Arzt (Gebühren, Standesorganisation)
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III. Gebührenwesen
5*13. Gebührenordnungen für Aerzte. Die
Bestrebungen der A. nach einer einheitlichen ärzt-
lichen Taxe für das ganze Deutsche Reich sind bis-
her ohne Erfolg geblieben. Nach § 80 Abs 2 GewO
bleibt die Bezahlung der approbierten A. der
Vereinbarung überlassen; als Norm für streitige
Fälle können jedoch Taxen von den ZBeh fest-
gesetzt werden. Von dieser Befugnis ist fast in
allen Bundesstaaten Gebrauch gemacht mit Aus-
nahme von Baden, Elsaß-Lothringen, Bremen,
Lübeck, Hamburg und Schwarzburg-Sonders-
hausen. Die zur Zeit geltenden Gebührenordnun-
gen sind für Preußen unter dem 19. 5. 96
mit Abänderung v. 13. 3. 06, für Bayern
unter dem 17. 10. u. 17. 12. 02, für Sachsen
unter dem 28. 3. 89, für Württemberg
unter dem 17. u. 25. 3. 94, in Hessen unter
dem 30. 12. 99 erlassen; sie weichen in ihren Be-
stimmungen, namentlich in den einzelnen Gebüh-
rensätzen, mehr oder weniger von einander ab,
aber nicht mehr in dem Maße wie früher. Ins-
besondere sind fast überall bestimmte allgemeine
Grundsätze eingehalten, z. B. Festsetzung von
Mindest= und Höchstbeträgen mit der Bestimmung,
daß die Abmessung der Gebühr zwischen diesen
Grenzen nicht nur nach der Schwierigkeit der
ärztlichen Leistung und der darauf verwendeten
Zeit, sondern auch nach der Vermögenslage des
Zahlungspflichtigen und den örtlichen Verhält-
nissen zu erfolgen hat, und daß in gewissen Fällen
— gegenüber Unbemittelten und Armenverbän-
den sowie falls die Zahlung aus Staatsmitteln
oder aus Mitteln einer milden Stiftung, Arbeiter-
krankenkasse usw. zu leisten ist, — nur die Er-
hebung der Mindestsätze erfolgen soll. Eine Ueber-
schreitung der Taxen ist, auch wenn keine Verein-
barung getroffen ist, weder unzulässig noch straf-
bar. Die Spezial A. sind bei mangelnder Ver-
einbarung nicht ohne weiteres berechtigt, bei
ihren Honoraransprüchen über die Sätze der Ge-
bührenordnung hinauszugehen (LG 1 Berlin
VIII 3. K.) v. 15. 6. 06); von einzelnen Gerichten
ist allerdings die Frage, ob ein A. von Ruf höhere
als die tapmäßige Gebühr auch ohne zuvorige
Vereinbarung verlangen kann, bejaht. Jeden-
falls ist der A. verpflichtet, seine Rechnung auf
Berlangen des Zahlungspflichtigen zu spezifizie-
ren, und nicht berechtigt, diese dann nachträglich
zu erhöhen.
5# 14. Gebührenordunagen für gerichts= und
Entsärztliche Geschäfte. Für die gerichtsärztliche
Tätigkeit der A. gilt zwar im allgemeinen die
Reichsgebührenordnung für Zeugen und Sach-
verständige v. 30. 6.78; nach § 13 derselben kom-
men aber, falls für gewisse Arten von Sachver-
ständigen besondere landesgesetzliche Taxvorschrif-
ten bestehen, lediglich diese zur Anwendung.
Solche Vorschriften sind ausnahmslos in allen
mndesstaaten getroffen, so daß die einschlägigen
zestimmungen der Reichsgebührenordnung für
die A. nur insoweit in Betracht kommen, als sie als
Zeugen oder sachverständige Zeugen zugezogen
werden. Die betreffenden Gebührenordnungen
ind in Preußen durch G v. 14. 7. 09, in
Bay ern durch die Kgl V v. 17. 11. 02 u. 22.
