Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Arzt (Schutzgebiete) 
  
bei denen Bedürftigkeit die Vorbedingung zur 
Unterstützung bildet, sind in allen Bundesstaaten 
vorhanden und zwar meist getrennt in solche für 
A. und solche für A.Witwen und -Waisen. Sie 
sind vielfach aus Stiftungen hervorgegangen (z. B. 
die Hufelandsche Stiftung in Preußen), vielfach 
erhalten sie auch staatliche Zuschüsse, z. B. die 
bayerischen Vereine zur Unterstützung von inva- 
liden, hilfsbedürftigen A. und die Pensionsvereine 
für Witwen und Waisen bayerischer A. Der Bei- 
tritt ist bei den meisten Kassen freiwillig und nur 
in Sachsen (tärztliche Invaliden-, Versorgungs- 
sowie ärztliche Witwen= und Waisenkasse), Baden 
(Unterstützungskasse hilfsbedürftiger A.) und in 
Hessen (ärztliche Hilfskasse) obligatorisch. In den 
letzten Jahren sind endlich mehrfach die AK(z. B. 
in Preußen) dazu übergegangen, Unterstützungs- 
kassen zu gründen und zu diesem Zwecke Beiträge 
von allen A. ihres Bezirks zu erheben; diese 
Kassen haben z. T. das Ziel, sich später in Rechts- 
kassen umzuwandeln, sobald das dazu erforder- 
liche Grundvermögen in ausreichender Höhe an- 
gesammelit ist. 
V. Schutzgebiete!) 
& 17. Die ärztliche Tätigkeit (einschl. der zahn- 
ärztlichen) liegt in den Schutzgebieten vorwie- 
gend in den Händen von beamteten und Schutz- 
truppenärzten. Privatärzte finden sich dort nur 
in geringer Zahl. Da auch von diesen die 
meisten vertraglich für Zwecke der Verwaltung 
verpflichtet sind oder sonst eine beamtenähnliche 
Stellung einnehmen (z. B. im Dienste von Er- 
werbsgesellschaften oder Missionen stehen) und 
es im übrigen in den Augen der Bevölkerung 
der Schutzgebiete als eine selbstverständliche For- 
derung gilt, daß ein A eine entsprechende Quali- 
fikation in der Heimat erworben hat, so haben sich 
bisher in den Schutzgebieten Vorschriften über eine 
Appr oder Zulassung der Aerzte sowie über die 
ihnen zustehenden Gebühren, die Bildung einer 
Standesvertretung usw. als entbehrlich erwie- 
sen. Grundsätzlich ist dementsprechend der Beruf 
des A. in den Kolonien völlig frei gegeben, so 
daß z. B. auch einer ärztlichen Tätigkeit Einge- 
borener nichts im Wege steht, sofern sie nicht auf 
emeinschädliche Art, z. B. unter Anwendung 
og. Zaubermittel, betrieben wird und deshalb zu 
einem Einschreiten der Verwaltung nötigt. Jedoch 
nimmt der ärztliche Beruf auch in den Schutz- 
gebieten insofern eine gewisse Sonderstellung 
ein, als die für Aerzte geltenden Vorschriften des 
RötEGB, der B8 PO und der St P gemäß & 3 
des Schutzgebietsgesetzes (RGnl 1900, 813) in 
Verbindung mit dem 5 19 des G über die Kon- 
fulargerichtsbarkeit v. 7. 4. 1900 (Rl 213) 
dort ebenfalls Anwendung finden. Dagegen bil- 
det der ärztliche Beruf nach § 2 SchGG und * 12 
Kons GG keinen Grund, um das dem Schöffen- 
amte entsprechende Amt eines Gerichtsbeisitzers 
in den Schutzgebieten abzulehnen. 
Was die — sonach hauptsächlich interessierende — 
Organisation des amtsärztlichen Dienstes für die 
Schutzgebiete anlangt, so steht an dessen Spitze 
der Med Referent im Reichs-Kolonialamt, welcher 
zugleich auch Vertrauens A des letzteren (in An- 
  
1) Bearbeitet von Gerstmeyer. 
  
