Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Beschälwesen (Körordnungen) 
  
Gesundheit und alles, was im besonderen In- 
teresse der Gemeinden und ihrer Angehörigen 
polizeilich geordnet werden muß, ihre gesetzliche 
Begründung finden. Offen erschien aber in recht- 
licher Beziehung noch die Frage der Vorschrift 
eines Mindestdeckgeldes. An sich würde das ent- 
geltliche Hingeben der Stiere zum Bedecken einen 
Gewerbebetrieb darstellen können und nach + 72 
der GewoO gilt für die gewerblichen Betriebe das 
Prinzip der Taxfreiheit. Auch wird unter den 
reichsgesetzlich zugelassenen Ausnahmen hiervon 
dieser Gewerbebetrieb nicht aufgeführt. Trotzdem 
werden im Hinblick auf § 6 Abs 2 der GewO 
(für Preußen bei ihrer allgemeinen Fassung auch 
§6 6 und 12 des G über die PolVerw vom Jahre 
1850 bezw. der V v. 20.9.667) die im Interesse der 
Viehzucht erlassenen polizeilichen Mindesttaxen 
als rechtsgültig angesehen werden müssen. Tat- 
sächlich hat das Kammergericht durch Urteil v. 4. 
2. 04 auch in diesem Sinne entschieden. (Bd 270 
76). 
In den andern deutschen Staaten hat das Kör- 
wesen, soweit es eine obrigkeitliche Regelung 
gefunden hat, diese auf dem Wege der Landes- 
gesetzgebung erhalten. 
85. Die bestehenden Körordnungen. 
I. Hengstkörordnungen. Die erste Körordnung 
wurde in Württemberg im Jahre 1687 erlassen. 
Preußen solgte 1787, Ostfriesland 1816, Bayern 
1818, Oldenburg 1819, Schlesien 1830, Rhein- 
land 1832 usw. Der Erlaß neuerer Körordnungen 
stammt aus dem letzten Jahrzehnt des vorigen 
Jahrhunderts. Aus den Einzelbestimmungen sei 
hervorgehoben, daß in Bayern, Baden, Mecklen- 
burg-Schwerin und Oldenburg sowie in den 
Provinzen Sachsen, Pommern und Schleswig- 
Holstein und in dem RegBezirk Aurich verlangt 
wird, daß die Hengste den bestehenden vom Staate 
gebilligten Zuchtrichtungen angehören müssen. 
In den übrigen Körordnungen findet sich die Be- 
stimmung, daß die Hengste dem in der Gegend 
vorhandenen Stutenmaterial angemessen sein 
müssen. 
Eine Verordnung über Hengstkörungen ist in 
Ostpreußen am 6. 11. 87 erlassen, erstreckt sich aber 
gegenwärtig nur auf 14 Kreise. In Westpreußen 
wurde das Körwesen 1879 geregelt und besteht 
in abgeänderter Weise seit dem 1. 8. 96, in Bran- 
denburg seit 1. 10. 91 und in Pommern seit 1880, 
abgeändert am 1. 7. 90. In Posen haben die 
beiden Reg Bezirke besondere V v. 1. 7. bezw. 
1. 8. 93. Schlesien v. 14. 7. 1830, Provinz Sach- 
sen v. 16. 6. bezw. 25. 9. 96 und 17. 8. 98. In 
Schleswig-Holstein gilt die neue Verordnung seit 
21. 5. 98, in der Provinz Hannover ausschließlich 
Aurich seit 1882 bezw. 1883. In Aurich ist die 
jetzt geltende Körordnung v. 20. 1. 99, Westfalen 
v. 27. 4. 99, Rheinprovinz von 1880, Bayern 
v. 1. 1. 82, Württemberg v. 25. 12. 75, 
Baden v. 9. 4. 80, Hessen v. 8. 3. 64, 
Mecklen burg-Schwerin v. 4. 12. 99, 
Sachsen-Weimar v. 16. 12. 86, Ol- 
denburg v. 9. 4. 97, Braunschweig 
v. 13. 3. 99. Hessen-Nassau und das Königreich 
Sachsen besitzen keine Körordnung. 
II. Stier-(Bullen)--Körordnungen. In- 
folge des geringeren Interesses der Staatsver- 
waltungen an der Richtung der Zucht bei Rind- 
vieh griffen Behörden viel später in die Stierhal- 
  
