Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
I. Armenrecht (Bayern) 
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lastung der HGemeinde noch verschärft durch die 
sehr viel längere Dauer der Fristen zum Erwerb 
der H und durch den Grundsatz, daß die alte H 
nicht früher als bei Erwerb einer neuen verloren 
gehen kann. Auch in Bayern stellte sich der durch 
wirtschaftliche Verhältnisse erzeugte Gegensatz 
zwischen Stadt und Land, zwischen Industrie und 
Landwirtschaft heraus. Wenn auch infolge der 
auf ganz Deutschland sich erstreckenden Wirtschafts- 
Ggebung die auf Grund des Reservatrechts zu- 
lässige bayerische Sonder GEgebung durch die Novelle 
v. 23. 7. 72 und 3. 2. 88 das Prinzip der H wesent- 
lich abschwächen mußte, so vermochte sie doch nicht 
die aus der langen Dauer des HBesitzes sich er- 
gebenden Folgen für die Fortzugsgemeinde zu 
beseitigen. So trat die von agrarischer Scite auch 
in Ostdeutschland so oft betonte und in der Begr 
der Novelle v. 08 scharf hervorgehobene Belastung 
dieser Gemeinden in noch grelleres Mißverhältnis 
zu der wirtschaftlichen Leistung dessen, für den die 
HGemeinde oft nach sehr langer Zeit noch die A- 
Fürsorge übernehmen mußte. Die Konsequenz 
dieser Bustände sogleich in vollem Maße durch An- 
nahme des Prinzips des UW zu ziehen, konnte man 
sich gleichwohl nicht entschließen, obwohl es in dem 
bayerischen Landtag nicht an Stimmen fehlte, die 
auf die Notwendigkeit einer derartigen Entwicke- 
lung hinwiesen; man wünschte vielmehr an dem 
Prinzip der H festzuhalten (vgl. die Erklärungen 
der bayerischen RHTAbgeordneten im RT, St. Ber. 
97, 4037 ff) und nur gewisse Erleichterungen für 
die zu stark belasteten HGemeinden zu schaffen. 
Auf wiederholte Anträge von Abgeordneten brachte 
die Regierung einen Entw ein, der mit einigen, 
zum Teil nicht unwesentlichen Aenderungen als 
Gv. 16. 6. 96 publiziert wurde. Das G enthält 
in der Hauptsache Abänderungen des H# und nur 
in & 10 eine Abänderung des G über die A- und 
Krankenpflege; doch hat auch dieser Paragraph 
seinen Schwerpunkt in den Beziehungen zur H- 
Gemeinde und in dem Bestreben, die Verpflichtung 
der HGemeinde leichter als bisher zu lösen. Auch 
die Novelle hat aber nicht die gewünschte Wirkung 
in vollem Maße geübt. Die Klagen über die starke 
Belastung der HGemeinden durch die formale 
Verpflichtung zur Fürsorge für lange abwesende 
HGenossen dauerten fort. Sehr lebhaften und 
erfolgreichen Ausdruck fanden diese Klagen im 
bayrischen Landtage im Nov. 07. Es wurde von 
den verschiedensten Seiten übereinstimmend auf 
die große Belastung der HGemeinden infolge der 
lange dauernden H Verpflichtung hingewiesen und 
diese Tatsache mit Ziffern belegt. Der Landtag be- 
schloß die Niedersetzung einer Kommission, die sich 
im April 08 eingehend mit dem Gegenstande und 
den dazu gestellten Anträgen beschäftigte. Im 
allgemeinen gehen die Anträge dahin, den Verlust 
der alten und den Erwerb einer neuen H durch 
Zulassung gleichartiger Fristen für beides und 
durch einheitliche Herabsetzung der Altersgrenze 
zu erleichtern und die Last für gewisse Fälle 
größeren, neu zu schaffenden AVerbänden zu 
überweisen bezw. die vorhandenen größeren Ver- 
bände an den ALasten in umfassenderem Maße zu 
beteiligen. Außerdem wurde beantragt, die Re- 
gierung zu Erhebungen über die Belastung der 
Gemeinden durch die Last für einheimische und 
auswärtige A und über die Abwanderung zu ver- 
anlassen. Bon Seiten der Reg wurde die Notwen- 
  
digkeit einer umfassenden Genderung anerkannt. 
