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Bayern (A. Verfassungsgeschichte)
heitlich beherrschtes Land nach dem Bedürfnis
der Verw in Provinzen geteilt und für die Pro-
vinzen (Kreise) wurden gleichförmige allgemeine
VerwBehörden eingerichtet. Die behördliche Lei-
tung der Verw aber wurde rein nach sachlichen
Gesichtspunkten geschäftlich gegliedert und einem
Ministerium übertragen, dessen führender Geist
Montgelas war, welches aber in selbständige Depar-
tements (Ressorts) ungefähr nach den Haupttiteln
der Hoheitsrechte zerfiel (Aeußeres, Inneres,
Finanzen, Krieg). Die Ordnung der Finanzen
wurde angebahnt durch die Scheidung des landes-
herrlichen Kammergutes vom Staatsgut (1804),
durch planmäßige Liquidation, Konzentration
und Verw der Staatsschuld (1811), durch Aufbau
eines allgemeinen direkten Steuersystems auf
einer Grundsteuer und durch Neuregelung der
wichtigsten indirekten Steuer, des Malzausschlages.
Für Bedeutung und Entwicklungsfähigkeit der
Selbstverwaltung fehlte dem Reformator der
Sinn. Die auf Kosten des Gemeindelebens durch-
geführte Konzentration der Stiftungs-, Orts-
vermögens= und Armen Verw (1806—1808) wurde
schon nach einem Dezennium (1817, 1818), aller-
dings erst nach Montgelas Sturz, rückgängig ge-
macht [J unten B §11.
& 3. Die Verfassung des baherischen Staates.
Der Verband der Staatsangehörigen, der in der
neuen Ordnung auf grundsätzlich veränderter
Auffassung des Persönlichkeitsbegriffes sich auf-
baute, wurde zwar nicht mit einem Mal und völlig
von allen begünstigenden und belästigenden Privi-
legien befreit. Vorrechte des Adels blieben in der
Hauptsache als persönliche Rechte bestehen, die
Patrimonialgerichtsbarkeit wurde kodifiziert, der
hohe Adell#]e khielt sein Sonderrecht, und die be-
sonderen Verhältnisse des königlichen Hauses
wurden in Familiengesetzen geregelt. Daneben
aber wurde die Leibeigenschaft aufgehoben und
einige auf der Grundherrschaft ruhende Dienste
und Reallasten beseitigt oder abgelöst. Durch die
Gleichberechtigung der christlichen Glaubensgesell-
schaften im bürgerlichen Verkehr wurde einem
Staatsbürgertum der Boden geschaffen und die
grundsätzliche Katholizität des Landes durchbro-
chen. Die alte ständische Verfassung konnte unter
den so veränderten Verhältnissen nicht erhalten
bleiben, und das Verhältnis zu den Glaubens-
gesellschaften, insbesondere zu Rom bedurfte
einer durchgreifenden neuen Ordnung.
Der Beseitigung der Landstände und ihrer Ver-
fassung war schon durch ein Edikt v. 8. 6. 1807
vorgearbeitet. In demselben war die Aufhebung
der Befreiungen von Staatsauflagen angeordnet
worden. Bald darauf wurden die landschaftlichen
Kassen aufgehoben. Das auf den Frieden von
Tilsit (7. 7. 1807) hin von Napoleon errichtete
Königreich Westfalen hatte eine für die Rhein-
bundstaaten vorbildliche Verfassung erhalten.
