Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Beschlußverfahren 
  
....—..... 
unparteiischer Entscheidung dienen die folgenden 
Vorschriften: Wenn der Gegenstand der Ver- 
handlung einzelne Mitglieder der Behörde oder 
deren Verwandte und Verschwägerte in auf- und 
absteigender Linie oder bis zum dritten Grade der 
Seitenlinie betrifft, so dürfen sie an der Beratung 
und Abstimmung nicht teilnehmen. Ebenso wenig 
darf ein Mitglied bei der Beratung und Beschluß- 
fassung über solche Angelegenheiten mitwirken, 
in welchen es in anderer als öffentlicher Eigen- 
schaft ein Gutachten abgegeben hat oder als Ge- 
schäftsführer, Beauftragter oder in anderer als 
öffentlicher Stellung tätig gewesen ist. Wird in- 
folge des gleichzeitigen Ausscheidens mehrerer Mit- 
glieder die Behörde beschlußunfähig und kann die 
Beschlußunfähigkeit auch nicht durch Einberufung 
unbeteiligter Stellvertreter hergestellt werden, so 
wird von dem Reg Präsidenten, bezw. Oberprä- 
sidenten oder Min Inn, je nachdem es sich um 
einen Kreis-(Stadt-) Ausschuß, Bezirksausschuß 
oder Provinzialrat handelt, ein anderer Kreis- 
oder Stadtausschuß, Bezirksausschuß oder Pro- 
vinzialrat mit der Beschlußfassung beauftragt. Für 
den Stadtkreis Berlin (Isteht die Beauftragung 
anstelle des Reg Präsidenten dem Oberpräsidenten 
zu (3§ 115, 116 LV). 
Das badische Recht hat das Beschwerde- 
verfahren in den 88 28—43 der V v. 31. 8. 84, 
betr. das Verfahren in Verwaltungssachen, ge- 
regelt (GVBl 385 ff). Zur Entscheidung berufen 
sind die Bezirksräte, während die Ministerien in 
der Regel die letzte Instanz bilden, ausgenommen, 
wenn ein Ministerium zunächst entschieden hat; 
wenn es sich um Kränkung verfassungsmäßiger 
Rechte handelt — in diesen beiden Fällen kann die 
Beschwerde bis in das Staats Min verfolgt wer- 
den —; wenn eine untergeordnete Behörde durch 
Gesetze oder Verordnungen als letzte Instanz be- 
teiligt ist. Die Rekurse gegen Entscheidungen und 
Verfügungen der Bezirksämter und Bezirksräte 
gehen, vorbehaltlich der den Landeskommissären 
und dem VH zur Erledigung zugewiesenen Be- 
schwerden an das für den betreffenden Gegenstand 
zuständige Min. Insoweit den Landeskommissären 
ein selbständiges Verfügungsrecht für gewisse 
Verweschäfte eingeräumt ist, entscheidet über des- 
fallsigen Rekurs das zuständige Min (§8 36, 37 d. V). 
II. Neben dem ordentlichen B. nach Maßgabe 
des LVW# bestehen noch besondere in Enteignungs- 
sachen, in Vorflutsangelegenheiten und in Ge- 
werbeangelegenheiten (§8 17—24 und 49 GewO), 
die in nicht geringem Umfange von der Regelung 
in preußischem Rechte abweichen (vgl. auch § 113 
Zust G). 
Außer im preußischen und im badischen Rechte 
findet man ein besonderes B. nicht, wohl aber 
einerseits das besondere Rechtsmittel der Be- 
schwerdelss' für das teilweise Spezialregelungen 
vorgesehen sind, anderseits werden Beschlußsachen 
als streitige Sachen in das Verwtreitverfahren 
einbezogen. 
# 2. DTie örtliche und sachliche Zuständigkeit. 
Jene ist für das Verw Streitverfahren und das B. 
in Preußen gemeinsam geregelt. Zuständig 
in erster Instanz ist 1. in Angelegenheiten, welche 
sich auf Grundstücke bezichen, die Behörde der 
belegenen Sache; der sog. dingliche Gerichtsstand 
der ZPO #24 kommt nicht in Frage, weil eine 
Unterscheidung zwischen persönlichen und ding- 
  