Man sieht, daß die Reformgedanken sich durchaus 
in der Richtung des UW G bewegen und daß die 
Natur der Dinge ebenso wie in dem übrigen 
Deutschland dazu führen muß, auch in Bayern der 
wirtschaftlichen Gestaltung durch die AGesetzgebung 
nachzufolgen. Es steht dahin, ob man sich über- 
winden wird, auch den Namen „Heimat“ auf- 
zugeben und durch den nüchterneren, aber sach- 
gemäßeren Ausdruck Unterstützungswohnsitz zu 
ersetzen oder gar die von allen Sachkundigen er- 
strebte Einheitlichkeit der deutschen AGesetzgebung 
herbeizuführen.— . 
II. Imeinzelnen. 
1. Die Organe der Armenpflege sind 
die politischen Gemeinden, die in bezug hierauf 
Heimat-Gemeinden heißen und nach 
außen hin aktiv wie passiv allein legitimiert sind. 
Eine armenrechtliche Vereinigung mehrerer HGe- 
meinden entsprechend dem UWG ist nicht zulässig, 
wohl aber eine Verbindung zu einzelnen Veran- 
staltungen (AGa 17). Die Mittel der ApPflege sind 
zunächst etwaigen besonderen Einkünften (Stif- 
tungs AVermögen, Lustbarkeitsabgaben) zu ent- 
nehmen, mangels solcher durch Umlagen aufzu- 
bringen. Die MKasse wird von dem Gemeindehaus- 
halt getrennt verwaltet (a 18, 19 u. Min E v. 14. 5. 
70). In den Fällen der zugewiesenen Heimat ist 
der Staat Träger der ALast; außerdem sind 
die Distrikte und Kreise nach gewissen Grundsätzen 
(s. unten zu 3) an den Aufgaben der APflege be- 
teiligt, ohne nach außen hin als Träger der ALast 
zu erscheinen. 
.2. Rechtsgrund der armenrecht- 
lichen Verpflichtung. 
a) Die vorläufige Fürsorge- 
pflicht. Sie liegt nach denselben Grund- 
sätzen, wie im übrigen Reichsgebiet, der 
Heimatgemeinde zunächst ohne jede Rücksicht 
auf die armenrechtliche Zugehörigkeit ob, jedoch 
gleichfalls mit Vorbehalt des Ersatzanspruches an 
die endgültig verpflichtete H (AG a 12, 13). Die 
Erstattung ist von rechtzeitiger Anmeldung (3 bezw. 
5 Tage nach gewährter U) abhängig gemacht (a 31). 
b) Dieendgültige Fürsorgepflicht. 
Endgültig verpflichtet ist diejenige Gemeinde, in 
welcher ein Individuum die H besitzt. Allgemeine 
Voraussetzung des Besitzes ist die bayer. Staats- 
angehörigkeit, so daß an und für sich zureichende 
Erwerbsgründe erst nach deren Erlangung wirksam 
werden. Die H wird erworben 1. durch Geburt 
in derjenigen Gemeinde, in welcher der betr. Eltern- 
teil (Vater, Adoptivvater, uneheliche Mutter) hei- 
matberechtigt ist oder war; 2. durch Eheschlie- 
ßung für die Ehefrau in der H Gemeinde des Ehe- 
manns:; 3. durch Anstellung (definitive) im 
Staats-Gemeinde-Kirchendienst am Orte der An- 
stellung; 4. durch Erwerb des Bürgerrechts; 
5. durch Verleihung, auf welche jeder 
bayer. Staatsangehörige Anspruch hat, wenn er 
sich 4bezw. 7 Jahre (früher 5 und 10) unterstützungs- 
frei in einer Gemeinde aufgehalten und in ersterem 
Falle auch regelmäßig direkte Steuern gezahlt hat. 
Ausgenommen sind unselbständige Dienstboten, 
Gewerbegehilfen und Dienstboten, sowie entmün- 
digte Personen. Außerdem kann die Verleihung, 
die im übrigen nicht versagt werden darf, von Zah- 
lung einer näher bestimmten (HG a 11) HGebühr 
abhängig gemacht werden. Nur Dienstboten, Ge- 
 
	        
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