Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
III. Armenpolizei — IV. Schutzgebiete 
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dem württembergischen G v. 89 aus. 
Die Verpflichtung zur Arbeitsleistung wird in Würt- 
temberg durch Beschluß der ABehörde festgestellt. 
Eine ähnliche Bestimmung enthält das G des 
Herzogtums Anhalt v. 27. 4. 04 und das G 
für Mecklen burg-Schwerin v. 18. 5. 90. 
Sehr gründlich ist die Frage jüngst von den 
Hamburgischen gesetzgebenden Körperschaf- 
ten erörtert worden, wobei namentlich auf die 
eben erwähnte Erklärung des RK hingewiesen und 
der Sachstand in den einzelnen Bundesstaaten der 
Prüfung unterzogen wird. Der hamburgische 
Ggeber kommt hierbei zu dem oben mitgeteilten 
Ergebnis, demzufolge zwar strafrechtliche Vor- 
schriften neben dem RSt#B nicht zulässig seien, 
wohl aber polizeiliche Maßregeln, die dem Miß- 
brauch der APflege in der Art entgegenzuwirken 
bestimmt sind, daß der durch den Mißbrauch ge- 
schaffene polizeiwidrige Zustand beseitigt wird. 
Dies geschehe durch den Arbeitszwang, der gegen 
das der Unterhaltspflicht sich entziehende Familien- 
haupt geübt werde, wenn der AV während der 
Dauer der den Angehörigen zu gewährenden U 
die Kontrolle über Arbeit und Arbeitsverdienst des 
Nährpflichtigen übernehme. Hinzu kommt der 
andere Gesichtspunkt, daß im Sinne der armen- 
rechtlich unzweifelhaften Familiengemeinschaft das 
Familienhaupt in der Person seiner Angehörigen, 
also mittelbar selbst unterstützt werde; da die Ge- 
währung der U in Erfüllung einer öffentlich-recht- 
lichen Pflicht erfolge, so sei auch die Beseitigung 
der Notwendigkeit dieser Hilfe eine Forderung der 
öffentlichen Ordnung. Hierin liege das polizeilich zu 
schützende öffentliche Interesse, wobei es sich trotz 
des scheinbar gleichen Enderfolges nicht um eine 
Bestrafung durch Freiheitsentziehung — die recht- 
lich unzulässig sein würde — sondern um eine in 
besonderer Form gewährte U handle. Selbstver- 
ständlich müssen derartige armenpolizeiliche Maß- 
regeln mit Sicherheit gegen Mißbrauch ausge- 
stattet sein, was Hamburg durch Schaffung einer 
besonderen Behörde zu erreichen versucht hat. 
Alle übrigen hier nicht erwähnten Bundesstaaten, 
so namentlich Preußen und Bayern, ent- 
behren derartiger Bestimmungen. Einen teilweisen, 
aber doch nur sehr unzureichenden Ersatz gewähren 
einige landesgesetzliche Bestimmungen über die 
Befugnisse der AVerw, bestimmte Klassen von 
Angehörigen im Verw Verfahren zur Leistung von 
Beiträgen heranzuziehen (vgl. Armenverw. zu 3.). 
In diesem Zusammenhange sind auch noch die 
Strafbestimmungen des bayerischen AE a 44 zu 
erwähnen, denen zufolge Personen, welche 
öffentl. A genießen, mit Arrest bis zu 8, im Rück- 
fall bis zu 30 Tagen bestraft werden können, wenn 
sie sich ungeziemenden Benehmens gegen die A- 
Pflege oder der Veräußerung bezw. Unbrauchbar- 
machung von Natural U schuldig machen. Aehnlich 
württ. Pol StrGB a 10, welches für derartige Zu- 
widerhandlungen sowie für Erschleichen von U 
oder mutwilliges Herbeiführen einer bedürftigen 
Lage Haft androht. — 
# 3. Der Einfluß den Empfangs öffentlicher 
Armennnterstützung auf das Wahlrecht. Das 
ReichstagswahlG, das GV, alle Landesverfas- 
fungs G, sowie eine Anzahl anderer Gesetze, in 
denen sich Vorschriften über Wahlen zu öffent- 
lichen Aemtern finden, wie namentlich StO, LGO 
usw# Pschließen diejenigen Personen von dem aktiven 
  
