Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Ausweisung (Anordnung, Durchführung) 287 
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amte), in Württemberg den Oberämtern zu, Betracht: als Befristung für die Anordnung 
in Bayern, Baden, Hessen dagegen dem 
Min Inn, bei strafbaren Handlungen und bei 
Mittellosigkeit jedoch nachgeordneten höheren In- 
stanzen (Bayern Distriktspolizei, Baden Bezirks- 
amt), in Elsaß-Lothringen dem Bezirks- 
präsidenten (jedoch gegen Ausländer mit stän- 
digem Aufenthalte Genehmigung durch das Min). 
. Formales. Die Anordnung ist ein 
PolBefehl, der durch Androhung polizeilichen 
Zwanges für die Nichtbefolgung eingeschärft wer- 
den kann (LV K132 Ziff. 2, Bayern PolSt GB 
8 21, Baden PolStGB 5 30). Für die Anordnung 
wird man Schriftform oder Erklärung zu Proto- 
koll der Behörde unter Hinweis auf die Folgen 
fordern müssen (so für das Reich Bek v. 10. 12. 90 
613, pr. Krim O 8572, bayr. Vollzugsbestimmung 
3. 19). Bei der Abweisung an der Grenze wird 
von dieser Förmlichkeit abgesehen werden können. 
(vgl. a 12 Niederlande). Eine nähere Angabe 
von Gründen ist nicht geboten, wofern sie nicht 
ausdrücklich vorgeschrieben ist (Bayern). 
Von einem Antrage ist der Erlaß grundsätzlich 
nicht abhängig (oben § 3 am Ende). Jedoch darf 
die A. von Franzosen nicht erfolgen, bevor Gründe 
und Beweisstücke den diplomatischen Vertretern 
oder Konsuln mitgeteilt sind und dem Beschuldig- 
ten die nötige Zeit gewährt ist, um dem Aufent- 
haltsstaat seine Rechtfertigung zu unterbreiten 
(vgl. oben § 3 B 1). 
Bei der Bedeutung, die die Maßregel gewinnen 
kann, sind vielfach Berichte an die vorgesetzte 
Behörde vorgeschrieben, Mitteilungen aber auch 
der Justizstellen an die VerwOrgane von straf- 
baren Handlungen, die eine A. nach sich ziehen 
können. Von jeder Reichs A. ist dem Reichsamt 
des Innern Mitteilung zu machen; sie wird im 
ReB8 Bl veröffentlicht. Auch die Landes- 
verweisungen werden amtlich bekannt gemacht, 
so für Preußen im Zentralpolizeiblatte (mit Aus- 
nahme der Saisonarbeiter, Vagabunden und Zi- 
geuner, die beiden letztern aber im Reg Al), in 
Bayern im Zentralpolizeiblatte, für Sachsen im 
Gendarmerieblatte, in Württemberg im Fahn- 
dungsblatte, in Elsaß-Lothringen im Zentral= u. 
Bezirksamtsblatte. Eine Zentralisicrung der Fälle 
der Landesverweisung, sei es durch Bekanntgabe 
von Reichswegen in einem Amtsblatte, sei es 
durch eine zusammenfassende Mitteilung an das 
Parlament — so in Belgien jährlich — fehlt leider. 
III. Die Tragweite. Die Anordnung 
soll nach Möglichkeit Härten meiden. Sie wird 
deshalb auf den Gesundheitsstand (vgl. a 5 Bt 
Niederlande, a 11 Schweiz) sowie auf den Wirt- 
schaftsstand gebührende Rücksicht nehmen müssen. 
1. In persönlicher Beziehung erstreckt 
sich die A. „nur auf diejenige Person, gegen 
welche ein gesetzlicher A. Grund vorliegt“ (Bayern 
à 40), also nicht von selbst auch auf deren Ange- 
hörige. Jedoch wird bei der A. des Familien- 
hauptes in der Hilfsbedürftigkeit der Zurück- 
bleibenden u. U. ein besonderer Grund zur A. 
liegen. Einzelne Uebernahmeabkommen (Schweiz 
8, Niederlande 6, Belgien 2, Gothaer Vertrag 6) 
sehen deshalb die Pflicht zur Uebernahme auch 
von Frau und minderjährigen (Belgien und 
Gotha unter 16 Jahre alten) Kindern vor. Vgl. 
den Fall in der Rechtspr. d. bad. VG 2, 145. 
2. Die Zeit kommt in dreifacher Hinsicht in 
  
