Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Behörden 
des augenblicklichen Repräsentanten. Die B. 
haben nicht den Charakter besonderer, selbständi- 
ger Rechtssubiekte. 
# 2. Arten der Behörden. Die B. zerfallen 
zunächst in Reichs-, Staats= und Kom- 
munalbehörden. In Deutschland besteht 
eine Teilung der politischen Aufgaben zwischen 
Reich, Einzelstaaten und Kommunalverbänden. 
Jedes dieser Gemeinwesen besitzt für die Aus- 
übung der ihm zustehenden Tätigkeiten ein eige- 
nes B. System. Reich: B. heißen diejenigen B., 
welche Befugnisse des Reichs, Staats B. diejeni- 
gen, welche Befugnisse der Einzelstaaten, Kom- 
munal B. diejenigen, welche Befugnisse der Kom- 
munalverbände ausüben; letztere zerfallen in 
Gemeinde B. und B. der höheren Kommunal-= 
verbände. Dagegen ist für die Eigenschaft einer 
B. als Reichs-, Staats= oder Kommunal B. der 
Umstand nicht wesentlich, durch die Gesetze wel- 
ches Gemeinwesens die Verhältnisse derselben 
geregelt sind. Es gibt viele Staats B., deren Be- 
stand auf Reichsgesetzen, und noch viel mehr Kom- 
munal B., deren Bestand auf Staatsgesetzen beruht. 
Die B. zerfallen ferner in Zentral- und 
Lokalbehörden. Erstere sind diejenigen, 
deren Wirksamkeit sich auf das ganze Staats- 
gebiet, letztere diejenigen, deren Wirksamkeit sich 
nur auf Teile desselben erstreckt. In einer bundes- 
staatlichen Organisation werden von den Bundes- 
B. diejenigen als Zentral B. bezeichnet, deren 
Geschäftskreis das gesamte Bundesgebiet umfaßt. 
Unter den Lokal B. unterscheidet man wieder 
Mittel- (Provinzial-, Bezirks-, Kreis-) B. und 
Lokal B. im engeren Sinne. Letztere sind die- 
jenigen, deren Bereich die kleinsten geographischen 
Abteilungen des Staates umfaßt, erstere die- 
jenigen, deren Tätigkeit sich auf dic größeren Be- 
zirke des Staates erstreckt. In Deutschland haben 
die Reichs B. fast durchweg den Cyarakter von 
Zentral B., da das Reich sich im wesentlichen auf 
Gesetzgebung und Oberaufsicht beschränkt, die 
Ausführung der Gesetze dagegen den Einzelstaaten 
überläßt. Nur die Post= und Telegraphen Verw 
sowie die Verw der Kriegsmarine besitzen eine in 
die einzelnen Teile des Reiches hinein verzweigte 
B.Organisation. Die Staats B. dagegen haben 
teils den Charakter von Zentral-, teils den von 
LokalS. Die KommunalB. sind ihrem Wesen 
nach stets Lokal B. Mit der Unterscheidung von 
Zentral- und LokalB. hängt der Unterschied 
zwischen dem sogenannten Provinzial und 
Realsystem zusammen. Unter Provinzial- 
system versteht man eine B. Organisation, in wel- 
cher der Wirkungskreis aller B., auch der obersten, 
immer nur einen einzelnen Teil des Staates um- 
faßt. Dieses System war in Deutschland noch im 
achtzehnten Jahrhundert sehr verbreitet. Die 
einzelnen Gebiete, aus welchen sich die größeren 
Staaten (vgl. vor allem Preußen und Oesterreich) 
usammensetzten, hatten jedes seine eigene und 
selostandig Verwaltungsorganisation; die staat- 
liche Einheit fand ihren Ausdruck nur in der Per- 
son des Landesherrn. Im gegenwärtigen Jahr- 
hundert ist das Provinzialsystem überall durch 
das Realsystem ersetzt worden. Dasselbe charakteri- 
siert sich dadurch, daß die Wirksamkeit der obersten 
Staats B. sich auf das ganze Staatsgebiet erstreckt 
und die Verteilung der Geschäfte unter dieselben 
nach ihrer materiellen Verschiedenheit stattfindet. 
