Behördenorganisation
393
preußischen Regierungs-, badischen Amtsbezirke),
oder haben zugleich eine Organisation als Kom-
munalverbände (dies ist die Regel, vgl. z. B. die
preuß. Provinzen und Kreise, bayrischen Kreise
und Bezirke, sächs. und württ. Bezirke usw.). Als
kommunale Angelegenheiten erscheinen aber in
diesem Falle nur die Verw des Vermögens und
der Anstalten des Kommunalverbandes, diese sind
den kommunalen Vertretungen und Ausschüssen
ur alleinigen und ausschließlichen Regelung über-
kassen. Die Ausübung der obrigkeitlichen Befug-
nisse innerhalb der betreffenden Bezirke wird da-
gegen als Sache des Staates betrachtet;; sie steht
staatlichen Organen zu. Diese staatlichen Organe
bestanden bis in die neuere Zeit lediglich aus
staatlichen Berufsbeamten. Erst durch die Ver-
waltungsreformgesetzgebung der letzten Jahrzehnte
sind denselben Elemente der Selbst Verw zur Seite
etreten, welche meist aus Wahlen kommunaler
ertretungen hervorgehen (preußische Kreisaus-
schüsse, Bezirksausschüsse und Provinzialräte, säch-
sische Kreisausschüsse und Bezirksausschüsse, würt-
tembergische und badische Bezirksräte, hessische
Kreisausschüsse und Provinzialausschüsse).
Die Organisation der Gerichte ist
eine einheitliche für ganz Deutschland. Dieselben
gliedern sich in das Reichsgericht, die Oberlandes-
gerichte, Landgerichte und Amtsgerichte mit den
denselben angeschlossenen Schwurgerichten und
Schöffengerichten. [1 Gerichtsverfassung.]
Die genaueren Nachrichten über die B. Orga-
nisation sind unten aus B und aus den betreffen-
den Spezialartikeln zu entnehmen.
Kiüteratur: Stein, Die Berwaltungslehre :, 1 1,
197 f, 5 B der Verwaltungslehre ? T. I, 36 ff; Gneist, Ver-
waltung, Justiz, Rechtsweg, Staatsverwaltung und Selbst-
verwaltung, 1869, 76 ff; Engl. Berwaltungsrecht? 1, 154 ff;
G. Meyer 1, 15 ff: Loening 28 ff; E. Meier in v.
Holtzendorffs und Kohlers Enzyklopädie der Rechtswissen-
schaft" 2, 653 ff; v. Stengel, Lehrbuch des deutschen
Berwaltungsrechts 156 ff; v. Sarwey, Allgemeines
Berwaltungsrecht bei Marquardsen 1, 95 ff; Meyer-
Anschütz 342; H. Schulze, Lehrbuch des deutschen
Staatsrechts 1, 281 ff; Laband 1, 337 f; Zorn 1,
26867 ; Rönne-= Zorn, 300 ff; H. Schulze, Preu-
ßhisches Staatsrechte 1, 224 ff; Hözl, Lehrbuch des bayeri-
schen Berwaltungsrechtes" 9 ff; Seydel, StK 1, 490 ff;
v. Sarwey, Staatsrecht des Königreichs Württemberg
2, 256 ff; GözWürttemb. Staatsrecht, 158 ff, 351 ff; G.
Meyer, Die Behördenorganisation der Berwaltung des
Innern bei Schönberg 8, 719 ff; Anschütz, Justiz und
Berwaltung in der „Kultur der Gegenwart“", Systematische
Rechtswissenschaft, 386 ff.
G. Weer, durchgesehen und ergänzt von Auschütz.
B. Behördenorganisation im Einzelnen
I. Die Grundzüge, die unter 4 entwickelt sind,
kommen in der tatsächlichen Gestaltung der B.
nicht immer ungetrübt zum Ausdrucke. Die bei-
efügte Tabeller zeigt die außerordent-
iche Mannigfaltigkeit in der Organisation der
größeren deutschen Staaten; sie gewährt aber
1) Die kirchenregimentlichen Behörden sind außer Be-
tracht geblieben; vgl. darüber die Artikel „Evangelische Kirche“
12, auch „Kirchenhoheit.“
auch Einblick in eine übergroße und nicht immer
begründete Verschiedenart des Verwaltungs-
aufbaus.