(vgl. oben § 3 B II), als Zeitraum für die Durch- 
führung — angemessene Frist zur Abwicklung der 
Geschäfte (Institut Entw 32, 41; Belgien, die 
Niederlande, Brasilien haben gesetzliche Fristen) 
— und als Befristung der Wirksamkeit. Die An- 
ordnung wirkt auf die Dauer, wenn nicht Ein- 
schränkungen gemacht sind oder sich sonst ergeben. 
Gesetzlich sind Zeitgrenzen nur selten vorgesehen, 
so in Bayern (a 39 Ziff. 5—8) 1—2 Jahre bei 
der A. durch die Polizeibehörde aus nichtpolitischen 
Gründen, nicht dagegen, wiewohl es die herr- 
schende Lehre annimmt, bei der Reichsverweisung 
infolge Pol Aufsicht oder Bettelns usw. (oben 
3 Al). Aus der Natur der Sache ergibt sich eine 
Begrenzung mit dem Wegfall des Grundes bei 
A. aus Gründen der öffentlichen Ordnung 
(mangelnde Legitimation, Saisonarbeiter), der 
Armenpolizei oder bei der außergewöhnlichen 
Ausweisung. 
2. Räumlick erstreckt sich die A. auf Grund 
des StGB stets auf das ganze Reichsgebiet. Im 
übrigen wird es im Ermessen der anordnenden Be- 
hörde stehen, auch nur eine Externierung aus be- 
stimmten Orten oder Bezirken (Grenzländern) 
anzuordnen; vgl. Bayern 44, Baden 3 Ziff. 5. 
Es kann dem Ausgewiesenen die Entfernung 
über eine bestimmte Grenze vorgeschrieben wer- 
den. Unbillig und deshalb unzulässig wäre es 
aber, diese Anordnung in einem Falle zu treffen, 
wo der Ausgewiesene in jenem Staate eine Straf- 
verfolgung zu gewärtigen hätte. 
IV. Rechtsbehelfe sind nur dürftig aus- 
gebildet; umso mehr wird das Gegengewicht in 
der Auswahl der zur Anordnung zuständigen 
Behörde zu suchen sein. 
1. Für die ausgewiesenen Auslän- 
der selbst und u. U. für interessierte Dritte z. B. 
Arbeitgeber die Rechtsmittel gegen polizeiliche Ver- 
fügungen, indes keine Verwllage, sondern nur be- 
fristete Beschwerde (LVG 5 130 Abs 3, Bayern 
46). Das ergibt sich auch für Sachsen, Württem- 
berg (Göz, Verwaltungsrechtspflege 1902, 173) 
und Baden (VerwpflE #+ 45, Z. 1) insofern es 
sich um eine Sache des Ermessens handelt (aber 
bei der Frage der gesetzlichen Frist?). Wenn das 
öffentliche Interesse die sofortige Vollziehung der 
A. verlangt, hat die Beschwerde keine aufschie- 
bende Wirkung (LVG 53, Bayern 46). Das 
ist auch der regelmäßige Standpunkt der auslän- 
dischen Gesetzgebung; nur vereinzelt (Niederlande, 
Brasilien) wird über die Frage der Rechtmäßig- 
keit das Anrufen eines Gerichts nachgelassen. 
Mittelbar kann auch eine parlamentarische In- 
terpellation als Rechtsschutz dienen (vgl. § 2, III). 
2. Der Heimatstaat des Ausgewiesenen kann 
Vorstellungen erheben, um die Rücknahme der An- 
ordnung oder auch eine Entschädigung zu erwirken, 
wenn in der A. eine Verletzung des Rechts oder 
auch nur eine Unfreundlichkeit läge, äußerstenfalls 
Vergeltungsmaßnahmen anwenden (wie Rußland 
1885 gegenüber den A. aus Preußen). RV a 3. 
V. Die anordnende Behörde kann den A.Be- 
fehl zurücknehmen (a. M. Reger, bayer. 
HeimatG Anm 2a zu a 46). 
# 5. Turchführung der Ausweisung, Ueber- 
nahme, Kosten. Für die Reichsverweisung hat 
der BR Vorschriften über die Vollziehung er- 
lassen (Bek RK 10 12 90), die im wesentlichen auch 
  
 
	        
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