Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Baden (Verfassungsentwicklung) 
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Baden und von B.-Durlach. Die erstere, deren 
Residenz zuerst in Baden, dann in Rastatt war, er- 
hielt das sponheimische Gebiet, die luxemburgi- 
schen Herrschaften und einen Teil der Markgraf- 
schaft B. Den Pforzheimer und Durlacher Teil 
derselben, die sogen. untere Markgrafschaft nebst 
Hachberg, Sausenberg, Rötteln und Badenweiler 
erhielt die B.-Durlachsche Linie, deren Residenz 
zuerst Pforzheim, dann Durlach, endlich das neu- 
gegründete Karlsruhe wurde. Diese Linie hat 
schließlich die getrennten Landesteile wieder auf 
sich vereinigt. Nach dem Erlöschen der Baden- 
Badener Linie im Jahre 1771 gingen deren Länder 
auf Grund eines im Jahre 1765 geschlossenen 
Familien= und Erbvertrages auf die Durlacher 
Linie in der Person des Markgrafen Karl Friedrich 
(1778—1811) über. 
Diesem ansehnlichen Territorium standen im 
Fürstenrate des älteren deutschen Reiches 3 Stim- 
men, für Baden-Baden, B.-Durlach, und B.= 
Hachberg zu. 
# 2. Die Entwicklung zum Großherzogtum. 
Seine heutige Gestalt und Größe verdankt der 
badische Staat den territorialen und politischen 
Veränderungen, welche in Süd= und Westdeutsch- 
land am Ende des 18. und am Anfange des 19. 
Jahrhunderts sich vollzogen. 
1. Durch den mit Frankreich unterm 22. Aug. 
1796 geschlossenen Frieden und durch den Frieden. 
von Luneville im Jahre 1801 verlor B. seine sämt- 
lichen auf dem linken Rheinufer belegenen Be- 
sitzungen. Es wurde aber gemäß den weiteren 
Abmachungen dieser Friedensschlüsse im Schoße 
des Reiches ausgiebig entschädigt. Der #5 des 
Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 über- 
weist an B. namentlich das Bistum Konstanz, die 
rechtsrheinischen Teile der Bistümer Speyer, 
Straßburg und Basel, den größeren Teil der 
rechtsrheinischen Pfalz mit Heidelberg und Mann- 
heim und eine fernere Reihe von Herrschaften, 
Abteien und Reichsstädten. Zudem wurde dem 
ierasen die Kurwürde des Reiches übertragen 
1). 
2. Neue Erwerbungen brachte der Preßburger 
Friede, besonders den größten Teil des österreichi- 
schen Breisgaus, die Ortenau und die Stadt Kon- 
stanz. Zugleich wurde für B., ebenso wie für 
Bayern und Württemberg, die volle Souveränetät 
ausbedungen, „in gleicher Art, wie sie Oesterreich 
und Preußen in ihren deutschen Staaten genießen“ 
(Art. 8, 14). Die Auflösung des Deutschen Reiches 
war damit besiegelt. 
3. Der Rheinbund löste die letzte Verbindung 
B. mit dem Reiche. Der souveräne Kurfürst nahm 
den Titel „Großherzog" an. Durch die in Verfolg 
des Rheinbundes vorgenommenen Mediatisierun- 
gen gewann B. außer manchen anderen Landes- 
teilen den größten Teil der Besitzungen der ehe- 
mals reichsständischen Häuser Fürstenberg, Löwen- 
stein und Leiningen. Damit war im wesentlichen 
die Entwicklung des badischen Staatsgebiets be- 
endet. Vor Ausbruch der französischen Revolution 
betrug die Größe desselben ca. 64 Quadratmeilen 
mit ca. 200 000 Einwohnern, beim Tode Karl 
Friedrichs (1811) ca. 272 Quadratmeilen mit ca. 
