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Ausbau einer Behördenorganisation und durch
ihre Betätigung in Gesetzgebung, Justiz und Ver-
waltung derartig zu befestigen, daß sie nach dem
Zusammenbruch des Reichs die Staatsgewalt in
sich zu vereinigen und eine zeitgemäße Verfassung
zu geben imstande war. Die Wurzeln der bestehen-
den Monarchie reichen also in die Reichszeit zurück.
1. Die Reichsstandschaft. Die gol-
dene Bulle verlieh die Kurwürde an Pfalzbayern.
Im Jahre 1623 wurde dieselbe an Maximilian I.
übertragen und ging damit auf die diesseitige
Linie über. Im Westfälischen Frieden 1648 wurde
für die Pfalz eine neue Kur errichtet. Mit der
diesseitigen Kur war das Erztruchseßamt, mit der
pfälzischen das Erzschatzmeisteramt verbunden.
Beide Kurträger versahen das Reichsvikariat teils
gemeinsam teils abwechselnd. Durch Vereinigung
der Stammlande (1777, 1799) vereinten sich auch
die Kuren.
Im Fürstenkollegium des Reichstags hatte B. 7
Stimmen und den Vorsitz der weltlichen Bank. Das
bayerische Territorium gehörte 4 Reichskreisen an,
in deren Organisation und Verwaltung der Lan-
desherr verschiedene Rechte besaß und übte. Im
Verhältnis zur Reichsjustiz besaß B. das Privi-
legium de non evocando, und das privilegium
de non appellando illimitatum (16. 5. 1620).
2. Die landständische Verfassung
(Literatur-Angaben bei Seydel, StRe= 1, 10
N. 4). Eine solche hat sich nur in einem Teil der
bayerischen Länder insbes. in Altbayern ent-
wickelt, hier aber sehr früh (14. Jahrh.) und zu
sehr bestimmten Rechten und Formen. Der
Standesbegriff und die ständischen Vorrechte
reichen in das frühere Mittelalter zurück. Ein
Verfassungsbestandteil werden sie erst durch ihre
korporative Ordnung und durch den Anteil, wel-
chen die korporierten Stände an der öffentlichen
Verw, insbesondere an Justiz, Finanz, Gesetz-
gebung und in der Militärorganisation gewinnen.
Den Anlaß der korporativen Organisation bildeten
landesherrliche Steuerforderungen im Beginn
des 14. Jahrhunderts, die Organisation selbst findet
ihre landesherrliche Bestätigung in den Freiheits-
briefen, deren erster, die Ottonische Handfeste
v. 15. 6. 1311 den niederbayerischen Rittern das
jus collegü et armorum und die niedere Gerichts-
barkeit einräumte. Erst 1506 einigten sich die 3
ständischen Kollegien des Adels, der Prälaten und
der Städte zu einer Landschaft. Die bis da-
hin ergangenen und die nachfolgenden Freiheits-
briefe erfuhren eine Gesamtredaktion durch die
Landschaft selbst (1568). Eine ständische VU war
die Erklärung der Landesfreiheit v. 11. 9. 1508
(neured. 1513 und ausgenommen in Maximilian I.
Gesetzbuch von 1616). In den Freiheitsbriefen
sind außer den korporativen Rechten auch die per-
sönlichen Standesprivilegien beurkundet, so im
60. (22. 12.1557) die Edelmannsfreiheit der Ritter.
Die Erbhuldigung der Landschaft war bedingt
durch die vorausgehende landesherrliche Frei-
heitserkllärung. Die landesherrlichen Beamten
hatten die Erklärung zu beschwören. Im 17. Jahr-
hundert lockerte sich die landständische Verfassung.
Die letzte Einberufung erfolgte 1669. Seitdem
tagte nur noch ihr Ausschuß, die gewählte Ver-
ordnung, die sich seither durch Kooptation ergänzte
und erst durch Edikt v. 1. 5. 1808 ausgehoben wurde. richten.
