Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Arzneimittel (Verkehr außerhalb der Apothelen) 
  
in Betracht kommenden A Stoffe, insbesondere 
die scharfwirkenden 2, lediglich in den Ap 
abgegeben werden dürfen, während namentlich 
die sog. Hausmittel, Vorbeugungs-, Kräftigungs- 
und Nährmittel sowie die vielfach gleichzeitig zu 
wirtschaftlichen und technischen Zwecken dienen- 
den Stoffe dem freien Verkehr überlassen sind. 
Die Kaiserliche V macht einen Unterschied zwischen 
AZubereitungen und AStoffen. Zu den A Zu- 
bereitungen werden nach dem der V bei- 
gefügten Verzeichnisse (A) gerechnet: Abkochungen 
und Aufgüsse, Aetzstifte, Auszüge in fester und 
flüssiger Form (Extrakte und Tinkturen), Gemenge 
(Pulver und Tees), Gemische, flüssige (Mixturen) 
und Lösungen, Kapseln, Latwerge, Linimente, 
Pastillen, Tabletten und Pillen, Pflaster und 
Salben und Suppositorien. Alle diese Zuberei- 
tungen dürfen, abgesehen von einigen Ausnah- 
men, ohne Unterschied, ob sie heilkräftige Stoffe 
enthalten oder nicht, als „„eeilmittel“ (Mittel 
zur Beseitigung oder Linderung von Krankheiten) 
außerhalb der Ap weder feilgehalten noch ver- 
kauft werden, während ihr Feilhalten als 
„Vorbeugungs= oder Kräftigungsmittel“ oder zu 
anderen Zwecken keinerlei Beschränkungen unter- 
liegt. Dasselbe gilt betreffs ihrer Abgabe als kos- 
metische Mittel (Mittel zur Reinigung, Pflege 
oder Färbung der Haut, des Haares oder der 
Mundhöhle), als Desinfektionsmittel oder Hühner- 
augenmittel, vorausgesetzt, daß sie nicht scharf- 
wirkende Stoffe enthalten. Auch künstliche Mi- 
neralwasser, wenn sie in ihrer Zusammensetzung 
den natürlichen Mineralwassern entsprechen und 
weder Antimon, Arsen, Baryum, Chrom oder 
Kupfer, noch freie Salzsäure, Salpetersäure oder 
Schwefelsäure enthalten, sind freigegeben; des- 
gleichen Verbandstoffe, Zubereitungen zur Her- 
stellung von Bädern und Seifen. Betreffs der 
AöStoffe, die in einem zweiten Verzeichnis (B) 
aufgeführt sind, macht dagegen die V einen derar- 
tigen Unterschied, ob sie als Heilmittel abgegeben 
werden, nicht, sondern bestimmt, daß sie ohne Rück- 
sicht auf den Zweck ihrer Verwendung, also 
gleichgültig ob zu technischen oder zu Heil- 
zwecken, nur in den Ap feilgehalten und verkauft 
werden dürfen. Für sie ist also ein absolutes Ver- 
bot getroffen; deshalb sind in dem Verzeichnis B 
auch Atoffe, namentlich Chemikalien, die zu 
technischen Zwecken ausgebreitete Verwendung 
finden, z. B. Bromkalium, Chlorkalium usw., nicht 
aufgenommen, sondern dem freien Verkehr über- 
lassen und unterliegen nur, soweit sie zu den gifti- 
gen Stoffen gehören, den für diese geltenden Be- 
schränkungen ls. Giftverkehr!. Um die vielfach 
neu auftauchenden organischen A von vorn- 
herein vom Verkaufe außerhalb der Ap auszu- 
schließen, sind ferner für eine große Anzahl der 
im Verzeichnisse B aufgeführten Stoffe auch ihre 
Abkömmlinge und die Salze der Stoffe und 
ihrer Abkömmlinge dem ApZwang unterstellt. 
Der Großhande unterliegt den Bestimmun- 
gen der V nicht; das Gleiche gilt für den Verkauf 
der im Verzeichnis B genannten Stoffe an Ap 
oder an solche Anstalten, die Untersuchungs= oder 
Lehrzwecken dienen und nicht gleichzeitig Heil- 
anstalten sind. Eine zweckmäßige Neuerung ent- 
hält endlich die V noch insofern, als jetzt dem RK. 
die Ermächtigung erteilt ist, nach Bedarf im ein- 
zelnen bestimmt zu bezeichnende Zubereitungen, 
  