und passiven Wahlrecht aus, welche öffentliche An 
in dem der Wahl vorausgehenden Jahre empfan- 
gen haben. Abgesehen davon, daß die praktische 
Anwendung dieser Bestimmungen erhebliche 
Schwierigkeiten bietet, weil der Begriff der AU 
zuverlässiger Feststellung vielfach nicht zugänglich 
ist, begegnet die Versagung des Wahlrechts auch 
ernsten sozialen und politischen Bedenken: Soll 
die Versagung des Wahlrechts nach übereinstim- 
mender Auffassung auf diejenigen beschränkt blei- 
ben, die in eine so starke wirtschaftliche Abhängig- 
keit geraten sind, daß sie aus eigenen Kräften sich 
nicht mehr zu erhalten vermögen, so trifft dieser 
Gesichtspunkt keineswegs mehr zu da, wo es sich 
um Einzelfälle von Krankheit, vorübergehende 
Arbeitslosigkeit u. dgl. handelt oder wo ein ein- 
zelnes Glied der Familie durch schweres körper- 
iches oder geistiges Gebrechen der dauernden 
Hilfe bedarf, die nach dem Grundsatz der Familien= 
einheit als U des Familienhaupts betrachtet wird. 
Nachdem vielfach die Beseitigung der einschrän- 
kenden Bestimmungen gefordert war, u. a. auch 
von dem Ver Apfl, ist das R v. 15. 3. 09 er- 
lassen. Es wird darin bestimmt, daß, soweit in 
Reichsgesetzen der Verlust öffentlicher Rechte von 
dem Bezug einer Al abhängig gemacht wird, 
als Au nicht anzusehen sind: die Kranken U; die 
einem Angehörigen wegen körperlicher oder gei- 
stiger Gebrechen gewährte Anstaltspflege: U zum 
Zwecke der Jugendfürsorge, der Erziehung oder 
der Ausbildung für einen Beruf; sonstige U, wenn 
sie nur in der Form vereinzelter Leistungen zur 
Hebung einer augenblicklichen Notlage gewährt 
sind; U, die erstattet sind. Da dieses Gesetz sich 
auf das Reich beschränkt, bedarf es entsprechender 
esetzlicher Bestimmungen für die einzelnen 
undesstaaten, deren Erlaß wohl in nächster Zeit 
zu erwarten steht. 
IV. Das Krmenwesen in den Schutzgebieten 1) 
Das Gesetz über den UW v. 30. 5. 08 (Rl 
381 ff) gilt in den Schutzgebieten nicht, weil es 
dem öffentlichen Recht angehört. Es gibt in den 
Schutzgebieten weder LA# noch O V. 
Eine von diesem Reichsgesetze unabhängige all- 
gemeine Regelung des A. hat in den afrikanischen 
und Südsee-Schutzgebieten bislang nicht statt- 
gefunden. Die Notwendigkeit öffentlicher U be- 
dürftiger Personen hat sich jedoch auch in den 
Schutzgebieten seit langen Jahren gezeigt. In 
den tropischen trat sie besonders in der Form zu- 
tage, daß weiße Angestellte der angesessenen Fir- 
men aus irgend einem Grunde ihre Stellung ver- 
loren und bedürftig wurden. Um zu verhindern, 
daß Weiße vor den Augen der Eingeborenen in 
Armut untergingen und dadurch das Ansehen der 
weißen Rasse schädigten, haben sich die Schutz- 
gebiets Berw veranlaßt gesehen, stellungslos ge- 
wordenen Angestellten aus öffentlichen Mitteln 
den notwendigen Unterhalt bis zur nächsten 
Dampfergelegenheit und freie Fahrt nach Europa 
zu gewähren. Der Fiskus suchte sich in der Folge 
vor diesen Kosten dadurch tunlichst zu schützen, 
daß den Geschäftshäusern, welche diese Ange- 
stellten für die Schutzgebiete angeworben hatten, 
  
1) Dieser Abschnitt ist von Meyer-Gerhard 
bearbeitet.
	        
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