Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
I. Armenrecht (Verpflichtungen) 
201 
  
auszuschließen. (Pauschal-, nicht Maximalsätze!) 
In solchem, wie auch in dem Falle, daß kein Tarif 
gilt, gelten die allgemeinen Vorschriften. (E. 3 82; 
12 70; 17 121; 33 91.) — Tarife sind erlassen von 
Preußen, Sachsen, Württemberg, 
Baden, S.-Weimar, S.-Meiningen, 
Anhalt, Schw.-Rudolstadt, Wald- 
eck, Reußä. L., beiden Lippe und Ham- 
burg. (Bgl. die genauere Nachweisung bei Krech 
unter C). Es sind darin feste Sätze für gewöhn- 
liche Anstaltspflege aufgestellt, deren Höhe für 
Preußen je nach der Zugehörigkeit zu den beiden 
ersten oder den drei unteren Servisklassen (Serviskl. 
Gv. 28. 5.87, RGBl 159), in Sachsen dagegen gar 
nicht verschieden ist. Besonders können die Kosten 
für Kleidung sowie für besonders motivierte Mehr- 
aufwendungen berechnet werden, in Preußen auch 
die Kosten für Personen unter 14 Jahren, während 
Sachsen und S.-Weimar auch für diese feste Sätze 
aufstellen. — Die Klage darüber, daß die Tarif= 
sätze nicht annähernd dem wirklichen Aufwand 
nahekommen, ist namentlich für Preußen sehr 
weit verbreitet. Doch ist dazu zu bemerken, daß 
die sogen. Individualkosten sich im allgemeinen 
zwischen 1 und 1,50 Mk. bewegen und der erheb- 
liche Mehraufwand, der sich z. B. für Berlin auf 
4 bis 4,50 Mk. beläuft, auf die ärztliche Behand- 
lung, Wartung, Unterbringung und die Verzinsung 
und Amortisation des Anlagekapitals für sehr kost- 
spielige Anstalten entfällt. 
Die Geltendmachung des Erstattungs- 
anspruches ist bei Vermeidung des Verlustes bin- 
nen 6 Monaten nach begonnener Ubei dem 
vermeintlich verpflichteten AV und, falls dieser 
nicht zu ermitteln ist, bei der eigenen vorgesetzten 
Behörde anzumelden (§ 34). Doch bezieht sich der 
Ausschluß der Rechte nicht auf den gesamten, mit 
dem betr. UFall verbundenen Aufwand, sondern 
nur auf den von der Fristversäumnis betroffenen 
Teil, was namentlich in Ansehung fortdauernder 
U zu beachten ist. Unter vermeintlich verpflich- 
tetem Au ist nicht ein beliebig herausgegriffener 
Aß zu verstehen, so wenig wie die Anmeldung bei 
der vorgesetzten Behörde schlechterdings genügt. 
Voraussetzung ist die Gewißheit oder Wahrschein- 
lichkeit der Verpflichtung eines anderen A## bezw. 
die aus den Umständen sich ergebende Schwierig- 
keit oder Unmöglichkeit, bei sorgfältiger Nachfor- 
schung den verpflichteten A## zu ermitteln (E. 6 85; 
7121; 14 107; 18 112; 27 159: 29 129). Streitig 
ist die Frage, ob durch Versäumung der rechtzeitigen 
Anmeldung aus §s 34 der Anspruch nur in Bezug 
auf die 6 Monate zurückliegende Zeit, oder ob er 
gänzlich und in allen Beziehungen ausgeschlossen 
wird. Eger vertritt in seinem Kommentar auch 
in der neuesten (5.) Auflage die letztere Auffassung, 
während Krech annimmt, daß durch die Fristen- 
versäumnis der Erstattungsanspruch nur für die 
über 6 Monate zurückliegende Zeit präkludiert 
werde. Die Zulassung der Egerschen Auffas- 
fung würde die praktisch ungeheuerliche Folge 
haben, daß ein A#, der durch ein Versehen mit der 
erstmaligen Anmeldung sich verspätet hätte, selbst 
für eine lebenslängliche U den Anspruch auf Rück- 
erstattung verlöre; auf der andern Seite könnte 
er sich dieser Folge sehr leicht dadurch entziehen, 
daß er die U aufhören ließe und nach einiger Zeit 
sie von neuem aufnähme und nunmehr rechtzeitig 
anmeldet. Das Bu selbst teilt den hier vertre- 
  
tenen Standpunkt, daß durch die nicht rechtzeitige 
Anmeldung der Erstattungsanspruch lediglich hin- 
sichtlich derjenigen U verwirkt war, die mehr als 
sechs Monate vor der U erfolgt sind (E. 31 167). 