Die Nachbildung dieser Verfassung ward auch
für B. beschlossen. Eine V v. 1. 5. 1808 hob die
Reste der landschaftlichen Verfassung auf. Eine
bald nachher verkündigte Verordnung vom gleichen
Tage brachte die Konstitution für das König-
reich B. Manche von den schon vorhin genannten
Neuerungen bildeten den Inhalt dieser Konstitu-
tion. Eine Reihe von Edikten über besondere Ge-
genstände folgte nach. Die Konstitution selbst be-
handelt Staat, Thronfolge Gesetzgebung, Rechts-
pflege, Verw, Kgl Haus und Heer. Das wesentlich
Neue war die Regelung eines neuen Weges der
Gesetzgebung, an der eine Nationalrepräsentation
allerdings nur gutachtlich mitwirken sollte. Diese
Vertretung des Volkes war wesentlich als eine
Vertretung des größeren Besitzes gedacht und auf
einem umständlichen und unfreien Wahlrecht auf-
gebaut. Die Verfassung trat am 1. 10. 1808 in
Kraft. Zur Einsetzung und Einberufung der
Nationalrepräsentation kam es nicht.
So ging denn B. aus dieser Bewegung zunächst
als absolute Monarchie hervor. Die konstitutionelle
Propaganda ruhte indes nicht und der König legte
Wert auf eine Konstitution aus eigener Entschlie-
ßhung. Ende 1814 begannen Ministerialkonferen-
zen, die indes zu keinem Abschluß führten. Die
Ereignisse von 1815, insbesondere der Abschluß
des deutschen Bundesvertrages traten dazwischen.
Nach des Ministers Grafen Montgelas Entlassung
(Februar 1817) entschloß der König sich im Be-
ginne des Jahres 1818 zur Wiederaufnahme des
Werkes, u. a. auch aus dem Grunde, um in der
Freiheit seiner Entschließung nicht durch „Direk-
tiven“ aus Wien gehemmt zu werden und um mit
der Verfassung auch der dem Papst gegenüber
aus den Konkordatverhandlungen übernommenen
Pflicht zu entsprechen.
Unter den die Vl vorbereitenden und unter-
bauenden Maßregeln bildeten neben den Edikten
zur Aufhebung der ständischen Verfassung die An-
ordnungen und Verhandlungen in Bezug auf das
Verhältnis von Staat und Kirche den wichtig-
sten und schwierigsten Teil. Mit dem Beginn der
Regierung Maximilian 1 wurde eine Reihe von
Edikten eröffnet, welche die reine Katholizität des
Landes durchbrach. Der Inhalt dieser Edikte und
ihre rechtliche Rechtfertigung gehen auf den Titel
der Kirchenhoheit des Landesherrn zurück. Die
Reihe wurde durch die kurfürstliche Entschließung
v. 10. 11. 1800 eröffnet, in welcher das katholische
Bekenntnis als Voraussetzung der Niederlassung
beseitigt wurde. Es folgten bald zahlreiche, die
Glaubensfreiheit, die Eheschließung, die religiöse
Erziehung u. a. betreffende Anordnungen. Der
Landesherr beschränkte sich in diesen Edikten nicht
auf Regelung rein weltlicher Gegenstände, sondern
traf auch Bestimmungen, welche das Verhältnis
der Glaubensgesellschaften unter einander und zu
den Gläubigen, der vermögensrechtlichen Verhält-
nisse der Glaubensgesellschaften und den welt-
lichen Teil der geistlichen Amtsführung betrafen.
In einer V v. 7. 5. 1804 wurde der allgemeine
Standpunkt, in dem die Konstitution v. 1. 5. 1808
ergänzenden Edikt v. 24. 3. 1809 eine ausführliche
Regelung des neuen Staatskirchenrechts nieder-
gelegt. Auf diesem Wege staatskirchlicher Gesetz-
gebung fortzuschreiten, wurde der König durch
Einsprüche des Papstes gehindert. Die Klagen,
welche der katholische Klerus in Rom anbrachte,
kehrten von dort in Form diplomatischer Vor-
stellungen an den bayerischen Hof zurück. Die
hieraus erwachsenden langwierigen Verhand-
lungen führten als Ergebnis den Abschluß des
Konkordates v. 5. 6.1817 herbei. In a XVIII Abs I
desselben verpflichtete sich der König, das Kon-
kordat als Staatsgesetz zu erklären (lex status
declar bitur). Diese Erklärung, für welche kein
Termin bestimmt war, wurde zunächst aufsge-
schoben und erfolgte dann in der Form, daß das