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währung nachträglich eintretenden Vollstreckung
der Strafe aufrecht zu erhalten: Nicht nur, daß
die in Aussicht gestellte Strafvollstreckung sonst gar
zu leicht aus dem Bewußtsein der leichtlebigen
Jugend schwindet, der Verurteilte, der nach Jahr
und Tag für eine Strastat auf Grund seiner schlech-
ten Führung in der Zwischenzeit bestraft wird,
verliert auch ganz den Sinn dafür, daß er das Straf-
übel wegen der früher begangenen Straftat er-
leidet, wenn ihm während der Bewährungsfrist
nicht fühlbar gemacht worden ist, daß sein Schuld-
konto an den strafenden Staat noch offen steht.
So liegt in dem erzielhierischen Ursprungselement
des bedingten Strafausschubes der Keim für seine
künftige gesetzgeberische Gestaltung.
Der im Oktober 1909 auf Anordnung des Reichs-
Justizamtes veröffentlichte Vorentwurf zu einem
deutschen StGSB (# 38—41) führt unter dem
Namen „bedingte Strafaussetzung“ die bedingte
Verurteilung anstelle der b. B. ein:; er erfüllt aber
die oben aufsgestellte Forderung der Einführung
einer Schutzaufsicht nicht; die Begründung lehnt
sie unter Verkennung des nicht selten bestehenden
eigenen Interesses des Verurtcilten an einem Halt
während der Probefrist unter dem Gesichtspunkt
eines schweren „Uebels“ ab. Im übrigen schließt
sich der Entwurf im wesentlichen dem bestehenden
Rechtszustand an. Insbesondere soll die Straf-
aussetzung nach wie vor hauptsächlich jugendlichen
Verurteilten zu gute kommen. Bei guter Führung
während der Probezeit tritt — dies ist eine sich
aus der richterlichen Umformung ergebende Neu-
erung — ipsa lege mit dem Ablauf der Frist Straf-
erlaß ein. Wird der Verurteilte innerhalb der
Frist von neuem wegen Verbrechens oder vorsätz-
lichen Vergehens zu Freiheitsstrafe verurteilt, so
fällt die Strafaussetzung mit Recht kraft des neuen
Urteils ohne weiteres weg:; ergeht ein Urteil ande-
rer Art oder ist die neue Tat geringfügig, entscheidet
das Gericht der Nachtat über den Wegfall der
Strafaussetzung, während bei schlechter Führung
abgesehen von einer neuen Bestrafung das Gericht
der Vortat die Strafvollstreckung anordnet.
QOuellen: Die im Text ange führten Verordnungen
und die dem seit 1896 jährlich übersandten Denkschriften
des Reichs-Justizamts, zuletzt Nr. 1321 v. 30. 3. 09, mit
statistischen Uebersichten: Der Vorentwurf zu einem Deut-
schen StGB nebst Begründung 1909.
Literatur: v. Liszt, Bedingte Verurteilung und
bedingte B. in Bd. 3 Allgem. Teil der Vergleichenden Dar-
stellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts 1908
und die dort ange führten Schriften. Klee.
Begräbniswesen
1 Bestattungswesen
Behörden
A. Behördenorganisation im Allgemeinen
*s 1. Begriff und Wesen der Behörden. 31 2. Arten der
Behörden. # 3. Verfassung. 1 4. Elemente der Behörden.
5 5. Ueber- und Unterordnung. s 6. Organisationsgewalt.
7. Besetzung der Behörden. 8. Geschichtliche Entwick-
lung der deutschen Behördenorganisation. 1 9. Ueberblick
über die deutsche Behördenorganisation.
Begnadigung — Behörden
§ 1. Begriff und Wesen der Behörden. B.
heißen diejenigen Organe, welche entweder durch
ein staatliches Organ oder durch einen Kommu-
nalverband zur Ausübung cines begrenzten Kreises
öffentlicher Geschäfte in Unterordnung unter ein
vorgesetztes Organ berufen werden. Die Rechts-
stellung der B. unterscheidet sich wesentlich von
der des Staatsoberhauptes und der repräsenta-
tiven Organe (Volksvertretung, Gemeindever-
tretung). Als charakteristisch für das Wesen der B.
kommen drei Merkmale in Betracht:
1. Die Berufung durch ein staatli-
ches Organ oder durch einen Kom-
munalverband. Das Staatsoberhaupt wird
zu seiner Tätigkeit unmittelbar durch Gesetz berufen;
für die B. bildet das Gesetz nur den mittelbaren
Rechtsgrund ihres Bestandes. Um eine B. tatsäch-
lich zur Entstehung zu bringen und in fortdauernder
Tätigkeit zu erhalten, ist noch ein besonderer Akt,
die Besetzung derselben, erforderlich. Diese Beset-
zung erfolgt regelmäßig durch Ernennung seitens
eines slaatlichen oder eines kommunalen Organs,
ausnahmsweise auch durch Wahlen berechtigter
Körperschaften oder Personen (vgl. unten & 7).
2. Ein begrenzter Kreis öffent-
licher Geschäfte. Während der Monarch
nach deutschem Staatsrecht die gesamte Staats-
gewalt in sich vereinigt, d. h. alle Befugnisse aus-
übt, welche nicht einem anderen Organe ausdrück-
lich übertragen sind, ist die Zuständigkeit der B.
stets eine beschränkte. Die Beschränkung kann
eine sachliche und eine örtliche sein. Die Tätigkeit
der B. liegt auf dem Gebiete der Justiz und Verw.
Gesetzgeberische Funktionen werden von densel-
ben nur ausnahmsweise kraft besonderer gesetz-
licher Ermächtigung ausgeübt, so beispielsweise
beim Erlaß von Polizeiverordnungen. Dagegen
ist es für den Begriff der B. nicht erforderlich,
daß die ihr zustehenden Befugnisse den Charakter
von Herrschaftsrechten haben; auch diejenigen
Organe, welchen die Verw staatlicher Anstalten
oder Vermögensrechte übertragen ist, sind zu den
B. zu rechnen. Die entgegengesetzte Meinung
wird jetzt noch von Zorn 1, 287 und O. Mayer
1, 96 Aum. 2 vertreten, nachdem Laband
dieselbe in der neuesten Auflage seines Staats-
rechts ausgegeben hat (Laband (4) 1, 338).
3. Die Unterordnung unter ein
vorgesetztes Organ. Das Staatsober-
haupt und die Volk vertretung sind in Ausübung
ihrer Befugnisse durchaus selbständig und unab-
hängig, keiner höheren Autorität unterworfen.
Die B. dagegen befinden sich stets in einer Unter-
ordnung, sei es unter das Staatsoberhaupt, sei
es unter eine andere B. Diese Unterordnung
ist in sehr verschiedenem Umfange möglich. Das
vorgesetzte Organ kann die Befugnis besitzen, der
untergeordneten B. Besehle zu erteilen und deren
Anordnungen aufzuheben oder abzuändern. Es
kann auch auf eine allgemeine Dienstaufsicht be-
schränkt sein, welche ihm nur das Recht gibt, dafür
zu sorgen, daß die untergeordnete B überhaupt
ihre Geschäfte erledigt. In irgend einer Form
besteht aber die Unterordnung für alle Behörden
(vgl. unten & 5).
Die die B. repräsentierenden Individuen, die
„Mitglieder“ der B. können wechseln, ohne daß
die B. dadurch berührt wird; die Fortdauer des
staatlichen Organs ist unabhängig von der Person