Autonomie (Entstehung)
C. Die Autonomie und die Rechte
Dritter. —
Die A. erstreckt sich natürlich immer nur auf
die Mitglieder des betreffenden hochadeligen
Hauses. Trotzdem wirkt sie unter Umständen auch
nach außen. Denn soweit Mitglieder eines auto-
nomen Rechtskreises mit dritten Personen in
Rechtsverhältnisse eintreten, kommt das Sonder-
recht des Hauses zur Anwendung. Zu Reichs-
zeiten wandte man freilich, wenn beschränkende
Bestimmungen über die Veräußerung und Be-
lastung hochadeliger Güter nicht bekannt gemacht
waren, diese auf dritte Personen nur an, wenn
der dritte sie kannte oder kennen mußte, bei vor-
sätzlicher Verheimlichung gab man dem Dritten
eine actio doli. Für die älteren Hausgesetze wer-
den diese Rechtssätze noch heute entscheidend sein;
was die neueren Hausgesetze der Mediatisierten
anbetrifft, so ist hier, wie weiter unten darzulegen
ist, durch die neueren Landesgesetze und Ver-
ordnungen die Vorlage an den Landesherrn, zum
Teil auch dessen Genehmigung gefordert und zu-
gleich bestimmt, ob und inwieweit sie bekannt ge-
macht werden müssen, um Dritten gegenüber
Wirksamkeit zu erlangen. Eine sehr wichtige
Schranke ist aber der Wirksamkeit aller hausrecht-
lichen Normen des Hochadels und der gleichge-
stellten Familien durch a 61 des Eu z. BGB
gezogen: „Ist die Veräußerung oder Belastung
eines Gegenstandes nach den in den as 57—59
bezeichneten Vorschriften unzulässig oder nur be-
schränkt zulässig, so finden auf einen Erwerb, dem
diese Vorschriften entgegen stehen, die Vorschrif-
ten des BG#B zu Gunsten derjenigen, welche Rechte
von einem Nichtberechtigten herleiten, entspre-
chende Anwendung.“ Insbesondere kommen hier
die Vorschriften der 88 892, 893 über den öffent-
lichen Glauben des Grundbuchs in Frage. Frei-
lich können nach § 90 der GB0 die landesherrlichen
Grundstücke für buchungsfrei erklärt werden und
wenn das durch landesherrliche Verordnung ge-
schehen, entfällt natürlich die Anwendbarkeit der
das Grundbuch voraussetzenden Vorschriften über
den Schutz des gutgläubigen Erwerbers. Im übri-
en können natürlich die Rechtsansprüche dritter
ersonen, z. B. Gläubiger, gegen ein Hausmit-
glied durch hausrechtliche Bestimmungen nicht
beeinträchtigt werden. Sie richten sich aber immer
nur gegen die Privatverlassenschaft des Betref-
fenden. Schon aus den Vorbehalten der à 57—59
würde folgen, daß die Hausgüter selbst, obgleich
das BE Grundpfandrechte nur mit Substanz-
haftung zuläßt, auch mit Revennenhypotheken
belastet werden können. Dazu bestimmt aber
a 60 EG z. BGB noch ausdrücklich: „Unberührt
bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, welche
die Bestellung einer Hypothek, Grundschuld oder
Rentenschuld an einem Grundstücke, dessen Be-
lastung nach den in den a 57—59 bezeichneten
Vorschriften nur beschränkt zulässig ist, dahin ge-
statten, daß der Gläubiger Befriedigung aus dem
Grundstück lediglich im Wege der Zwangsverwal-
tung suchen kann“ (darüber Planck 164 und
Loening §s 75 ff und S 146).
D. Das Zustandekommen der au-
tonomen Normen.