Eine wesentlich übereinstimmende Anordnung,
die sich aus ihrem rezeptiven Ursprunge erklärt,
zeigen die Zentralbehörden.
Die Mittel- und Unterbehörden
dagegen knüpften auch unter dem Wechsel der
Verhältnisse im 19. Jahrhundert mehr oder we-
niger an die bestehenden VerwEinrichtungen an;
damit war eine Lockerung des organisatorischen
Zusammenhangs innerhalb der deutschen Einzel-
staaten bedingt. Eine größere Annäherung voll-
zog sich erst mit der bewußten Durchführung des
Gedankens der Selbstverwaltung und des Rechts-
schutzes in der Verwaltung, wie sich z. B. in der
Organisation von Preußen und Hessen, auch
Sachsen erkennen läßt. Stärkere Eigenart ge-
wahrt haben Bayern und Württemberg und,
infolge der Fortwirkung der französischen Ein-
richtungen, natürlich Elsaß-Lothringen. Aber
auch Baden sticht hervor durch den Ausfall eigent-
licher Verw Behörden an den mittleren Stellen
— die Landeskommissäre sind keine besondere
Mittelinstanz zwischen dem Ministerium und den
Bezirksämtern — und die Schaffung von Kom-
munalverbänden ohne Bildung entsprechender
staatlicher Verw Bezirke 1). Mit der Steigerung
des Umfangs der Geschäfte und dem Ausbau in
der Organisation der örtlichen Verwaltung sind
diejienigen von den sog. Unterbehörden, die nicht
für die örtliche Verwaltung bestimmt sind (na-
mentlich die Landräte in Preußen) in eine Stel-
lung im Behördenaufbau geraten, die sie von
den eigentlichen Unterbehörden abhebt. Es konnte
übrigens kaum ausbleiben, daß bei dem mangeln-
den Streben nach einer wechselseitigen Anpassung
die Schaffung neuer Organisationen wieder die
Gefahr neuer Verwicklung in sich trug.
Das äußere Zeichen dieses geringen Zusammen-
hangs ist die abweichende Benennung der Verw-
Bezirke und Verw Behörden der gleichen Stufe.
Nur die „Provinz“ (Preußen; Hessen) als ge-
räumigster und die „Aemter“ als unterster Verw-
Abschnitt (Württemberg, Baden; Preußen sogar
nur als Lokalbehörde) zeigen einen gleichen
Grundton. Dazu mag man das „Bezirksamt"
(Bayern, Baden, Schutzgebiete), weniger schon das
„Kreisamt“ (Hessen) zählen; hier setzt bereits die
bedenkliche Vermengung zweier Bestandteile ein,
die sonst für sich einer Amtsstelle den Namen
geben. Durchgehend findet sich als Verw Bezeich-
nung die einer einfacheren Stufe der VerwéEnt-
wicklung entlehnte Benennung als „Kreis“ oder
„Bezirk“. Indes ist bald „Bezirk“ das umfassende
Gebiet (Preußen, Elsaß-Lothringen), bald ist es
der „Kreis“ (Bayern, Sachsen, Württemberg,
auch Baden). Unter diesen Umständen wird z. B.
der „Bezirksausschuß“ in Sachsen zu einem we-
sentlich andern, und nicht bloß im räumlichen
Machtbereiche verschicdenen, Organismus gegen-
1) Auf den verschiedenen Umfang der den Kommunal=
verbänden obliegenden Geschäfte, der 3z. B. bei dem Amts-
verband in Baden besonders dürftig ist, war an dieser Stelle
ebensowenig einzugehen, wie es angebracht erschien, bei
den Stadtkreisen in Preußen und den ihnen entsprechenden
Organisationen in den andern Staaten die für ihre kom-
munalen Geschäfte bestimmten Organe auszuführen.