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Ausweisung — Autonomie
Alfr. Frhr. v. Overbeck, Niederlassungsfreiheit und
A. Recht (auf der Grundlage des deutsch-schweizerischen
Bertrages), 1907; Giov. Caruso, Dlritto dl espulsione,
1906; Alexis Martini, Lexpulsion des étrangers 1909;
Dissertationen: Bes#bd#e Berc, Dexpulsion des étrangers
1888 (Montvellier); Af. Chantre, Du séjour et de
Texpulsion des étrangers 1891 (Genf); M. Lehmann,
A. im System des Fremdenrechts 1899 (Greifswald) —
Stoerk bei Holtzen dorff BR III 13 114, 120; v. Bar,
Theorie und Praxis des int. Priv. Rechts? 1 292, 203; v.
Ullmann, 367, v. Liszt 1 25; J. B. Moore, Digest
#of Iintern. law IV, 1906 S. 67—142; Kayser-Löning
HW StaatsW’ II 314. — Annuaire de Pinstitut de drolt in-
ternational XI 273, XII 184. — Für das Reich und
Preußen: v. Conta, Die A., 1904; v. Arnstedt,
Das preuß. Pol Recht 1, 1905, 542; Heinrichs, Deutsche
Niederlassungsverträge und Uebernohmeabkommen, 1908;
Wolzendorff, Die poliz. Landesverweisung im preuß.
Staatsrecht, 8 Staatsw 64, 409; Holtze, Beiträge 3. Bran-
denb.-preuß. Rechtsgeschichte, III, 1894. — Für Bayern:
Kutzer, Bayr. Heimatrecht, 1905 5 63. — Für die Kolo-
nien: v. Stengel, 8 für Kolonialpolitik 1909, 861;
Fleischmann, Koloniole Rundschau 1909, 645; 1910,
238; Wiesmann, Arch LessRR 26 (331). — Mitteilungen
aus der A Praxis bei Moore (V. Staaten) und v. Salis,
Schweiz. Bundesrecht ? 1903, bes. Band 4. INach Abschluß
des Druckes: Neumeyer, Intern. VerwzRecht I, 1910, 11;
Reimer, Freizügigkeit i. d. deutsch. Schutzgebieten, 1910).
Fleischmann.
Autonomie
* 1. Begriff und Geschichte. #3 2. Die Autonomie des
Staatsrechts im allgemeinen. ### 3. Die Autonomie des
Hochadels im besonderen. A)' Umfang der Autonomie der
regierenden Familien; B) Umfang der Autonomie der Me-
diatisierten; C) Die Autonomie und die Rechte Dritter;
D) Das Zustandekommen der autonomen Normen.
§ 1. Begriff und Geschichte. Unter dem Aus-
druck „Autonomie“ hat man früher vielfach die
privatrechtliche Bestimmungsfreiheit des Einzelnen
verstanden. In diesem Sinne wird noch heute in
einer etwas präziseren Fassung von „Parteiautono-
mie“ gesprochen. Davon zu unterscheiden ist die
A. im heutigen Rechtssinne als Satzungs-
gewalt, d. h. als Besugnis eines nicht staat-
lichen Verbandes zur Erzeugung objektiven ge-
setzten Rechtes. Schon der Begriff des „gesetzten
Rechtes“ erfordert für die A. als Rechtsquelle das
Vorhandensein einer organisierten Gemeinschaft
im Gegensatz zum Gewohnheitsrecht, das sich auch
innerhalb einer gewissen bloß sozialen Gemein-
schaft ausbilden kann. Für das Gewohnheitsrecht
eines mit A. begabten Rechtskreises hatte der
ältere juristische Sprachgebrauch den besonderen
Begriff der „Observanz“ geprägt, während eine
andere Doktrin die Begriffe der A. und Observanz
ganz zu trennen sucht und als Observanz jedes
Gewohnheitsrecht bezeichnet, das sich im Kreise
einer Körperschaft bildet (vgl. Gierke 1, 143
Anm. 8; 171). Erblickt man in der Kirche nur
einen, dem Staate untergeordneten Verband des
öffentlichen Rechts im Staate, welche Anschauung
freilich der internationalen Organisation der katho-
lischen Kirche nicht völlig gerecht werden kann, so
stellt sich begrifflich auch das Recht der Kirche nicht
