Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Bestattungswesen (Friedhöfe) 
  
die Friedhöfe entweder im Eigentum der 
konfessionellen oder der politischen Gemeinde 
(vgl. für Bayern die Zusammenstellung im Kom- 
munalen Jahrbuch 1908 S 92). Nach ALR 
ist die Anlegung von Friedhöfen grund- 
sätzlich Sache der Kirchengemeinde. Wo Kom- 
munal-Friedhöfe angelegt werden — und es kann 
sich zu solcher Anlegung eine Verpflichtung ge- 
wohnheitsrechtlich herausbilden, wenn auch die 
Beschaffung durch die politischen Gemeinden 
möglichst beschränkt werden soll (vgl. Erl der Min 
der g. A. u. d. J. v. 30. 11. 32, 26. 7. 64 und 
22. 2. 70) —, hat die Verw Behörde vor der Ge- 
nehmigung sich mit den kirchlichen Behörden ins 
Einvernehmen zu setzen, damit die kirchlichen 
Interessen gewahrt bleiben. Auch die Anlegung, 
Verlegung und Erweiterung kirchlicher Friedhöfe 
bedarf der staatsaufsichtlichen Genehmigung. 
Die Unterhaltung der Kirchhöfe obliegt 
in erster Linie dem Eigentümer;: seltener sind 
andere Rechtssubjekte unterhaltspflichtig. (Vgl. 
z. B. für Bayern die interessante Zusammen- 
stellung im Kommunalen Jahrbuch 1908 S 9#2). 
In Elsaß-Lothringen sind die Kirchenfabriken zur 
laufenden Unterhaltung verpflichtet, hinter denen 
subsidiär die Gemeinden haften, welchen die An- 
lagen und Hauptausbesserungen so wie so obliegen. 
Für die Friedhöfe gilt der allgemeine straf- 
rechtliche Schutz des StEGB §§ 167 (vgl. 
dazu Rest 5, 258; 27, 296), 168, 304. Aus dem 
Eigentumsrecht folgt der Schutz gegen Hausfrie= 
densbruch (Ste,B + 123) und auch die Berechti- 
gung, Handlungen, die von der Kirche gemiß- 
billigt sind, zu untersagen. Dahin gehören Leichen- 
reden von Laien, die Bestimmung von Art und 
Maß der Mitwirkung von Kriegervereinen usw. 
Eine wichtige Beschränkung des Eigentums 
bildet das Simultaneum. Schon nach dem 
westfälischen Frieden darf Angehörigen einer an- 
deren christlichen Konfession das Begräbnis auf 
konfessionellen Friedhöfen nicht versagt werden, 
falls sie keinen eigenen Begräbnisplatz am Orte 
besitzen. So vgl. jetzt ALR lI, 11 §&189, was 
aber durch die Praxis auf alle Leichen ausge- 
dehnt wird. So schon die bayerische II. Verf- 
Beilage § 100. Wo der Friedhof simultan ist, darf 
von Staats wegen den Geistlichen des anderen 
Religionsteils die Amtierung nicht versagt werden, 
wenn dies auch dem katholischen Kirchenrecht 
widerspricht. In Preußen müssen die Geistlichen 
von nicht mit Korporationsrechten versehenen 
Religionsvereinen die Erlaubnis zur amtlichen 
Funktion, zu feierlicher Begleitung, Einsegnung 
und Leichenrede von dem Pfarrer der Eigen- 
tümer-Gemeinde einholen. Das gilt in Bayern 
für Nicht-Geistliche. 
Anders verhält es sich naturgemäß bei den 
Kommunalfriedhöfen, wie sie gesetzlich 
in Nassau, auf dem linken Rheinufer, im früheren 
Großherzogtum Berg usw. die Regel bilden, wenn 
diese Regel des französischen Rechts auch für die 
protestantischen Gemeinden und in neuerer Zeit 
auch für einzelne katholische Kirchengemeinden 
durchbrochen ist (Lüttgert, Ev. Kirchenrecht in 
Rheinland und Westfalen, 1905, 519). 
Was die Kommunalfriedhöfe anlangt, so hat 
natürlich ohne weiteres jeder Gemeindegenosse 
ein Anrecht auf Beerdigung. Das Reichsgericht 
(Zivils. 12, 280) hat eine Klage auf Gewährung 
  