1 Million Einwohnern. 
3. Die Entstehung der badischen Verfassung. 
Der Erlaß einer konstitutionellen Verfassung und 
  
  
gierung des Staates war für B. eine politische 
Notwendigkeit, um die verschiedenartigen, überall- 
her erworbenen Landesteile mit dem Gedanken 
eines einheitlichen Staates zu durchdringen. Da 
das Bürgertum durch die Gewinnung einer Teil- 
nahme an der Gesetzgebung und an der Feststel- 
lung seiner finanziellen Lasten seine durch die 
vielen Kriege gedrückte Lage zu verbessern hoffte, 
ist selbstverständlich. Aber auch der ehemalige 
Reichsadel mußte meinen, daß er nach Verlust 
seiner früheren Selbständigkeit eine Garantie der 
ihm noch zugesicherten ständischen Vorrechte und 
einen wirksamen Einfluß auf die Staatsleitung 
nur durch eine Verfassung, welche den realen 
Machtverhältnissen Rechnung tragen würde, er- 
langen könnte. In der Entwicklung des Verfas- 
sungswerkes machten sich die angedeuteten trei- 
benden Kräfte bemerkbar. 
Schon unterm 5. Juli 1808 erging eine landes- 
herrliche Verordnung, welche unter Hinweis auf 
die „Einverleibung so verschiedenartiger Lande 
in Unsern Staat“ den Willen des Großherzogs 
aussprach, „mittelst einer Landesrepräsentation 
— das Band zwischen Uns und dem Staatsbürger 
noch fester, wie bisher, geknüpft zu wissen.“ Der 
daraufhin nach mancherlei Vorarbeiten im Jahre 
1809 von Brauer, dem berühmten Organisator 
des badischen Rechts und der badischen Verwal- 
tung, aufgestellte Entwurf, der nur einen aus Ver- 
tretern von Berufsgruppen ziemlich künstlich zu- 
sammengesetzten „Landrat“ mit geringen Mit- 
wirkungsrechten brachte, wurde nicht Gesetz. 
Einen neuen Anstoß erhielt die badische Ver- 
fassungsangelegenheit bei den Beratungen des 
Wiener Kongresses, als es dem Frh. v. Stein und 
dem badischen Minister Frh. v. Marschall gelang, 
den Kaiser Alexander von Rußland, einen Schwa- 
ger des Großherzogs Karl, dafür zu interessieren. 
Unter diesem Einfluß erließ der letztere am 
1. Dez. 1814 eine Erklärung an die deutschen 
Großmächte, nach welcher eine ständische Verfas- 
sung in B. eingeführt und somit „den Untertanen 
die Bewilligung der direkten sowohl, als indirekten 
Steuern, die Mitaufsicht auf deren Verwendung, 
die Teilnahme an der Gesetzgebung und das Recht 
der Beschwerdeführung bei eintretender Malver- 
sation der Staatsdiener“ gestattet werden sollte. 
Aber auch ein auf dieser Grundlagen abgefaßter 
Entwurf v. Marschalls, zu dessen Beratung durch 
eine von Wien nach Karlsruhe ergangene Ordre 
v. 12. 1. 1815 eine Kommission niedergesetzt wurde, 
kam infolge der neuen Kriegsereignisse nicht zur 
Vollendung. 
Auch noch ein dritter Anlauf schlug fehl. Auf 
Kundgebungen des Adels, der Geistlichkeit und des 
Bürgertums, welche sich jetzt auf a 13 der Bundes- 
akte berufen konnten, erging ein Reskript des 
Großherzogs v. 16. 3. 1816, das sogar schon die 
Eröffnung der ersten Ständeversammlung auf den 
1. 8. 1816 anberaumte. Allein, obwohl zwei Ver- 
fassungsentwürfe zur Aufstellung gelangten, ent- 
schied man sich schließlich doch dafür, die Erteilung 
der Verfassung hinauszuschieben, bis der deutsche 
Bundestag die für die Gesetzgebung der Einzel- 
staaten maßgebenden Direktiven festgestellt haben 
würde. In diesem Sinne erging das großh. Re- 
skript v. 29. 7. 1816. 
Der entscheidende Umschwung trat ein, als Frh. 
die Heranziehung einer Volksvertretung zur Re= i v. Reitzenstein, der vertraute Ratgeber Karl Fried-
	        
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