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Bauwesen (I. Reich und Preußen. C. Baupolizei)
schauungen gerecht zu werden suchen, sind u. a.
die für den Stadtkreis Berlin vom 15. 8. 1897,
für die Vororte von Berlin (28. G. 1907), für die
Städte Stettin (26. 10. 1906), Wiesbaden (7. 2.
1905), für die Stadt Posen (31. 3. 1903) und die
Posener Vororte Winiary und Solaiz (2. 8. 1905),
für die Stadt Frankfurt a. M. (27. 3. 1896 und v.
15. 3. 1901), für das platte Land des RegBez
Liegnitz vom 18. 1. 1908 und für die Landkreise des
Reg Bez Düsseldorf v. 26. 10. 1903 zu nennen.
Daneben enthalten eine Anzahl von Spezial-
gesetzen und sonstigen Bestimmungen Vor-
schriften, die für die Ausführung von Bauten von
Bedeutung sind. Sie beziehen sich auf die Fest-
setzung von Straßenfluchtlinien, auf Ansiedlungen,
auf Bauten in der Nähe von Forsten, in Gelände,
unter dem Bergbau betrieben wird, und im
Ueberschwemmungsgebiete der Flüsse; sie sind
ferner gegen die Verunstaltung von Ortschaften
gerichtet und enthalten Sondervorschriften für
gewisse Arten von Gebäuden (Theater, Waren-
häuser). Darüber unten 83.
Ueber das Verfahren'in B'###gelegen-
heiten gibt das Zust G v. 1. 8. 1883 (GE 237) ein-
zelne Bestimmungen (55 143—146), während im
übrigen dafür die allgemeinen Vorschriften der
&s 127 ff des LVG v. 30. 7. 1883 (GS 195 ff)
über die Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfü-
gungen und über die Zwangsbefugnisse maß-
gebend sind.
Für die Erhebung von BPVGebühren in
Gebieten mit kommunaler BP kommt § 6 Komm-
Abg G v. 14. 7. 1893 (GES 152), in solchen mit
Kgl BPVerw der KalErl v. 30. 12. 1895 (GS 96,
8) in Betracht.
Der Verhütung von Bauunfällen dienen
die Unfallverhütungsvorschriften der BGewerks-
berufsgenossenschaften sowie die meist als Ortspo-
lizeiverordnungen erlassenen Gerüstordnungen,
während zum Schutze der B Arbeiter gegen schäd-
liche Einflüsse der Witterung und im Interesse der
Ordnung und Sittlichkeit bei den BAusführungen
Pol erordnungen erlassen sind, für welche unter
dem 17. 7. 1907 neue Grundzüge von der Zen-
tralinstanz veröffentlicht sind (M l 1908 S. 20 ff)
[I1 Baugewerbel.
§s 3. Materieller Inhalt.
1. Vorschriften der:= Bauordnungem.
Das in den BOrdnungen niedergelegte BRecht geht
von dem Grundsatze der B Freiheit des Grundeigen-
tums aus, der für das Gebiet des AvK durch §65,
I, 8 aufgestellt ist und sich im übrigen aus Art 9
der preuß. Verfassung ergibt. Nur soweit gesetz-
liche oder auf Grund der allgemeinen polizeilichen
Befugnisse getroffene Bestimmungen Beschrän-
— — —. —
kungen enthalten, ist der Eigentümer in der freien
baulichen Ausnutzung seines
hindert. Diese Einschränkungen sind verschieden,
Grundstückes be-
je nachdem es sich um Bauten in der Stadt oder
auf dem platten Lande handelt. Für die Städte
sind wieder Unterschiede durch die Größe oder
den Charakter der einzelnen Stadt begründet. Se
werden Industriestädte anders behandelt als z. B.
Badcorte. Abstufungen sind ferner oft innerhalb
desselben PolBezirles geboten (Zonen BOen).
