Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Ausweisung (Schutzgebiete) 
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lich die A. oder „die polizeiliche Beschränkung des 
Aufenthalts“ in Gouvernementsverordnungen an- 
gedroht wird als Folge einer Bestrafung wegen 
unerlaubten Zutritts in gewisse Gebiete, so in der 
Vv. 7. 3. 06 N8 13 für Ostafrika (Kolon Gg X 127), 
in Südwestafrika v. 12. 4. 09 und 7. 5. 10 
(KBl 544) für die Diamantenfelder in Lüderitz- 
bucht und Swakopmund oder wenigstens die 
A. aus dem Sperrgebiete selbst, in der V v. 
25. 1. 06 für das Amboland (Kolon Gg X 120). 
In zunehmendem Maße wird die Abweisung 
in Gouvernementsverordnungen vorgesehen aus 
Gründen, ähnlich denen, die die angelsächsischen 
Lande zu der Abschließung veranlaßt haben (oben 
S 282). So in Neu---Guinea 12. 8. 05 und 
14. 10. 07 (Kolon Gg IX 242, XI 401), Togo 
26. 8. 07 und 5. 6. O9 (Kolon GEg XI 362, KBl 09 
S6n:4), Ostafrika 27. 2. 09 (KBl 09 S 364), 
wenn nicht der Nachweis des Besitzes genügender 
Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts 
(oder auch zur Rückreise) oder einer Anstellung 
erbracht wird. Eine umfassende Regelung ist 
nur für Südwes stafrika durch die V v. 
15. 12. 05 und 12. 6. 09 erfolgt (Kolon Gg IX 278, 
KBl 09 S717). Die Einwanderung kann Weißen 
untersagt werden, wenn sie sich über ihre Person 
nicht hinreichend ausweisen oder keinen hinreichen- 
den Unterhalt für sich und ihre Familie nachweisen 
können, oder wegen des körperlichen Zustandes 
voraussichtlich nicht in der Lage sind, sich dauernd 
selbst zu erhalten, die Unzucht gewerbsmäßig be- 
treiben oder der gewerbsmäßigen Unzucht Vor- 
schub leisten, oder nicht imstande sind, in einer 
europäischen Sprache den Namen zu schreiben 
(seit 1909) oder „eine Gefahr für die Ruhe des 
Schubgebiets oder die öffentliche Sicherheit bil- 
en“ 
  
Die Niederlassungsverträge des Reiches haben 
für die Kolonien ebensowenig wie die Handels- 
verträge ohne weiteres Geltung; der Vertrag 
mit den Niederlanden besagt dies ausdrücklich 
(a 14). Für einzelne der Kolonien kommen be- 
sondere Verträge in Betracht. So ist für das 
konventionale Kongobecken, in das auch Teile von 
Kamerun und Ostafrika fallen, den Fremden 
Schutz der Person, Erwerb von Immobilien, 
Gewerbebetrieb gleich den Landesangehörigen 
zugesagt (a 5 der Kongoakte v. 26. 2. 85), wieder- 
holt in dem Abkommen mit Portugal über Süd- 
afrika v. 30. 12. 86 a IV, näher bestimmt („freie 
Niederlassung“) gegenüber England in dem Ver- 
trage für die afrikanischen Kolonien v. 1. 7. 90 
à VIII, für den westlichen Stillen Ozean v. 10.4. 86 
a II, für die Schutzgebiete am Golf von Guinea 
Note des deutschen Botschafters v. 2. 6. 85 (Ko- 
lon Gg 1, 215) mit dem bemerkenswerten Vor- 
behalte „gewisser Verwaltungsvorschriften im 
Interesse des Handels und der öffentlichen 
Ordnung". Eine Einschränkung des A.Rechts 
ist in diesem Vertragsbestande nicht enthalten. 
Diese Grundsätze gelten ebensowohl für Weiße 
wie für Farbige (z. B. Inder, amerikanische 
Neger), nur daß für Farbige, die keinem Staate 
der Völkerrechtsgemeinschaft angehören, auch das 
Grundrecht der Verkehrsfreiheit nicht geltend ge- 
macht werden kann. Wenn die Gouv. V für Süd- 
westafrika v. 15. 12. 05 5 1 Ziff. 1 die Untersagung 
der Einwanderung aus dem bloßen Grunde zu- 
läßt, daß es sich um einen „Nichtweißen" handelt, 
v. Stengel- Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. I. 
