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Oberstaatsanwalte bei dem Oberlandesgerichte,
in dessen Bezirk der Verurteilte wohnt, einzu-
reichen. Von diesem letzteren sind die er-
forderlichen Erhebungen (Delikt, Leumund
des Verurteilten, Führung usw.) vorzunehmen
und „über das Gesuch in geheimer Sitzung eines
aus 5 Mitgliedern bestehenden Senates Antrag
zu stellen". Der Senat gibt sein Gutachten
ab, welches der Oberstaatsanwalt an den Ju-
stizminister leitet. Die Entscheidung trifft
der König. Die Genehmigung des Gesuchs ist
dem Verurteilten durch das Gericht des Wohn-
sitzes mitzuteilen. Abschriften des Restriptes gehen
an das Oberlandesgericht und die betreffende Re-
gierung. Erneuerung eines abgewiesenen
Gesuchs ist erst nach 3 Jahren, von der Abweisung
an gerechnet, zulässig.
Nach der deutschen und bayerischen Heer-
ordnung (s. die Zitate oben §& 6 am Ende)
gehen die RVorschläge für Mannschaften des
Beurlaubtenstandes im Reich von den Bezirks-
kommandos an die Kommandos der vorgesetzten
Brigaden bezw. Landwehrinspektionen, von diesen
an die Generalkommandos, in Bayern von den
Bezirkskommandos an die vorgesetzten Infanterie-
brigaden. Bezüglich der Marine siehe Ziff. 4
Abs 1 der RVorschriften für die Marine. Bei
den Vorschlägen für Mannschaften des aktiven
Dienststandes sind im Heer die Bestimmungen
der Anlage zur Heerordnung sinngemäß anzu-
wenden. Für die Marine existieren ausdrückliche
Vorschriften (vgl. Ziff. 3 der RVorschriften für
die Marine, Anlage 11 zu § 48 der MarineO
v. 12. 11. 94; Delaquis, Rehab. im Strafrecht,
94 Anm. 3).
Den Vorschlägen sind Führungszeugnisse und
die Befürwortung der Kameraden beizufügen.
Die letztere ist bei Gelegenheit der Kontrollver-
sammlungen oder Uebungen aufzunehmen und
von dem Bezirks= bezw. Kontrolloffizier oder
deren Stellvertreter, einem Bezirksfeldwebel, 2
Unteroffizieren und 2 Reservisten oder Wehr-
leuten zu unterschreiben. Endlich ist ein Zeugnis
über die dienstliche Führung des Rehabilitanden
von dem Bezirkskommando auszustellen.
Die Vorschlagslisten sind im Reich von den
Generalkommandos Allerhöchsten Orts, in Bayern
von dem Divisionskommandeur dem KriegMi-
nisterium vorzulegen.
Drei Rehabilitierungen sind im Reich und in
Bayern möglich: die erste ein Jahr nach Verbüßung
der Strafe, wenn diese neben der Versetzung auf
Geld lautet; „im übrigen erst nach Ablauf eines
der Hälfte der verbüßten Strafzeit gleichkommen-
den Zeitabschnittes, jedoch nicht vor Ablauf eines
Jahres seit Verbüßung der Strafe und nicht be-
vor der Verurteilte die bürgerlichen Ehrenrechte
wieder erlangt hat“. „Die zweite Rehabilitation
darf nie vor Ablauf zweier Jahre nach verbüßter
Strafe nachgesucht werden“, „die dritte überhaupt
nur ausnahmsweise unter ganz besonders dringen-
den Umständen und keineswegs vor Ablauf dreier
Jahre nach verbüßter Strafe“ (Aus: Delaquis,
Die Rehabilitation im Strafrecht 93). Vgl. auch
u. a. Prcuß. Erl v. 1. 9. 69 und AUfg des Kriegs-
Min v. 21. 9. 69; Zirk. Uig des Min Inn v. 28. 5.
1839; Note des württbg. Min Inn v. 3. 10. 02.
