294
Autonomie (regierende Familien)
ohne nähere Definition auch das Erfordernis der
Ebenbürtigkeit in die Verfassung selbst ausgenom-
men. Das gilt von Bayern, Sachsen, Württem-
berg, Hessen, Braunschweig und Koburg-Gotha.
Streitig ist für diese Gruppe, ob über die Voraus-
setzungen der Ebenbürtigkeit nun noch die haus-
gesetzliche A. neue Normen schaffen kann, oder ob
damit staatsrechtlich dasjenige Ebenbürtigkeits-
recht festgelegt ist, das bei der Redaktion der Ver-
fassung gegolten hat. Die letztere Auffassung ist
die richtigere, nur für Hessen enthält die Verfassung
selbst in a 5 eine ausdrückliche Delegation zu Gun-
sten der fürstlichen A. (uvgl. den Nachweis im ein-
zelnen gegenüber Loening in meinem Buche: Die
Nichtigkeit der Thronansprüche des Grafen Ale-
xander von Welsburg, 1905, S 58 ff). 4. Eine
vierte Gruppe von Staaten, es sind Waldeck,
Schaumburg-Lippe, Schwarzburg-Sondershausen.
und Oldenburg, nimmt das Thronfolgerecht in die
Verfassung auf, schweigt aber von dem Erforder-
nis der Ebenbürtigkeit. Hier wird das jeweilige
Hausrecht nach wie vor entscheiden; für Waldeck,
Schaumburg-Lippe und Oldenburg finden wir
übrigens auch einen ausdrücklichen Verweis bezüg-
lich der in der Verfassung selbst nicht geregelten
Verhältnisse des Fürstenhauses auf die Haus-
gesetzgebung.
Soweit es sich um Fragen handelt, die gleich-
zeitig öffentlich-rechtlicher Natur, ist also trotz
à 57 EE von Fall zu Fall die Zuständigkeit der
landesherrlichen A. auf Grund der Vu zu prü-
fen und auch in den Fällen, wo sich noch eine Zu-
ständigkeit der Hausgesetzgebung ergibt, kann
wegen der Unterordnung des Hausrechts unter
das Staatsrecht die betreffende Frage auch immer
in den Formen eines eventuell die Verfassung
abändernden Staatsgesetzes erfolgen. Im übrigen
kann nach dem Inhalt des a 57 prinzipiell jede
Vorschrift des B# für die betreffenden Fami-
lien durch eine andere Vorschrift der Hausverfas-
sung oder der Landesgesetze ersetzt werden. Prak-
tische Bedeutung hat aber der Vorbehalt nach
Maßgabe der bestehenden Hausverfassungen und
Landesgesetze hauptsächlich für die Bestimmungen
über Volljährigkeit, für die Eingehung
und Scheidung der Ehe, für das Erbrecht
und für die Uebertragung und Belastung der zu
dem Hausvermögen gehörenden Gegenstände (vgl.
Planck 6 „ 158 Ziff. 3). Der Vorbehalt des à 57
bezieht sich aber nur auf die Vorschriften des BG#,
nicht auf die Vorschriften anderer nach a 32 in
Kraft bleibender Reichsgesetze, wenn solche auch
privatrechtlichen Inhalts. Letztere gelten also,
soweit in ihnen ein entsprechender Vorbehalt nicht
gemacht ist, auch für die Mitglieder der betreffen-
den Familien. Zweifel sind hier aufgetaucht be-
züglich des KPersonenstandsgesetzes. Dieses
enthält zunächst in §& 72 drei Vorbehalte zu
Gunsten der landesherrlichen Familien. Einmal
soll eine Anordnung des Landesherrn entscheiden
über die Ernennung des Standesbeamten und
über die Art der Führung und Aufbewahrung der
Standesregister. Diese Bestimmung bezieht sich
auf die früher im Personenstandsgesetz enthaltenen
Vorschriften über die Form der Eheschließung.