  
  
so ist diese unterschiedlose Aufstellung nicht un- 
bedenklich. 
2. Deutsche Reichsangehörige unter- 
liegen einer Verweisung aus den Kolonien aus 
den Gründen des St GB nicht. Dagegen können 
sie von der Landesverweisung betroffen werden. 
De lege ferenda wird hier ein Wandel zu schaffen 
sein. De lege lata ist eine abweichende Ansicht 
nicht haltbar; denn es fehlt für die Kolonien an 
einer Gewährleistung des Aufenthalts, wie sie 
für die Heimat das Freizügigkeitsgesetz enthält. 
Damit entfällt das gesetzliche Hemmnis, das die 
Pol Gewalt in der Anordnung einer A. beschränkt. 
RVaz (Schutzgeb G § 9) steht nicht entgegen, da 
er nur einer Verschiedenheit in der Behandlung 
von Deutschen in den einzelnen Gliedstaaten vor- 
beugen soll (fehl gehen Fuchs, Kol. Rundschau 1910, 
S 50, Höpfner, DIZ 15, 419; zutreffend Gerst- 
meyer, Das Schutzgebietsgesetz, 1910 S 35). 
3. Anders steht es mit den Eingeborenen 
der Schutzgebiete. Sie ausweisen, hieße ihnen 
den zugesicherten Schutz versagen. (Die mehrfach 
verhängte Deportation nach einer andern Ko- 
lonie ist keine A.) Manche Eingeborenenstämme 
handhaben übrigens selbst die A. In Kiautschon 
kann gegen Chinesen die A. als Nebenstrafe vom 
Gerichte ausgesprochen werden (Gouv. V v. 15. 
4. 99 § 6); das steht im Einklange mit a 5 des 
Ueberlassungsvertrages v. 6. 3. 98. 
II. Die zur A. befugte Behörde ist m. W. nicht 
allgemein bestimmt; eine Normierung wie bei 
der Sperre des Ambolandes (von jedem einzelnen 
Pol Beamten auszuweisen) ist nur in den beson- 
deren Verhältnissen begründct. Nach dem grund- 
sätzlichen Standpunkte (oben S. 286) wird nur 
eine über der unteren Instanz stehende PolBe- 
hörde zuständig sein, d. i. der Gouverneur, na- 
mentlich für die A. von Deutschen. Zu einer 
Abweisung dagegen wäre schon die örtliche Pol Be- 
hörde berufen, und ebenso wird man sie gegen- 
über Farbigen, die keinem Kulturstaate angehö- 
ren, für zuständig cerachten. Ueber Zwangsmaß- 
nahmen bestimmt die Kais. V v. 14. 7. 05 §§ 8, 
15 (RSl 717). Für Kiautschou vgl. 1 3. Ueber 
das Beschwerderecht an Gouverneur und Reichs- 
kanzler sKolonialrecht, polizeiliche Ver- 
fügungen. Für Eingeborene ist dieser Instan- 
zenzug nicht festgelegt. 
§ 8. Aus den Konsulargerichtsbezirken aus- 
zuweisen ist der Konsul befugt, insofern ihm die 
Polizeigewalt zukommt. So ist die Praxis für 
Frankreich, Italien, Oesterreich-Ungarn, Rußland, 
selbst für England. Daß die deutschen Konsuln 
darin zurückstünden (so v. König, H d. D. Kon- 
sularwesens? 09, 40), wird nicht zuzugeben sein 
(Gl. M. Kayser-Loening, Hübler, Magistraturen 
des völkerr. Berkehrs 1900, 70; vgl. Fleischmann, 
Kol. Rundschau 09, 650). Andererseits kann aber 
auch dem Aufenthaltsstaat das Recht zur A. nicht 
versagt werden, wennschon ihm eine Zwangsge- 
walt nicht zusteht (streitig). 
Literatur: Eine Monographie, die das VerwRecht 
der deutschen Staaten erschöpfte, sehlt. Hervorragend v. 
Martitz, Internationale Rechtshilfe in Strassachen 1, 
1888, 7—36; 2, 1897, 627; ferner Langhard, Das Recht 
der politischen Fremden A. (besonders Schweiz) 1891; Die 
politische Polizei der schweiz. Eidgenossenschaft 1909; 
Bornhak, Die A. fremder Staatsangehöriger, 1900; 
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