gelegenheiten der Kolonialbeamten) und oberster 
Sanitätsoffizier der Schutztruppen ist. Zur 
Unterstützung sind ihm einige Stabs- und Ober- 
ärzte der letzteren beigegeben. Ihm liegt es vor 
allem ob, als Berater des Reichs-Kolonialamts 
welches auch auf dem Gebiete der GesPflege die 
Stellung der Zentralinstanz für die Kolonien ein- 
nimmt, die Gesichtspunkte für die Organisation 
des Med Wesens der Schutzgebiete anzugeben so- 
wie die Seuchenbekämpfung und die allgemeine 
Hygiene der Weißen und Farbigen daselbst in die 
rechten Bahnen zu lenken. In ähnlicher Weise 
wirken im engeren Kreise die den Gouvernements 
einzelner Schutzgebiete (Ostafrika und Kamerun) 
beigegebenen Med Referenten. Im übrigen liegt 
die Beratung der Gouvernements und der lokal- 
ärztliche Dienst teils Sanitätsoffizieren der Schutz- 
truppen (bezw. in Kiautschou der Marine) ob, die 
insoweit gleichzeitig für die Zivil Verw tätig sind, 
teils den sogenannten Reg Aerzten. Die letzteren 
sind entweder gegen feste Besoldung als Beamte 
der Schutzgebiete angestellt oder Privatärzte, 
welche durch Vertrag für den Reg Dienst verpflichtet 
sind. Neben ihren amtsärztlichen Funktionen ist 
den Reg Aerzten noch die Behandlung der Landes- 
beamten und an Orten, an welchen sich Reg- 
Krankenhäuser für Weiße oder Eingeborene be- 
finden, deren Leitung übertragen. Außerdem 
üben sie regelmäßig auch Privatpraxis und eine 
weitgehende poliklinische Tätigkeit im Interesse 
der farbigen Bevölkerung aus. 
In den afrikanischen und Südsee-Schutzgebieten 
und Kiautschou sind zur Zeit (Anfang 1910) im 
Ganzen 129 Aerzte (gegen 50 im Jahre 1901) 
tätig, und zwar 78 Schutztruppenärzte, 28 Reg- 
Aerzte, 20 Privatärzte und 3 Missionsärzte. 
Auf die einzelnen Schutzgebiete entfallen hier- 
von: 
a) Ostafrika: 38 Militärärzte, wovon 24 dauernd 
in der Zivil Verw beschäftigt werden, 3 Reg- 
Aerzte, 3 Privatärzte, 2 Missionsärzte und 2 Eisen- 
bahnärzte, zusammen 48 Aerzte; 
b) Kamerun: 15 Schutztruppenärzte, 7 Reg- 
Aerzte, 1 Bahnarzt, 1 Missionsarzt, zus. 24 Aerzte; 
Jc) Togo: 7 Reg Aerzte und 1 Bahnarzt, zuf. 
8 Aerzte; 
d) Südwestafrika: 25 Militär= und 11 Zivil- 
ärzte, zus. 36 Aerzte; 
e) D. N.-Guinea: 10 Reg Aerzte in Herberts- 
höhe, Friedrich Wilhelmshafen, Simpsonhafen 
und Kaewieng, Jaluit, Ponape, Saipan, Jap 
und Nauru; 
t) Samoa: 1 Regrzt, 2 Privatärzte. 
Zur Ausbildung und Weiterbildung der Kolo- 
nialärzte einschl. der Schutztruppenärzte für ihren 
besonderen Beruf ist das Institut für Schiffs= und 
Tropen Kr in Hamburg bestimmt. Auch die hy- 
gienischen Kurse am Institut für Infektions Kr in 
Berlin werden hierfür nutzbar gemacht. Aehn- 
lichen Zwecken dient ferner noch das von den 
deutschen und schweizerischen Missionsgesellschaf- 
schaften gegründete deutsche Institut für ärztliche 
Mission in Tübingen. (Vgl. Steudel, Ko- 
lonialblatt 1909 S 921, Schilling S 966.) 
Literat ur. Altmann, Aerztliche Ehrengerichte 
und ärztliche Standesorganisation, 1900; Aschen born, 
Aerzte, Abschn. XI A. des Preuß. Med. und Ges.- 
Wesens 1883—1908 in der Festschrift des Preußischen Med
	        
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