist in diesem Zusammenhange
noch an die Vorschrift des 8 6 F zu erinnern,