Beschälwesen (Körordnungen)
8 1. Gestütswesen. 8 2. Staatliche Aufsicht über Privat-
heugste usw. § 3. Bestimmungen der Körordnungen. 84. Zu-
lässigkeit der Körordnungen. 5 5. Die bestehenden Körord=
nungen. 4 6. Slaatliche Körung und Züchtervereinigungen.
S 7. Sch.i#ßg## biete.
5* 1. Bedentung der Bieh= und Fferdezucht,
Staats-Gestütowesen, Haupt= und Landgestüte.
Die Bedeutung, welche der Vieh= und Pferde-
zucht in dem Betriebe der Landwirtschaft, für
den öffentlichen Verkehrsdienst und für umfang-
reiche Industrien allseitig eingeräumt wird, ist
eine sehr große. Fast in allen kultivierten Staaten
hat man deshalb das Bedürfnis gefühlt, regie-
rungöseitig sowohl intellektuell als materiell auf
die Hobung der einzelnen Tierzuchtzweige einzu-
wirken, so auch in Deutschland. Am frühesten
ist dies auf dem Gebiete der Pferdczucht ge-
schehen und zwar durch die Anlegung von staatlich
cingerichteten, mit dem Namen Gestüte belegten
Anstalten. Diose Staatsgestüte oder Haupt-
gestüte sollten, abgesehen von der Lieferung von
Luruspferden für die Marställe der regierenden
Fürsten, einesleils durch die Zucht, welche in
ihnen betrieben wurde, ein Bild dessen hinstellen,
wis uch für die Privatzüchter als erstrebenswert
zu gelten habe. Auf der anderen Seite verfolgte
man mit ihnen den Zweck, Henaste zu produzie-
ren, welche neben anderen im Ju= und Auslande
angekauften Beschälern in Hongstdepots, sog.
Landgestüten, aufgestellt, von da aus während
der Frühjahrsmonate über das Land verteilt und
den Pfeordobesitzern zum Bospringen ihrer Smten
zur Vorfügung gestellt werden. Freilich stand
hbierbei nilbt gerade immer der Gedanke im
Vordergrunde, die landwirtschaftliche Pferde-
zucht zu heben, sondern man hatte bald mehr,
bald weniger die Absicht, durch die Art der in
den Landgestüten stationierten Beschäler auf die
Züchtung brauchbarer Militärpferde hinzuwirken.
An staatlilhen Hauptgoestüten besitzen z. Zt.
Preußen: das zu Trakehnen (Prov. Ostpreußen),
zu (Graditz (Prov. Sachsen), zu Beberbeck (Prov.
Hessen-Nassan); Bayern: das Stammgestüt Ach-
selschwang. Außerdem bestehen in großer Anzahl
Hoigestüte der regierenden Fürsten und Privat-
gestüte größerer Grundbesitzer, in denen Zucht
getrieben wird.
Die mit dem wenig passenden Namen „Land-
gestütes" belegten Hengstdepots ##nd in der Mohr-
zahl der Staaten vorhanden. Preußen hat solche
in Insterburg, Gudwallen, Rastenburg und
Braunsberg (Ostpreußen), Marienwerder und
Stargard (Westpreußen), Neustadt a. d. D.
