Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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einem im Jahre 1875 veranstalteten teilweise miß- 
lungenen Versuch einer Ermittelung der gewerb- 
lichen Betriebe im Reich) außer Berücksichtigung 
geblieben war. Andererseits erschien eine Hinaus- 
schiebung der Ermittlung der Berufs= und Be- 
triobsverhältnisse im Reich bis zur nächsten Wolks- 
zählung — also jener von 1885 — mit den aktuellen 
Bedürfnissen der Reichsverwaltung nicht vereinbar. 
Auch fiel weiter dabei ins Gewicht, daß eine be- 
friedigende berufliche Ausgliederung der Bevölke- 
rung und der damit zusammenhängende Ausweis 
über die Verteilung der Erwerbstätigen auf die 
einzelnen Betriebe und Betriebsgrößen (nebst den 
weiteren zur Charakterisierung der Betriebe zu 
liefernden Ausweisen) von einer zur Winterzeit 
vorgenommenen Zählung nicht wohl erwartet wer- 
den konnte. Jusbesondere konnte, da nicht bloß 
(wie seinerzeit 1875) die gewerblichen sondern auch 
die land= und forstwirtschaftlichen Betriebe in die 
Ermittlung einzubeziehen waren, von einer Win- 
terzählung ein befriedigendes Bild der in voller 
Aktivität befindlichen Borufstätiqkeit und Betriebs- 
gestaltung im Deutschen Reich nicht erwartet 
werden. 
II. Bei dieser Sachlage erschien es geboten, durch 
eine besondere von den veriodischen Volkszählun- 
gen im Deutschen Reich ganz unabhängige zur 
Sommeocrzeit zu veranstaltende Erhebung die er- 
forderliche Klärung der Berufsverhältnisse des 
dentschen Volkes und der Gestaltung der Botrieb- 
lichkeit in den einzelnen Produktionszweigen so- 
wohl der Urproduktion als der geowerblichen Be- 
triebsamkeit im weitesten Sinne des Wortes durch- 
zuführen. Mit der Loslösung von den aus der 
Zeit des alten Zollvereins übernommenen Volks- 
zählungen war auch die Schaffung einer neuen ver- 
waltungsrechtlichen Unterlage für die in Aussicht 
genommene neue Ermittlung, die damals 
(1882) als Erhebung einer Berufsstatistik be- 
zeichnet wurde, geboten. Die Volkszählungen 
werden im Deutschen Reich in Fortführung der 
schon zur Zeit des alten Zollvereins maßgebenden 
Normen in der Art vorgenommen, daß zwar an 
Stelle der vormaligen Vereinbarung der Zollver- 
einsstaaten jetzt als maßgebend ein Beschluß des 
Bundesrats, aber mit der Folge getreten ist, daß die 
verwaltungsrechtliche Unterlage in den einzelnen 
Staaten nicht ein Reichsgesetz, sondern die über- 
kommene (überwiegend nur verordnungsmäßig 
oder überhaupt im besonderen sormell gar nicht 
geregolte) Anordnungsbefugnis der einzelstaat- 
lichen Gewalt bildet. Folgerichtig sind dabei wie 
ehedem im alten Zollverein die Erhebungs= und 
Bearbeitungskosten der Volkszählung Landcssache. 
(Gegenüber Anregungen im RN, welche für das 
Volkszählungswesen im Reich eine oinheitliche 
reichsgesetzliche Unterlage schaffen wollten, hat sich 
der Bundesrat bisher ablehnend verhalten. ) 
Für die in Aussicht genommenc neue und um- 
fassende Erhebung, die nicht nur für die Staats- 
und Gemeindceorgane erhebliche Frageverpflichtun- 
gen, sondern auch für die Befragten ausgiebige 
neue Antwortverpflichtungen bringen sollte und 
außerdem für die Durchführung der Erhebung 
und die eingehende Ausgliedcrung ihrer Ergebnisse 
erhebliche Kosten verursachen mußte, war die ana- 
loge Anwendung der zum öffentlichen Gewohn- 
heitsrecht gewordenen verwaltungsrechtlichen Nor- 
men des deutschen Volkszählungswesens ausge- 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. 