Man unterscheidet Wohnviertel, Landhausbezirke,
Geschäftsviertel und Fabrikbezirke. Ferner kann
maßgebend sein, ob die Berundstücke bereits
früher bebaut waren oder nicht, ob sie an eine Ka=
nalisation angeschlossen sind oder der ordnungs-
mäßigen Abwässerung entbehren, ob kleine Fa-
milienhäuser oder große Mietsgebäude errichtet
werden sollen u. a. (Min E v. 20. 12. 1906 Ml
i. V. 1907, 65). Wenn auch die BO grundsätzlich
das aus polizeilichen Gesichtspunkten Notwendige
nicht nur fordern darf, sondern sogar fordern soll,
so ist doch bei der Aufstellung der baupolizeilichen
Normen auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse,
insbesondere die finanzielle Leistungsfähigkeit
der Eigentümer Rücksicht zu nehmen, da erfah-
rungsmäßig B0, welche dies außer Acht lassen,
bei der Durchführung unüberwindlichen Schwie-
rigkeiten begegnen. Dies gilt besonders auch von
den BO für das platte Land. Min E v. 11. 10.
09 (Ml i. V. 222) fordert, daß ein billiger Aus-
gleich zwischen den Interessen des landwirtschaft-
lichen Betriebes und den polizeilichen Rücksichten
gefunden wird und gibt hierfür bestimmte Hin-
weise. Nach den in Betracht kommenden poli-
zeilichen Gesichtspunkten gruppiert enthalten die
meisten BO folgende Vorschriften:
a. Im Interesse der Verhütung von Un-
glücksfällen durch Einsturz wird ge-
fordert, daß die Gebäude nach den Regeln der B-
Kunst aus guten, zweckentsprechenden BStoffen
standsicher hergestellt werden. Für die Anforde-
rungen, welche an die Festigkeit der B Materialien
zu stellen sind, für die Zahlen, welche der Festig-
keitsberechnung zugrunde zu legen sind, für die
Belastungen, welche für den BGrund und die
einzelnen Gebäudeteile zulässig sind, sowie für
sonstige Konstruktionsvorschriften wird auf be-
sondere Bek. der zuständigen Behörden verwiesen,
die unter Beachtung der neuesten wissenschaft-
lichen Erfahrungen erlassen werden. Neue allge-
mein gültige Normen hierfür gibt Min E v. 31. 1.
1910 (ZBl der BV 101). Für die Prüfung und
Genehmigung von Konstruktionen aus Eisenbeton.
ist eine besondere Anw des Minöl unter dem
24. 5. 1907 ergangen (ZBl der BV 301). Weitere
Vorschriften der B0O beziehen sich auf die
Mauerstärken der Umfassungswände, der belaste-
ten und nicht belasteten Scheidewände, den Fach-
werksB, das Verbot des Mauerns bei stärkerem
Frost u. a. Um die Errichtung von Familien-
häusern für Minderbemittelte zu erleichtern, be-
schränken die neueren B0O die an solche Ge-
bäudc in Rücksicht auf die Standsicherheit zu stel-
lenden Forderungen auf das geringste zulässige
Maß (Min E v. 20. 12. 1906, MBl 1907, 65).
b. Zur Erzielung einer möglichst großen Feuer-
sicherheit dienen Vorschriften über die Ver-
wendung feuerbeständiger Btoffe, die Errich-
tung von Brandmauern, wenn auf die Grenze
oder unter Einhaltung eines nur geringen Ab-
standes von ihr gebaut wird; die sichere Herstel-
lung der Feuerstätten und Schornsteine, die An-
legung ausreichender, feuersicherer Treppen, die
Entfernung feuergefährlicher Anlagen, wie Schmie-
den, Kalk= und Ziegelöfen usw. von nicht feuer-
sicher gedeckten Gebäuden, die Herstellung von
Einfahrten für die Feuerlöschgeräte bei tieferen
Grundstücken und die Belassung von Höfen,
welche der Feuerwehr ausreichend Spielraum
gewährleisten. Für das platte Land bestehen viel-
fach Sondervorschriften insofern, als für isoliert
gelegene Gebäude Fachwerk-= und sogar HolzB
in weiterem Umfange, wie in den Städten, und