(Vrandenbura), Labes (Pommern), Zirke und
Guesen (Poseon), Leubus und Kosel (Schlesien),
Traventhal (Schlesw.-Holstein), Celle (Hanno=
ver), Warendorf (Westfalen), Dillenburg (Oessen-
Nassau) und Michrath (Rheinprovinz): Bayern
in München, Landshut, Augsburg, Ansbach und
Zweibrücken: Sachsen in Moritzburg; Württem-
berg in Marbach; Hessen in Darmstadt: Elsast-
Lothringen in Straßburg; Moecklenburg-Schwerin
in Redefin; Mecklenburq- Strelitz in Neustrelitz;
Braunschweig in Braunschweig; Coburg Gotha
in Gotha: Anhalt in Cötlen. Zucht wird in diesen
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Landgestüten nicht betrieben. Die ihnen über-
wiesenen fiskalischen Beschäler werden während
der Frühjahrsmonate, zumeist vom Februar, auch
wohl schon vom Jannar ab und bis Ende Juni,
zu je 2, 3 oder mehreren auf die einzelnen Deck-
stationen des Landes verteilt, so daß die Pferde-
besitzer der Nachbarschaft Gelegenheit haben,
ihre Stuten den dort stationierten Hengsten zuzu-
führen. Für das Belegen wird ein für jeden Hengst
bestimmt normiertes Deckgeld erhoben. Ziemlich
übereinstimmend ist überall die Anordnung ge-
troffen, daß Stuten, weolche alt, schwach, miit Erb-
fehlern behaftet sind oder sonst zur Zucht untaug-
lich scheinen, welche ferner an Krankheiten leiden
oder aus Orten kommen, in denen ansteckende
Krankheiten unter den Pferden herrschen oder
unlängst geherrscht haben, den Landgestütsbe-
schälern nicht zugeführt, bezw. zurückgewiesen
werden dürsen. Diese Vorschriften sind fast
durchweg von den Gestütsverwaltungen der betr.
Staaten erlassen: nur in Württemberg sind sie
durch die Kgl V, botr. die Beschälordnung, v.
25. 12. 75 — Req Bl Nr. 39 — geregelt worden.
# 2. Berechtigung der staatlichen Aufsicht über
Privat-Henaste, -Stiere, -Eber und -Böcke. Die
von den staatlichen Landgestüten zur Verfügung
gestellten Boeschäler reichen für das Bedürfnis des
Landes nicht entfernt aus. Daraus ergibt sich die
Notwendigkeit, von einer umfangreichen Ver-
wendung von Privatbengsten zu dem gleichen
Zwecke Gebrauch zu machen. Da der einzelne
Pferdebesitzer zumeist nicht in der Lage ist, für
seine beschränkte Zahl von Stuten einen eigenen
Hengst zu halteon, oder, wenn er es tut, diesen in
der Regel gescthlechtlich nicht hinreichend aus-
nutzen kann, so entwickelte sich allmählich selbst das
Gewerbe, die Benutzung von Hengsten zum Decken
scilzubieten. Landwirte oder Genossenschaften
von solchen stellten an geeigneten Plätzen Beschä-
ler auf und gestatteten, Stuten zum Bolegen
gegen Entgelt denselben zuzuführen. Namentlich
in Süddenutschland wurde dieses Gewerbe auch
wohl im Umherziehen betrieben — sog. Hengst-
reiterci oder (Ganreiterei.
Auf dem Gebiete der Rindvich-, Schweine-,
Schaf= und Ziegenzucht hat eine Bereitstellung
männlicher Zuchttiere seitens des Staates über-
haupt nie stattgefunden. Es war deshalb immer
Aufgabe der Interessenten, für das Vorhanden-=
sein der erforderlichen männlichen Zuchttiere
Sorge zu tragen. Abgesehen von der Verdflich-
tung der Gemeinden zur Haltung dieser Tiere
acschah dies dadurch, indem ein Züchter den Stier,
Eher oder Bock anschaffte und gegen ein Sprung-
(Deck-)Geld zum Bedecken fremder weiblicher
Tiere bereit stollte.
Das Interesse, welches der Staat an dem
Stande der Vichzucht hat, führte schon früh da-
hin, einen Einfluß auf die Qualität der männlichen
Zuchttiere durch den Erlaß bestimmter Vor-
schriften, Körordnungen, auszuüben. Hier-
mit griff die Regierung allerdings in das Selbst-
beostimmungerecht des Züchters ein. Die Berechti-
gung hierzu ergibt sich daraus: Bei den bäuerlichen
Besitzern fehlt vielfach die Kenntnis von der Bedeu-
tung des männlichen Tieres für die Zucht. Es
kommt diesen Züchtern nur auf eine Vermehrung
der Tiere und weniger oder garnicht auf eine Ver-
besserung derselben an. Daher kommt es, daß