Verufs- und Betriebszählung 
  
J. 
schlossen. Es mußten neue Unterlagen geschaffen 
werden, und zwar durch Reichsgesetz und die darin 
vorbeheltenen Ausführungsbestimmungen des BR 
unter Uebernahme der Erhebungs= und Boearbei- 
tungskosten auf das Reich. Von der Festsetzung 
einer Periodizilät der Erhebungen wurde zunächst 
abgesohen. Auf solcher Unterlage kamen bisher 
drei berufs= und betriebsstatistische Ermittelungen 
im Deutschen Reich unter verschiedenen gesetzlichen 
Bezeichnungen zu Stande, nämlich zunächst die 
„Erhebung einer Berufsstatistik“ v. 5.6. 82 (RG v. 
13. 2. 82), sodann die „Berufs= und Gewerbezäh- 
lung“ v. I4. 6. 95 W v. 8. 4. 95) und zuletzt die 
„Berufs- und Betriebs;z zählung“ (eine Aenderung 
des Titels ohne wesentliche Sachänderung) v. 12. 6. 
07 (R# v. 25. 3. 07). Von der ersten zur zweiten 
Erhobung sind hiernach 13, von der zweiten zur 
dritten 12 Jahre verstrichen. Eine gesetzliche Fest- 
setzung der Periodizität der Berufs= und Botriebs- 
zählungen im Deutschen Reich ist auch in dem jüng- 
sien Gesetz von 1907 nicht enthalten, doch hat der 
Reichtag bei dossen Beratung eine Resolution 
angenommen, wonach die Berufs= und Betriebs- 
zählung fortan von zehn zu zehn Jahren wiederholt 
werden soll. Aehnlich, wie überhaupt dic erste 
berufs= und betriebsstatistische Erhebung im Deut- 
schen Reich durch sozialvolitische Gesetzgebungs- 
bedürfnisse veranlaßt war, ist auch bei der jüngsten 
Erhebung von 1907 mit Rüasicht auf die Probleme 
der Sozialversicherung cine Erweiterung der Be- 
rufs= und Betriebszählung dadurch bewirkt, daß 
in Verbindung mit dieser — wie das Gesetz 
vom März 1907, betreffend die Vor- 
nahme einer Berufs- und Betriebszählung im 
Jahre 907 sich ausdrückt —„eince Zählung der Per- 
sonen, für die zu der reichsgesetzlichen Invaliden= 
versicherung Boiträge entrichtet werden, derjeuigen 
Personen, weolche auf Grund der Reichsgesetze Un- 
fall- oder Invalidenrenten beziehen, und der Wit- 
wen und Waisen"“ vorgenommen wurde. 
* 2. Dao Reichogesetz vom 25. März 1907. 
. srge von der allgemeinen Bezeichnung 
des Zwecks der Erhebung (§ 1) gibt das Gesetz 
(6 3) eine ausdrückliche beschränkende Bezeichnung 
der bei der Berufsermittelung zulässigen Fragen: 
außer Personen= und Familienstand und der — 
erst bei der Beratung im Reichstag cingefügten — 
Religion find Fragen nur in Bezug auf die Berufs- 
vorhältnisse und die sonstige regelmäßige Erwerbs- 
tätigkeit, sowie — wic oben bereits erwähnt — auf 
die reichsgesenliche Invaliden= und Unfallversiche- 
rung für zulässig erklärt und jedes „Eindringen in 
die Vermögens= und Einkommensverhältnisst“ als 
ausgeschlossen erklärt. Nach der Fassung des Ge- 
setzes erscheint die Erhebung grundsätzlich der un- 
mittelbaren Reichsstatistik überwiesen, indem zwar 
die statistischen Aufnahmen von den Landosregie- 
rungen zu bewirken waren, in erster Linie aber dabei 
die Lieferung der Erhebungssormulare durch das 
Reich und die Verarbeitung des Urmaterials durch 
das Reich in Aussicht genommen war. Soweit je- 
doch die Landesregierungen die Erhebungsformu- 
lare lieferten und die Bearbeitung des Urmaterials 
übernahmen, was ihnen freigelassen wurde, war die 
Vergütung der daraus erwachsenden Kosten vom 
Reicht nach einem vom Byg festzustellenden Satze 
zu gewähren. (Tatsächlich hatte das Kaiserliche Sta- 
tistische Amt nur für kleinere Bundesstaaten — im 
Ganzen 14 mit nur rund 2,6 Millionen Einwohnern 
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25.
	        
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