An die Stelle der letzteren Vorschriften, die nach
EcGa4 II aufgehoben sind, ist als § 41 des Per-
sonenstandsEh die Bestimmung getreten, daß für
die Eheschließung die Vorschriften des BGB
maßgebend sein sollen. Damit sind aber richtiger
Meinung nach die betreffenden Normen des BGB
Bestandteil des Personenstands Ggeworden. Des-
halb gilt in der fraglichen Angelegenheit auch heute
noch der günstigere Vorbehalt des &+ 72 Abs 1 des
Personenstands G für die Betroffenen und nicht
à 57 EGz. BGB. Unbestreitbar ist die Fortdauer
von #72 Abs 2 und 3, wonach in betreff der Stell-
vertretung der Verlobten und das Aufgebot die
Observanz entscheiden und im übrigen die auf
Hausgesetz oder auf Observanz beruhenden Be-
stimmungen über die Erfordernisse der Eheschlie-
ßhung und über die Gerichtsbarkeit in Ehesachen
entscheiden sollen. Aus denselben Gründen wie
die Fortdauer des § 72 Abs 1 des Personenstands G
ist aber auch die weitere Geltung des §# 77 eben-
dort für die landesherrlichen Häuser anzuneh-
men, nach welchem eine Trennung von Tisch und
Bett nicht mehr stattfinden soll. Da der Paragraph
des Personenstands G bestehen geblieben, so un-
terliegt er dem Vorbehalt des à 57 nicht. In dieser
Beziehung bleiben also die landesherrlichen Häuser
dem gemeinen Recht unterworfen (Planck, Kom-
mentar 159; daselbst unter Ziff. 6 auch die Auf-
zählung der landesgesetzlichen Vorschriften, die
Hausgesetze selbst bei H. Schulze, Hausgesetze
(unten Literatur).
B. Der Umfang der Autonomie
der Mediatisierten.
Ina!4 der Bundesakte wurde unter c Ziff.
2 den Mediatisierten zugesichert: „werden nach
den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassnug
die noch bestehenden Familienverträge aufrecht
erhalten und ihnen die Befugnis zugesichert, über
ihre Güter und Familienverhältnisse verbindliche
Verfügungen zu treffen, welche jiedoch dem Sou-
verän vorgelegt und bei den höchsten Landesstellen
zur allgemeinen Kenntnis und Nachachtung ge-
bracht werden müssen. Alle bisher dagegen er-
lassenen Verordnungen sollen für künftige Fälle
nicht weiter anwendbar sein“. Wie sich auch aus der
Einleitung zu a 14 ergibt, sollte damit der be-
stehende Rechtszustand, basierend auf den Mediati-
sierungen, der Rheinbundsakte und den daraufhin
in Anerkennung der A. erlassenen Landesgesetzen
gesichert und gleichförmig gestaltet werden. Die
betreffenden Normen verpflichteten zwar zunächst
nur die Einzelstaaten unter sich, aber sie gewannen
auch landesrechtlichen Charakter, teils schon durch
die Publikation der Bundesakte in dem betreffen-
den Staate, teils indem die fraglichen Rechtsver-
hältnisse durch Gesetze, Verordnungen und Ver-
träge für den Einzelstaat noch spezieller geregelt
wurden (vgl. die Denkschrift von Loening: Die A.
der standesherrlichen Häuser, 1905 S 46 ff). Im
Verhältnis zu den Mediatisierten selbst konnte die
einzelstaatliche Gesetzgebung richtiger Meinung
nach jederzeit in die A. der Standesherren ein-
greifen, allerdings lag darin dann ein Verstoß
gegen das Bundesrecht und die Standesherrn hat-
ten das Recht des Rekurses an den Bundestag. Mit
der Auflösung des Bundes ist auch die bun-
desrechtliche Pflicht zur Aufrechterhaltung der A.
und der Bundestag als Kontrollorgan für Einhal-
tung des Bundesrechts in Wegfall gekommen. Trotz-
dem sind seit Auflösung des Reiches einzelstaatliche
Einschränkungen der A. kaum noch vorgekommen.
Die nach keiner Richtung hin gebundene Gesetz-
gebung des neuen Reichs hat dann in den ersten