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B. ist in 8 485 StPO vorgeschrieben (eine Pa-
rallele hierzu s. im Preuß. Disz. G v. 21. 7. 52
#+47). Weitergehend bestimmt Württemberg, daß
in schweren Fällen das Gericht zu beraten habe,
ob Gründe zur B. vorliegen. Ebenso bei Ver-
urteilung zum Tode und anderen dem König von
Amts wegen zur Ausübung des Gnadenrechts vor-
zulegenden Urteilen. Die Acußerung ist unver-
züglich — in Hessen innerhalb dreier Tage — dem
Justiz Min vorzulegen (Württemberg: VlI + 97,
AÄGz. StPOas, 84 Absa der KglV v. 25. 8. 79,
Vfg v. 7. 6. 80, Erl v. 10. 6. 90; Hessen: AGz.
StPPO v. 14. 6. 79 8 56).
2. Die Form des Begnadigungs-
gesuchs ist regelmäßig: schriftlich oder zu Pro-
tokoll (so ausdrücklich: Sachsen und Württemberg;
vgl. weiterhin Bayern, Preußen [Reskr. v. 31.
16. 34] und Hessen: Min Vfg v. 22. 6. 91).
3. Dem Verurteilten kann zur Stellung des
Gesuchs eine Frist gewährt werden (Sachsen,
Württemberg eine Woche).
b) Einzureichen ist das Gesuch bei
dem Landesherrn, dem Ministerium oder der
Strafvollstreckungsbehörde im Großherzogtum
Sachsenz; bei der Allerh. Geheimkanzlei, dem Justiz-
Min, der Staats-, der Amtsanwaltschaft, dem
Amtsgericht und in den Strafanstalten an die zu-
ständige Behörde nach bayr. Recht. Sachsen nennt
als zuständig den Landesherrn, die Strafvoll-
streckungsbehörde und den Strafanstaltsdirektor.
Letzterer ist auch in Hessen unter Umständen
(MinVfg v. 22. 6. 91) und in Preußen (arg.
AVf v. 6. 5. 36) zuständig. Die klar ausgebildeten
Normen Württembergs lauten dahin: Je nach
dem in 1. Instanz urteilenden Gericht ist das
B. Gesuch dem Amtsrichter, der Staatsanwalt-
schaft beim Landgericht, in Ordnungs= und Dis-
ziplinarsachen bei der Behörde, bei der der Be-
amte in Dienst ist oder welche die Strafverfügung
erlassen hat, nach Beginn des Strafvollzuges beim
Vorstand der Strafanstalt einzureichen. In
bestimmten Fällen bei Steuerbehörden; vgl. Vfg.
v. 7. 11. 81. — Immediatgesuche um Erlaß usw.
polizeilicher durch Vsg festgesetzter Strafen sind
in Preußen an den Reg Präsidenten und in Berlin
an den Polizeipräsidenten zu richten.
c) Die Wirkung der Einreichung
des Gesuchs. Diese Wirkung erscheint prin-
zipiell als Hemmung der Strafvollstreckung in
Oldenburg (Regl v. 3. 3. 80) beim ersten Gesuch,
weiterhin in Bayern, in Elsaß-Lothringen (Min Vfg
v. 22. 8. 05) und Württemberg (a 9 A# z. St PO).
Württemberg statuiert von diesem Prinzip einige
Ausnahmen, falls die Vollstreckung noch nicht
begonnen hat: a) wenn der Verurteilte mit der
Vollstreckung einverstanden ist, ausgenommen jene
Fälle, in denen infolge der Kürze der Strafe die
B. vereitelt würde, b) wenn ein Vorschlag ex
officio oder c) ein Gesuch um B. schon abgewiesen
worden waren und keine neuen Umstände aufge-
treten sind, d4) wenn die sofortige Vollstreckung
zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung
nötig ist. Bei einer Verurteilung zum Tode ist
der Aufschub gesetzlich fundiert. Er findet nach
sächsischem Recht nicht statt, wenn schon bei Ge-
legenheit eines früheren Gesuchs angeordnet war,
ein späteres nicht mehr anzuzeigen (für Preußen
vgl. AE v. 15. 10. 1810 und 31. 1. 36).