als eigentliche Gesetzgebung, sondern als anuto-
nome Satzung dar. Diese Konsequenz hat aller-
dings die Rechtssprache niemals gezogen, sondern
entsprechend dem „Doktor beider Rechte“ hat man
auch den Begriff des kirchlichen Gesetzes beibe-
halten und spricht von A. in der Kirche höchstens
analog der A. im Staate dort, wo es sich um
Satzungen untergeordneter Verbände wie von
Gemeinden, Kapiteln und Klöstern handelt. Das
kraft der A. erzeugte Recht ist objektives Recht, wie
das Gesetz. Aehnlich wie jedoch selbst das Staats-
gesetz, speziell das Verfassungsrecht, in einer frü-
heren Rechtsperiode oft in Vertragsform gekleidet
war und wie noch heute im internationalen Staa-
tenleben durch Verträge objektives Völkerrecht
„vereinbart“ werden kann, so sind früher auch die
autonomen Satzungen vielfach in rechtsgeschäft-
licher Form zur Entstehung gelangt. Wenn das
ganz besonders von den autonomischen Fest-
setzungen des Hochadels gilt (vgl. RG 18, 202),
so ist doch im Gegensatz zu manchen älteren Auto-
ren, insbesondere Gerber (Gesammelte Abhand-
lungen Heft 1 S36—99; die anderen siehe bei
Gierke 146 und Oertmann 5) unbedingt daran
festzuhalten, daß auch das autonome Adelsrecht
den Charakter objektiven Rechts trägt und nicht
etwa bloß Rechtsverhältnisse begründet. Ob die
Möglichkeit für die Körperschaften des Privat-
rechts, die speziellen Rechtsverhältnisse ihres Ge-
meinschaftskreises durch Statuten zu regeln als
eigentliche A. aufzufassen ist, ist bestritten. Wer
mit uns geneigt ist, im Gegensatz zu Brunner,
Böhlau, Stobbe, Otto Mayer mit Gierke, Re-
gelsberger, Windscheid, Thon, Leist und Oert-
mann (die Nachweise siehe bei Oertmann 16) an-
zunehmen, daß in solchen Statuten Rechtssätze
enthalten seien und deshalb nach der oben gege-
benen Definition vom Wesen der A. hier z. B.
von einer A. der Vereine zu sprechen wäre, wird
doch nicht verkennen können, daß sich neben dem
bisher entwickelten Begriff der A. im weiteren
Sinne ein engerer Begriff der A. gebildet hat.
Diese Autonomie im engeren Sinne
wurzelt im Staatsrecht. Es handelt sich
dabei entweder um die staatsrechtliche Be-
fugnis eines nicht staatlichen Verbandes zur Er-
zeugung von Rechtsnormen in Materien, die dem
betreffenden Verbande ausdrücklich zur er-
gänzenden Regelung überlassen sind und die
heute in der Regel nur noch öffentlichrechtliche
Dinge betreffen, vereinzelt jedoch auch in das
Privatrecht einschlagen können wie z. B. orts-
statutarische Bestimmungen über Lohnzahlungen
auf Grund des § 1198 Gewp, oder es handelt
sich um eine dem Staatsrecht angehörende
Privilegierung einzelner bevorrechtigter Personen-
kreise für sich eigene Normen ausbilden zu können
unter Abänderung des gemeinen Rechts. Bei die-
ser Art der A., die wir die Autonomie im
engeren Sinne nennen möchten, werden
die aufgestellten Satzungen ihres staatsrecht-
lichen Ursprungs halber vom Staate als Gesetz
anerkannt und nehmen an den Eigenschaften des
Gesetzes im technischen Sinne teil, während der
Staat selbst in den Satzungen, die sich ein Verein
auf Grund des Privatrechts gegeben hat, nur
rechtsgeschäftliche Bestimmungen und keine Rechts-
normen erblickt (vgl. Plancks Kommentar zu
à 2 EGz. B0#B? 15). Wenn aber auch die A. im
engeren Sinne eine staatsrechtliche Erscheinung