lichen Ansprüchen auf dem Gebiete des öffent- 
lichen Rechts keine Bedeutung hat; 2. in allen 
sonstigen Fällen die Behörde desjenigen Bezirkes 
(Kreis, Reg Bezirk, Provinz), in welchem die 
Person wohnt, oder die Korporation bezw. öffent- 
liche Behörde ihren Sitz hat, auf deren Angelegen- 
heit sich die Beschlußfassung bezieht. Wenn die 
Korporation oder öffentliche Behörde ihren Sitz 
außerhalb ihres räumlichen Bezirks hat, ist die- 
jenige Behörde zuständig, welcher dieser Bezirk 
angehört (bezüglich des Kommunalverbandes der 
Provinz Brandenburg ist der Bezirksausschuß zu 
Potsdam zuständig). Sind die Grundstücke in 
mehreren Bezirken belegen oder ist zweifelhaft, 
zu welchem Bezirk sie gehören, so wird die zu- 
ständige Behörde durch den Reg Präsidenten, den 
Oberpräsidenten oder den Min Inn, je nachdem 
die betreffenden Bezirke demselben RegBezirk, 
derselben Provinz oder verschiedenen Reg Bezirken 
oder verschiedenen Provinzen angehören, end- 
gültig bestimmt. Ist bei einer Angelegenheit, 
welche zur Zuständigkeit des Kreis-(Stadt-) Aus- 
schusses gehört, die betreffende Korporation 
(Stadtgemeinde) als solche beteiligt, so wird für 
das B. von dem Reg Präsidenten (für Berlin von 
dem Oberpräsidenten) ein anderer Kreis-(Stadt-) 
Ausschuß mit der Beschlußfassung beauftragt 
(88 57—.59 LV0). 
Die sachliche Zuständigkeit ist im Zust G und in 
zahlreichen andern Gesetzen geregelt. 
In Baden ist in Sachen, welche vor die Be- 
zirksbehörden gehören, diejenige zur Entscheidung 
berufen, in deren Bezirk diese zu vollziehen oder 
das in Anspruch genommene Recht auszuüben ist. 
Sind mehrere Bezirksbehörden zuständig, so be- 
stimmt im Streitfalle das zuständige Min, welche 
zu entscheiden habe. Die von einer unzuständigen 
Bezirksbehörde erlassene Entscheidung kann, wenn 
sie vollzogen ist, wegen Unzuständigkeit der Be- 
hörde von den in der Sache aufgetretenen Privat- 
beteiligten nicht mehr angefochten werden. 
# 3. Die Arten des Verfahrens. Das B. setzt 
in Preußen grundsätzlich die mündliche Verhand- 
lung nicht voraus; die Beschlußbehörden fassen 
ihre Beschlüsse nach Maßgabe der verhandelten 
Akten, also nach schriftlichen Ausführungen der 
Parteien. Sofern das Gesetz nicht ausdrücklich 
mündliche Verhandlung vorschreibt, z. B. im + 21 
Gewy, so sind sie befugt, auch in andern als in 
den im Gesetz ausdrücklich bezeichneten Ange- 
legenheiten die Beteiligten, bezw. deren mit Voll- 
macht versehene Vertreter, behufs Aufklärung des 
Sachverhalts zur mündlichen Verhandlung vor- 
zuladen (§119 Abs 1 LVG). Trotz des von einer 
Partei gestellten Antrages auf Anberaumung der 
mündlichen Verhandlung bleibt deren Ansetzung 
dem Ermessen des Gerichts überlassen. Findet 
aber eine mündliche Verhandlung im B. statt, so 
sind die Vorschriften über Ladung, Anhörung der 
Parteien oder ihrer Vertreter, Oeffentlichkeit der 
Sitzungen und Sitzungspolizei, Ausbleiben der 
Parteien, Einreichung von Schriftsätzen, Abgabe 
von Erklärungen in der mündlichen Verhandlung, 
Abänderung der Anträge und Bevollmächtigung, 
Protokollierung usw. entsprechend dem Verfahren 
in Verwtreitsachen sinngemäß anzuwenden. 
Auch für die Zustellung finden die für das Verw- 
Streitverfahren geltenden Bestimmungen ent- 
sprechende Anwendung (Ss 119 Abs 3, 68, 71,
	        
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