  
einer Grabstelle anerkannt. Uebrigens können 
innerhalb des Kommunal-Friedhofs den einzelnen 
Konfessionen abgetrennte Plätze zugeteilt werden. 
So soll z. B. in Elsaß-Lothringen, wenn für die 
verschiedenen Bekenntnisgemeinden nur ein ein- 
ziger Friedhof vorhanden ist, dieser durch Mauern, 
Hecken usw. in entsprechend viele Abschnitte ein- 
geteilt werden. Wegen der kirchlichen Beteiligung 
an den Begräbnissen ist vielfach auch bei den Kom- 
munal-Friedhöfen den Kirchenbehörden ein Mit- 
aufsichtsrecht zugestanden worden. So in Preu- 
ßen. Wenn eine solche kirchliche Aufsicht nicht be- 
steht und auch keine besonderen lokalen Vorschrif- 
ten über die Grabreden vorliegen, fallen diese 
unter die allgemeinen Grundsätze über Reden und 
Versammlungen unter freiem Himmel, wie sie 
jetzt die 88 7 und 9 des Reichsvereinsgesetzes v. 
19. 4. 08 enthalten. 
Die Benutzung der Friedhöfe im einzelnen, 
die Errichtung von Denkmälern, die zu zahlenden 
Gebühren, die Dauer des Benutzungsrechtes usw. 
richten sich nach den Friedhofs-Ordnungen, wie 
sie für kirchliche Friedhöfe die Kirchengemeinden 
im Einvernehmen mit der Ortspolizeibehörde, 
und für kommunale Friedhöfe die Ortspolizei- 
behörden, nach Anhören der Konfessionsgemeinden 
erlassen (vgl. Kommunales Jahrbuch 1908 = 84ff). 
Das gilt insonderheit von den Erbbegräb- 
nissen. Auch die hier entstandenen Rechte, die im 
Zweifel kein Eigentum, sondern dingliche oder 
nur obligatorische Nutzungsrechte eigener Art sind, 
werden in ihrem Inhalt durch die Friedhofs- 
Ordnungen, vielfach auch durch Herkommen und 
unvordenkliche Verjährung, bestimmt. Das Lan- 
desrecht ist hier durch EG z. BGB a 133 vorbe- 
halten worden. 
3. Die Stellung der Kirche zum Bestattungs- 
wesen. Wenn somit die Kirche in vielen Beziehun- 
gen, aus sanitäts-polizeilichen, aus interkonfessio- 
nellen, aus sonstigen öffentlichen Gründen durch 
den Staat im Begräbnisrecht beeinflußt wird, so 
ist sie vollkommen frei geblieben in der liturgischen 
Ausgestaltung des Begräbnisaktes. Denn wenn 
auch die Ueberlieferung des toten Körpers zur 
Vernichtung an die Erde als ein rein physisch- 
weltlicher Vorgang zu betrachten ist, so hat ihn doch 
die fromme christliche Sitte der kirchlichen Für- 
sorge unterstellt. 
Die beiden großen christlichen Kirchen gehen 
hier in ihren Anschauungen auseinander. Die 
katholische Kirche betätigt auch eine Fürsorge für 
die Seelen der Verstorbenen. Sie beteiligt sich 
daher durch besondere Gebete für die Seelen der 
Verstorbenen (Totenvigilien), durch besondere für 
die Scelen der Abgeschiedenen gelesene Messen, 
durch Grabgeleite, Leichenrede und Trauer- 
feier (Exequiae), welch letztere eine bestimmte 
Zeit nach dem Tode und am Jahrestage des To- 
des gehalten werden. Das kirchliche Strafrecht 
enthält als eine Kirchenstrafe das unehrliche Be- 
gräbnis. Die Kirche kann heute nicht mehr den. 
Toten aus dem Friedhof ganz hinausweisen oder 
ihm einen verächtlichen Platz z. B. an der Kirch- 
hofsmauer anweisen; sie kann nur ihre Beteili- 
gung am Begräbnis versagen, und das tut sie 
Nicht-Christen, insbesondere ungetauften Kindern 
gegenüber, ferner bei zurechnungsfähigen Selbst- 
mördern, excommunicati vitandi, öffentlichen 
Wucherern, Räubern, Zerstörern von Kirchen,
	        
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