2. 04, in Sachsen durch die V v. 9. 3. 00, in
Württembertg durch die V v. 17. 3. 99, in
Baden durch die Großh. B v. 23. 1. O9, in
Hessen durch die V v. 22. 1. u. 30. 11. 00
und in Elsaß-Lothringen durch das G
v. 13. 1. 73 und Regl v. 17. 1. 75 mit den nachträgl.
Abänderungen v. 20. 10. 80, 5. 5.91 u. 5. 9. 03 er-
lassen. Diese Gesetze und V gelten nicht bloß für die
beamteten, sondern auch für die nicht beamteten A.;
eine Ausnahme davon macht nur Hessen; hier
findet für die praktischen A. bei gerichtsärztlichen
Geschäften die ärztliche Gebührenordnung v. 30.
12. 99 Anwendung. Zwischen den einzelnen lan-
desgesetzlichen Vorschriften macht sich ebenfalls
ein Unterschied bemerkbar, der sogar erheblicher
ist, als bei den ärztlichen Gebührenordnungen.
Interessant ist dabei, daß gerade in dem Bundes-
staate, in dem die Amts A. alle voll- und am
höchsten besoldet sind, im Königreich Sachsen,
auch die Gebühren für Gerichts= und amtsärztliche
Geschäfte am höchsten bemessen sind.
IV. Standesorganisation
15. Staatlich anerkannte Vertretungen des
ärztlichen Standes. Der von den A. schon seit
Jahren ausgesprochene Wunsch nach einheitlicher
Organisation ihres Standes durch Reichsgesetz
(Erlaß einer deutschen Aerzteordnung
und allgemeine Einführung von AsK mit Diszipli-
nargewalt) ist bisher nicht erfüllt, sondern die Re-
gelung dieser Frage der Landesgesetzgebung über-
lassen. Auf Grund solcher landesgesetzlichen Be-
stimmungen bestehen ärztliche Standesvertretun-
gen sowohl in Preußen und Bayern, als in Sach-
sen, Württemberg, Baden, Hessen und Elsaß-
Lothringen. Im allgemeinen dienen diese aus
freier Wahl der A. gebildeten Organisationen
(Aerztekammern,ärztliche Landes-
vereine oder Zentralausschüsse,)
zur Wahrnehmung und Vertretung der ärztlichen
Standesinteressen 1) sowie zur Mitwirkung auf
dem Gebiete der öffentlichen GesPflege durch
Entsendung von Vertretern in die betreffenden
staatlichen medizinisch-technischen Behörden (Wis-
senschaftliche Deputation für das Med Wesen,
Provinzial-Med Kollegium in Preußen, Ober-
Med Ausschuß in Bayern, LandeMed Kol-
legium in Sachsen, Med Kollegium in
Württemberg — Zuziehung von Fall zu Fall —,
ärztlicher Zentralausschuß Hessen). Mehrfach
steht ihnen ein Disziplinarrecht und
Umlagerecht zur Aufbringung der Kosten
bezw. zu Unterstützungszwecken zu (Preußen,
Sachsen, Baden und Elsaß-Lothringen); in Preu-
ßen, Sachsen und Baden sind auch ärztliche
Ehrengerichte gebildet, deren Errichtung
den Bestimmungen der Gewyd nicht widerspricht
(RGer. 1. 5. 99). In denjenigen Bundesstaaten,
in denen diesen Organisationen das Disziplinar-
recht eingeräumt ist, sind alle ansässigen A. zum
Beitritt verpflichtet, während sie in Bayern,
Württemberg und Hessen dazu nur berechtigt sind.
Das Disziplinarrecht erstreckt sich aber, abgesehen
von Baden (s. nachstehend) überall nur auf die
praktischen A.; alle beamteten A., Militär A. so-
wie die sonst einem anderweit geordneten staat-
1) Ueber Befugnis, Strafanträge wegen unlauteren
Wettbewerbs bei Ausübung der Heilkunde zu stellen, val.
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