Stoffe und Gegenstände von dem Feilhalten und 
Verkaufen außerhalb der Ap auszuschließen; da- 
durch ist der Nachteil der negativen Fassung der V 
wenigstens einigermaßen gemildert. Von dieser 
Berechtigung hat der RK schon mehrfach (durch 
die Bek v. 1. 10. 03, 29. 7. und 17. 12. 07 und 
11. 4. 08) Gebrauch gemacht. 
Wenn auch die Fassung der jetzt geltenden V 
gegen früher manche Verbesserung in sanitäts- 
polizeilicher Hinsicht aufweist, die die Berechti- 
gungen der Ap in Bezug auf den AHandel etwas 
estimmter als früher abgrenzt und vor allem 
keine weiteren Einschränkungen für diese gebracht 
hat, so gibt sie doch immer noch zu zahlreichen 
Meinungsverschiedenheiten und infolge dessen zu 
ebenso häufigen gerichtlichen Strafverfahren An- 
laß. Leider stimmen auch die infolgedessen ge- 
troffenen Entsch der höchsten Gerichtshöfe (meist 
OLG) vielfach noch immer nicht überein. Be- 
sonders weichen sie hinsichtlich der Begriffe „Heil- 
oder Linderungsmittel“, „Krankheit“, „Vorbeu- 
gungs= und Verhütungsmittel“, „Nähr= und 
Kräftigungsmittel“ von einander ab, wodurch die 
Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen durch 
die ausführenden Behörden sehr erschwert wird. 
Indessen werden jetzt unter „Heilmittel“ 
allgemein solche Mittel verstanden, die bewirken 
wollen, daß ein krankes Lebewesen wieder gesund 
wird, also zur Beseitigung einer Krankheit Ver- 
wendung finden, während „Vorbeugungs- 
oder Verhütungsmittel“ solche Mittel 
sind, die verhüten wollen, daß ein gesundes Lebe- 
wesen krank wird, und deren sich der gesunde 
Mensch bedient, wenn er entweder nach seiner 
körperlichen Beschaffenheit zu einer Krankheit 
neigt oder anderweitige Umstände die Gefahr 
einer Erkrankung annehmen lassen. Als „Nähr- 
und Kräftigungsmittel“ ist ein Mittel 
anzusehen, das zur Unterstützung der Heilung ab- 
gegeben wird. Der bloße Aufdruck „Vorbeugungs- 
mittel“ auf dem Abgabegefäß eines A entkleidet 
dieses aber keineswegs seiner Eigenschaft als 
verbotenes „Heilmittel“, sofern damit lediglich 
eine Vortäuschung beabsichtigt ist. 
5s3. Anzeigepflicht und Betrieb. Der Handel 
mit den freigegebenen A außerhalb der Ap ist im 
Deutschen Reich weder von einem Befähi- 
gungsnach weis, noch von einer polizei- 
ichen Erlaubnis abhängig. Die Drogisten 
haben wiederholt einen Antrag auf Einführung 
eines Befähigungsnachweises gestellt, das Be- 
dürfnis eines solchen ist jedoch bisher von der 
Reichs Reg verneint 1). Jedermann kann jetzt 
ohne weiteres den Handel mit Drogen usw. be- 
ginnen; er hat dazu nichts weiter notwendig, als 
daß er davon der zuständigen Behörde (in Kreu- 
ßen: Orts Pol Behörde, in Bayern: Distriktsver- 
waltungsbehörde) Anzeige erstattet. Diese 
Anzeigepflicht ist in jüngster Zeit durch die 
1) Seit 1874 sind auf Anregung des deutschen Drogisten- 
vereins Fachschulen zur Ausbildung von Lehrlingen in 
Berlin, Dresden, Breslau, Leipzig, Braunschweig und an- 
deren großen Städten sowie im Jahre 1880 eine Drogi- 
sten - Akademie in Braunschweig errichtet; 1891 hat 
der Borstand dann Drogisten-Gehilfenprüfungen einge führt 
und gleichzeitig seine Mitglieder ersucht, vorzugsweise nur 
solche junge Leute als Gehilfen, anzunehmen, die diese Pru- 
fung bestanden haben «
	        
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