Für die Frage, wer zum Erlaß, zur Umänderung
und Aufhebung hausgesetzlicher Normen zuständig
ist, kommt alles auf die besonderen Verhältnisse
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im einzelnen Hause an. In erster Linie entscheiden
darüber also etwa vorhandene spezielle hausge-
setzliche Bestimmungen, eventuell eine besondere
Observanz und eventualissime die Normen des
gemeinen Privatfürstenrechts. Im Zweifel be-
darf es zur Aufstellung eines Hausgesetzes der
Mitwirkung sämtlicher Agnaten als der Träger
des Gesamtwillens des hochadeligen Hauses.
Diejenigen Agnaten, die nicht zugestimmt haben,
sind für sich und ihre Linien nicht gebunden, für
die Zustimmenden gewinnt das Hausgesetz aber
Geltung (Loening 36 auf Grund der Literatur
des alten Reichs). Auch wo Mehrheitsbeschlüsse
durch Hausgesetz ausdrücklich zugelassen sind, ist
es trotzdem zweifelhaft, ob dadurch auch die
Minderheit und ihre Linien gebunden seien (ver-
neinend im Hinblick auf das ältere Recht Loening
35 ff). Aus der Tatsache, daß jeder Agnat für sich
und seine Linie autonome Normen schaffen kann,
folgert Loening 37 Anm. 1, daß nicht das Haus
als Korporation, sondern bas Haupt des Hauses
bezw. jeder Agnat für sich und seine Linie der
eigentliche wenn auch verfassungsmäßig be-
schränkte Gesetzgeber sei. Richtiger wird man die
autonome Satzungsgewalt der Korporation zu-
schreiben und die Satzungen eines Agnaten für
sich und seine Linie als die eines Spezialhauses
ansehen. Dem Familienhaupt als solchem steht
dagegen vielfach die Entscheidung zu in bezug auf
die konkreten Angelegenheiten, die auf Grund des
autonomen Hausrechts zu regeln sind, z. B. Er-
teilung oder Versagung von Ehekonsensen, Ent-
scheidung über Ebenbürtigkeitszweifel, Anord-
nung einer Vormundschaft über Familienmit-
glieder usw. Doch kann dafür auch ein besonderer
Familienrat bestellt sein (uvgl. H. Schulze bei
Holtzendorff 5 1363/64). Eine bestimmte äußere
Form, in der hausrechtliche Bestimmungen zu
erlassen wären, hat sich nicht ausgebildet. Wie in
& gesagt ist, waren sie früher meistens in rechts-
geschäftliche Form, Verträge, Testamente usw.
gekleidet, im Zweifel wird auch hier noch ein
mündlicher Ausspruch in der Mitgliederversamm-
lung genügen. Was im besonderen die autonomen
Satzungen der landesherrlichen Familien anbe-
trifft, so können hier nicht nur wie unter § 3 A
gesagt, wegen deren staatsrechtlicher Bedeutung
materielle Schranken vorhanden, sondern auch
von Staats wegen besondere Formen vorgeschrie-
ben sein, vgl. z. B. die Oldenburgische Verf in
à 29 + 2: „Das Hausgesetz ist dem Landtag zur
Kenntnisnahme und, soweit nötig, zur Zustim-
mung vorzulegen“. Für die A. der Mediatisierten
ist es sehr wichtig, daß nach a 14 Bu die künftigen
hausgesetzlichen Bestimmungen „dem Souverän
vorgelegt und bei (richtiger wohl von) den höchsten
Landesstellen zur allgemeinen Kenntnis und
Nachachtung gebracht werden müssen“. Ob damit
bloß Kenntnisnahme oder auch Bestätigung des
ouveräns gefordert wurde, war von Anfang an
sehr bestritten (im ersteren Sinne RE 26, 152,
vgl. die Literatur bei Oertmann 61 Anm. 1 u. 2).
Für die Mehrzahl der Staaten ist die Frage bald
in diesem bald in jenem Sinne in den betr. Ge-
setzen über die Rechtsstellung der Mediatisierten
positiv entschieden (ugl. die Angaben bei Loening
59 ff); hier ist auch meistens bestimmt, ob es zur
Rechtswirksamkeit für dritte Personen der vor-
herigen öffentlichen Bekanntmachung des betr.