5*13. VI. Begnadigungsstatistik. Eine um-
fassende Statistik fehlt sowohl für das
Begnadigung
Reich wie für die Bundesstaaten. Teilstatistiken
existieren z. B. für Preußen in der Statistik
der Strafanstalten p. p. unter dem Min Inn.
In Württemberg ist dem Könige am
1. April jedes Jahres ein Verzeichnis der vom
Justiz Min bewilligten Nachlässe an Geldstrafen
vorzulegen (Kgl Dekret v. 9. 1. 1807 und 20. 2.
1829, sowie V'ig v. 16. 7. 34). Analoge Bestim-
mungen existieren für Württemberg hinsichtlich
der Nachlässe an Sporteln, Gerichtsgebühren und
Gerichtskosten (vgl. Beschl v. 24. 5. 92).
Periodische Uebersichten der auf Zolldelikte
bezüglichen Straferlasse werden auf Verlangen
dem Bundesrate mitgeteilt. — Diese und
andere Zusammenstellungen, wie sie z. B. in den
„statistischen Nachweisungen über die allgemei-
nen Strafanstalten des Königreichs Sachsen“
vorkommen, legen den Wunsch nach einer um-
fassenden Statistik der B. in Reich und Einzel-
staaten besonders nahe.
QOuellenwerke: Die Preußische Justizverwaltung,
herausg. v. H. Müller, 2 Bde.“', 1901; Die Behandlung
der Strafsachen bei den bayr. Justizbehörden von Friedr.
Bretzfeld, 1909; Geschäftsordnung für die Kol. Säch-
sischen Justizbehörden, in Kraft seit dem 1. 1. 03; Die
Württembergische Justizverwaltung, herausgeg. von Karl
Bohn, 1906. — Die Fülle des weiteren benutzten Ma-
terials entzieht sich der Wiedergabe.
KLiteratur: Allgemein sei hingewiesen auf die Lehr-
und Handbücher des Staatsrechts (insbes. von Laband,
Mener-Anschütz, Rönne und Zorn) und des Berwaltungs-
rechts (vor allem von Georg Meyer), sowie des Straf-
und Strafprozeßrechts. Zu vergleichen sind auch die Rechts-
lexika und die Kommentare zur St P. Unter den Mono--
graphien sind hervorzuheben: Plochmann, Das B.
Recht, 1845: Lueder, Das Souveränitätsrecht der B.,
1860; v. Arnold, Umfang und Anwendung des B.
Rechtes, 1860; Loeb, Das B. Recht 1881; Elsas,
Ueber das B.Recht, 1888; H. Seuffert, Art. „Be-
gnadigung" in der 1. Aufl. dieses Wörterbuchs; David-
sohn, Das B. Recht, 1903; Delaquis, Die Reha-
bilitation Verurteilter, 1906; Delaguis, Die Rohabili-
tation im Strafrecht, 1907. Delagnis.
B. Bedingte Begnadigung
#5 1. Begriff. 5 2. Geschichtliches: Zusammenhang mit
der Fürsorgeerziehung. # 3. Gestaltung und Voraussetzun-
gen. 1 4. Ergebnisse der Anwendung (Statistisches). 15.
Kritik und legislativer Ausblick. Der Vorentwurf zu einem
deutschen Strafgesetzbuch.
# 1. Begriff der bedingten Begnadigung.
Das Wesen der b. B. besteht darin, daß die
Vollstreckung einer rechtskräftig auferlegten Frei-
heitsstrafe im Justizverwaltungswege ausgesetzt
wird mit Aussicht auf künftige B. im Falle des
Wohlverhaltens des meist jugendlichen Verur-
teilten während einer ihm bestimmten Probe-
frist: Bei guter Führung wird die Strafe im
Gnadenwege nach Ablauf der Probefrist erlassen,
bei nicht guter Führung nachträglich — gegebenen-
falls bereits vor Ablauf der Probefrist — vollstreckt.
MWährend die ordentliche B. eine Ausnahme bildet
und ferner nur verhältnismäßig selten den gänz-
lichen Erlaß der Strafe bedeutet, vielmehr regel-
mäßig lediglich die Herabsetzung der erkannten