Prinzipiell gegen einen Aufschub der Straf-
— — — — —
Begnadigung
vollstreckung infolge des B. Gesuchs sind Preußen
(Allerh. Order v. 29. 8. 38; gültig für die Pro-
vinzen, in denen die Krim O v. 11. 12. 1805 in
Anwendung) und Sachsen. Sachsen macht jedoch
eine Ausnahme bei dem ersten Gnadengesuch
— nicht bei späteren, infolge Abweisung des ersten
gestellten — auf Antrag des Verurteilten oder
seines gesetzlichen Vertreters. Das alles bei noch
nicht begonnener Strafvollstreckung; die einmal
begonnene Vollstreckung ist nie auszusetzen.
Preußen sieht von dem oben festgestellten Prin-
zip ab und nimmt von der Vollstreckung bis zur
Entschließung über das Gnadengesuch Abstand,
wenn andernfalls für den Verurteilten ein un-
einbringlicher Schaden an der Ehre entstünde
(loc. cit.). Ebenso, wenn so erhebliche Gründe für
die B. vorliegen, daß diese zu erwarten ist. End-
lich auch dann, wenn vom König auf ein erstes
B.Gesuch Bericht verlangt wird, bevor die
Strafvollstreckung begonnen (AE v. 16. 3. 78).
Analog: Elsaß--Lothringen (Vig des RJmtes
v. 9. 4. 78) und Braunschweig (Reskr. v. 20. 7.
01 ad II. 7 a und b). Braunschweig bestimmt
weiter in solchem Falle ausdrücklich, daß Vor-
führungs= und Haftbefehle, soweit als möglich,
zurückzunchmen sind.
Für die neuen Landesteile in Preußen gelten
die Vorschriften der A#f v. 22. 8. 67, 14. 7. 68.
Ergänzend fixiert die Zirk. Vig# v. 15. 10. 94 das
Grundprinzip mit einer Ausnahme für den Fall,
daß die Strafe so kurz wäre, daß ohne Unterbre-
chung des Vollzuges die Strafe vor der B. schon
vollständig verbüßt sein würde (für Hessen vgl.
Reg Bl Nr. 30 von 1897 und Al Nr. 20 von 1897).
)Die Instruktion der Begnadi-
gungsgesuche erfolgt in der Regel durch die
Strafvollstreckungsbehörde (Braunschweig, Restr.
v. 20. 7. 01; Hessen: Sachsen; Pr. A#f v. 14. 8.
79). Dasselbe bestimmt Oldenburg (Regl v.
3. 3. 80 5.2) hinsichtlich des strafvollstreckenden
Amtsrichters, Bayern und Hessen in Schöffen-
gerichtssachen für den Amtsanwalt, Bayern in
Landgerichtsstrafsachen für den Staatsanwalt.
In Forstrügesachen ist in Bayern der Amtsrichter
zuständig, von welchem dann die Angelegenheit
an den Staatsanwalt geleitet wird. In Ham-
burg wirkt dagegen die Staatsanwaltschaft bei
der Bearbeitung von Gnadengesuchen nicht mit;
ihr werden diese auch nicht zur Prüfung und
weiteren Veranlassung zugestellt. Nur ganz ver-
einzelt wird eine gutachtliche Aeußerung von ihr
eingeholt.
Gesuche um Wiederverleihung der bürger-
lichen Ehrenrechte sind in Preußen vom Re-
gierungspräsidenten zu bearbeiten (vgl. AE v. 30.
12. 52; Zirk. Vig Min Inn v. 18. 1. 53 A#f v.
—. 3. 53 unten i). Für Württemberg vgl. Schr.
v. 9. 5. 04 (Kgl V v. 13. 3. 1818). Für Bayern
vgl. Riß in Seufferts Blätter f. Rechtsanwen-
dung 1904, 535.
In gewissen Zoll- und Steuer kontraven-
tionssachen gehen die B. Gesuche in Preußen an
die Gerichte und mit deren Gutachten an den
Provinzialsteuerdirektor (Preuß. Reskr. v. 18. 8.
37). Vgl. hinsichtlich der Instruktion von seiten
der Gerichte bei Immediatgesuchen auch das
Preuß. Reskr. v. 31. 10. 34.
e) Die Mitwirkung (Berichterstat-
tung) des Oberstaatsan walts ist nur