Verjährung. „Erstattungs= und Ersatz- 
ansprüche, welche auf Grund dieses G erhoben 
werden, verjähren in zwei Jahren vom Ab- 
lauf desjenigen Jahres ab, in welchem der An- 
spruch entstanden ist.“ Es ist zu beachten, daß durch 
diesen § 30 a zum erstenmal eine Verjährung für 
diese Ansprüche gesetzt ist (E. 28 125), während die 
in 3 34 gestellte Frist eine Präklusivfrist darstellt. 
Damit sind die bisherigen landesgesetzlichen Ver- 
jährungsfristen — z. B. Preußen 30 Jahre — 
für armenrechtliche Ansprüche beseitigt. — Auch 
in Ansehung des § 30 a hat das BA ausdrücklich 
ausgesprochen, daß die Verjährung, soweit es sich 
um fortlaufende Leistungen handele, sich nur auf 
die Beträge beziehe, die in die Zeit vor Beginn 
der Verjährungsfrist entfallen. (E. 35 123). Doch 
findet § 30 a nicht Anwendung bei Ansprüchen, 
die durch rechtskräftige Entsch vollständig festge- 
stellt sind. (E. 31 114.) 
3. Uebernahme in eigene Für- 
sorge. Die A6esetzgebung will in ihrem engen 
Anschluß an die Wirtschafts Ggebung, namentlich 
an das Freizügigkeits G, in der Ein- 
schränkung der wirtschaftlichen Freiheit infolge von 
Hilfsbedürftigkeit nicht weiter gehen, als jenes G, 
sondern es nur ergänzen. Für den einen 
armenrechtlichen Ausweisungs-- 
grund (die übrigen sind lediglich polizeilicher 
Natur) aus 95 FGCU|Freizügigkeitl will 
es das Korrelat durch Bezeichnung desjenigen Be- 
zirkes schaffen, welcher zur Uebernahme 
eines solchermaßen ausgewiesenen Individuums 
und zur Duldung seines ferneren Aufenthalts ver- 
pflichtet sein soll: und in Uebereinstimmung mit 
den Grundsätzen über die endgültige Fürsorgepflicht 
wird als hierzu verpflichtet derienige A erachtet, 
in welchem das betr. Individuum einen UW besitzt. 
Soweit die Uebernahmepflicht vorlicgt, ist aber 
nicht bloß der vorläufig unterstützende A# die Aus- 
weisung, sondern der endgültig verpflichtete A 
auch die Ueberführung in eigene Fürsorge zu for- 
dern berechtigt (I§ 31. 32). Doch erfährt diese 
beiderseitige Berechtigung eine Ausnahme in fol- 
genden Fällen: 1. wenn über das Verbleiben des 
Bedürftigen gegen Gewährung einer bestimmten 
U seitens des verpflichteten AL eine Verein- 
barung getroffen ist, zu deren Herbeiführung 
auf Anrufen eines Beteiligten die erstinstanzlichen 
Behörden vermittelnd einzuschreiten haben (§ 55); 
2. wenn mit der Ausweisung Gefahr für Leben 
oder Gesundheit des Auszuweisenden oder seiner 
Angehörigen verbunden sein würde, — wenn die 
Ursache der Erwerbs= oder Arbeitsunfähigkeit durch 
eine im RKriegsdienste oder bei Gelegenheit einer 
Tat persönlicher Selbstaufopferung erlittene Ver- 
wundung oder Krankheit herbeigeführt ist, — 
wenn endlich die Wegweisung mit erheblichen Här- 
ten oder Nachteilen für den Auszuweisenden ver- 
bunden sein würde. In den Fällen zu 2 entscheidet 
die zur Entsch erster Instanz zuständige Behörde 
des OA# des Aufenthaltsorts über das Verbleiben. 
gegen Festsetzung der von der anderen Seite zu 
zahlenden Vergütung. Berufung ist hiergegen zu- 
lässig (§ 56). — Auch ist in diesem Zusammenhange 
noch an die Vorschrift des 8 6 F zu erinnern,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.