tung ein. Die älteste Körordnung findet sich in 
Nassau vom Jahre 1829. Sie blieb lange verein- 
zelt. 1858 folgte das Amt Hagen, Reg Bezirk 
Stade. In den letzten 20 Jahren hat die Ein- 
führung staatlicher Körungen bei Zuchtstieren be- 
deutend zugenommen. Während im Jahre 1896 
im deutschen Reiche 58 980 Stiere angekört waren, 
bezifferte sich die Zahl der angekörten Stiere im 
Jahre 1906 auf 111 495 Stück. In der jüngsten 
Zeit macht sich auch in Norddeutschland das Be- 
streben geltend, daß die Stiere der von der gesetz- 
lichen Vertretung der Landwirtschaft aufgestell- 
ten Zuchtrichtung (Rasse) entsprechen sollen. 
Ostpreußen und Westpreußen haben keine amt- 
liche Körordnungen, Brandenburg hat sie nur für 
eine Anzahl von Kreisen und in Pommern besteht 
sie nur in einem Kreis. In den Provinzen Posen, 
Schlesien, Sachsen, Schleswig-Holstein, Hanno- 
ver, Westfalen, Hessen-Nassau, Rheinprovinz und 
Hohenzollern ist die Körordnung allgemein ein- 
geführt. In Bayern ist das Körwesen durch 
Gfv. 1. 1. 89 geregelt. Im Königreich Sach- 
sen in Verbindung mit der Bildung von Zucht- 
genossenschaften durch G v. 19. 5. 86. In Würt- 
temberg durch G’v. 24. 4. 97, in Baden 
durch G v. 12. 5. 966, Hessen durch G v. 7. 8. 
01, Oldenburgpgov. 12.5.97, Elsaß-Loth- 
ringen v. p. 4. 78. Auch in den meisten kleine- 
Iunr deutschen Staaten sind Körvorschriften er- 
assen. 
III. Eberkörordnungen. Während man 
bei der Rindviehhaltung schon um der Gewinnung 
der Milch willen gezwungen ist, die Kühe be- 
decken und kalben zu lassen, ist die Schweinehal- 
tung nicht an die Zucht gebunden. Wir finden 
vielmehr, daß es nur einzelne Bezirke sind, welche 
sich durch besondere Produktion von Ferkeln aus- 
zeichnen. Die Einflußnahme auf die Eberhaltung 
durch Körordnungen ist daher auch viel weniger 
verbreitet als bei Pferden oder Rindvieh. Die 
älteste Körordnung verzeichnet das Amt Haselünne 
Reg Bezirk Osnabrück, vom Jahre 1865. 
Am ausgedehntesten ist die Körung von den 
preußischen Provinzen in Hannover durch- 
geführt, wo sie von 69 Kreisen in 34 Kreisen be- 
steht. Es folgt dann die Rheinprovinz. Die übri- 
gen Provinzen verzeichnen nur in vereinzelten 
Kreisen den Erlaß von Eberkörordnungen. In 
Baden, Hessen und Oldenburg ist die 
Eberhaltung gesetzlich geregelt. 
IV. Ziegenbockkörordnunnen sind 
erst wenig verbreitet. Wo sie aber eingeführt 
sind, beispielsweise in der Provinz Hannover in 
23 Kreisen, macht sich der auch bei den anderen 
Viehgattungen beobachtete günstige Einfluß auf 
die Zucht geltend. 
V. Schafbockkörordnungen. Das Be- 
dürfnis zur Ankörung von Schafböcken kann in der 
Regel deshalb nicht vorhanden sein, weil die 
Schafhaltung nur bei der Haltung in Herden 
rentabel ist. Eine Ausnahmo ist nur für den einen 
Fall vorhanden, in welchem das Schaf in der 
Hauptsache anderen Zwecken dient als der Woll- 
und Fleischnutzung, nämlich zur Milchgewinnung. 
Dies trifft im RegBezirk Aurich zu, wo das 
ostfriesische Milchschaf besonders von kleinen Leu- 
ten gehalten wird. Hier hat sich daher auch das 
Bedürfnis zur Einführung der Bockkörung geltend 
gemacht, und sie ist durch V v. 12. 8. 02 erfolgt.
	        
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