  
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Die B. zerfallen endlich in Justiz= und Ver- 
waltungsbehörden,, je nachdem sich die 
Tätigkeit derselben auf dem Gebiete der Justiz 
oder auf dem der Verw bewegt. Die Zustiz B. 
werden auch als Gerichte bezeichnet. Von 
den Verwaltungs B. haben sich in neuerer Zeit 
die Verwaltungsgerichte abgezweigt, 
denen die Rechtsprechung in Verwaltungssachen 
(Verwaltungsrechtspflege, Verwaltungsgerichts- 
barkeit) zusteht. Ihre Rechtestellung entspricht 
derjenigen der Justiz B. Unter den Verwaltungs B. 
sind wieder die B. für die allgemeine Lander Verw 
und die für einzelne Spezialzweige der Verw 
(Forst B., BergB., Eisenbahn B., Steuer B. usw.) 
zu unterscheiden. 
6 3. Verfassung der Behörden. Eine B. kann 
entweder bureaumäßig oder kollegia- 
lisch organisiert sein. Eine bureaumäßige Orga- 
nisation liegt dann vor, wenn die Ausübung der 
behördlichen Befugnisse einem Einzelbeamten zu- 
steht. Die bureaumäßige Organisation ist 
daher notwendig und durch die Natur der Sache 
gegeben, wenn die B. nur aus einem Beam- 
ten besteht. Sie kommt aber häufig auch da vor, 
wo bei der B. mehrere Beamten beschäftigt 
sind. In diesem Falle steht die Entscheidung in 
allen zur Zuständigkeit der B. gehörenden An- 
gelegen heiten lediglich dem Vorstand derselben 
zu; alle übrigen Mitglieder sungieren als dessen 
Gehilfen oder Vertreter. Anders bei den Kolle- 
gialbehörden. Diese bestehen aus gleich- 
berechtigten Mitgliedern; die Beschlüsse werden 
durch Abstimmung, also mit Majorität, gefaßt; 
der Vorsitzende hat nur die Leitung der Geschäfte 
und etwa noch die Entscheidung bei Stimmen- 
gleichheit. Die Kollegial B. sind keine Korpora- 
tionen mit einem selbständigen Rechtskreise und 
eigenen subjektiven Rechten (vgl. oben §& 1 a. E.), 
sondern Vereinigungen einer Mehrheit von Per- 
sonen, welche durch die kollegiale Organisation 
zu einer Einheit zusammengefaßt werden. Es 
kommt übrigens auch eine Mischung von Bureau- 
und Kollegialverfassung in der Weise vor, daß ge- 
wisse Angelegenheiten durch Beschlüsse des 
Kollegiums, andere, minderwichtige, dagegen 
durch den Vorsitzenden in bureaumäßiger Weise 
entschieden werden. Größere Kollegien pflegen 
für die Erledigung ihrer Geschäfte in Abteilungen 
(Senate oder Kammern) eingeteilt zu sein. 
Kollegien eignen sich für die Behandlung solcher 
Angelegenheiten, welche ruhiges Abwägen und 
reifliche Ueberlegung erfordern, also namentlich 
für die Entscheidung von Rechtefragen. Dagegen 
verdient die bureaumäßige Organisation da den 
Vorzug, wo es auf ein rasches und energisches 
Handeln ankommt; sie ist ferner da notwendig, 
wo einc bestimmte Person die Verantwortung für 
die von der B. aus gehenden Anordnungen zu tra- 
gen hat. Nach Maßgabe dieser Gesichtspunkte 
sind die Gerichte wenigstens in den höheren In- 
stanzen stets kollegialisch organisiert gewesen. Bei 
den Verwaltungs B. war in früheren Jahrhunder- 
ten die kollegialische Organisation, namentlich für 
die höheren Instanzen, ebenfalls die Regel. Im 
Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts ist da- 
gegen in dieser Hinsicht eine wesentliche Umbil- 
dung vor sich gegangen. Zunächst sind die Zentral- 
B., die Ministerien, durchweg bureaumäßig or- 
ganisiert worden, was schon wegen der ministeriel-
	        
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