Bayern (A. Verfassungsgeschichte)
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volles Körperschaftsrecht, Vermögensfähigkeit,
Recht der Mitgliederaufnahme, Bedienstete, Kasse,
Archiv, Siegel und Kanzlei. Sie übte nicht nur
öffentliche Rechte gemeinsam mit dem Landes-
herrn und gegen ihn aus, sondern betätigte bis
Beginn des 17. Jahrhunderts auch weitgehend
eigene Körperschaftsverwaltung. Ihre Organi-
sation bestand vor allem in einem Ausschuß von
64 Mitgliedern, der die Verordnung von 16 Mit-
gliedern wählte. Der Erblandmarschall war ihr
Vorstand. Die Landschaft hatte Mitwirkungs-
rechte bei der Gesetzgebung, Bündnis und Frie-
densschluß und Kriegserklärung. Ihr wichtigstes,
auch tatsächlich am strengsten gehütetes und ge-
übtes Recht war das Recht der Steuerbewilligung,
woran sich einige andere Finanzrechte anschlossen.
Das Recht der freien Bewilligung wurde in den
sog. Schadlosbriefen immer neu bestätigt. Die
Landschaft erhob die bewilligten Steuern durch
eigene Organe und sorgte zum Teil selbst für die
Verwendung, zum Teil beaufsichtigte sie die
landesherrliche Verausgabung der Gelder.
Die durch den dreißigjährigen Krieg und seinen
Abschluß tatsächlich und rechtlich erstarkte landes-
herrliche Gewalt vernachlässigte mehr und mehr
die landständischen Rechte und wußte sich in den
Hofanlagen auch eigne von der Bewilligung un-
abhängige Einnahmen zu verschaffen.
3. Die Behördenorganisation (Li-
teratur v. Seydel a. a O. 18 ff und E. Ro-
senthal, Geschichte des Gerichtswesens und
der Verw Organisation B. 2 Bde., 1. VBd. 1889
[1180 - 1598], 2. Bd. 1906 (1598—17451. Neben
der Organisation der Landschaft bestand und
wuchs eine landesherrliche Gerichts= und Verw-
Organisation heran. Landes Verw und Justiz
gipfelten in der Person des Landesherrn, der
seinem höchsten Ratskollegium, dem Gehei-
men Rat in Person, oder vertreten durch den
Obersthofmeister, vorsaß. 1726 wurde die Geheime
Konferenz als Ausschuß des G. R. gebildet. Der
höchste Beamte des Landes war der geheime
Ratskanzler, welcher einer Kanzlei vorstand und
Mitglied des G. R. und der Geh. Konferenz war.
Das Gerichtswesen war seit Erlangung
des priv. de non app. illim. (1620) ein landes-
rechtlich vollkommen geschlossenes, aber durchaus
kein rein gerichtliches und auch kein rein landes-
herrliches. Der Landesherr übte Kabinetts-
justiz, indem er Prozesse zur Entscheidung nach
Ermessen an sich zog. Im übrigen wurde allge-
mein dreiinstanzielles Verfahren erstrebt und zum
Teil durch landesherrliche, zum Teil durch städtische,
zum Teil durch ständische Gerichte geübt. Als
oberstes landesherrliches Gericht wurde 1625 das
Revisorium in München eingesetzt (Rosen-
thal 2, 60 ff). Demselben kamen nur bürgerliche
Prozesse zu, während die Zuständigkeit für Straf-
sachen bei Hofrat und Regierungen
neben deren VerwkKompetenz lag und in bürger-
lichen und ständischen Sachen das Hofgericht
als Appellationsinstanz bezw. forum privile-
giatum zuständig war (vgl. Rosenthal 1, 418f;
2, 294 ff). Die Gerichtsbarkeit in unterer Instanz
war verteilt zwischen den kurfürstlichen Land-
gerichten (Pflegegerichten), den Stadt-
gerichten und den Patrimonialge-
Die letztere wurde entweder kraft
Die in 3 Stände gegliederte Landschaft besaß Landsassiates in den Hofmarkgerichten oder kraft