Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Börse 
  
Rechenschaftslegung im Falle des Selbsteintritts 
auf den Nachweis beschränkt ist, daß bei dem be- 
rechneten Preise der zur Zeit der Ausführung der 
Kommission bestehende B. Preis eingehalten ist 
und als Zeit der Ausführung der Zeitpunkt gilt, 
in welchem der Kommissionär die Anzeige von der 
Ausführung an den Kommittenten abgegeben 
hat. Der Kommissionär ist also gar nicht genötigt, 
überhaupt ein Ausführungsgeschäft an der B. 
vorzunehmen; er kann die Erledigung des Kom- 
missionsauftrages auch durch Kompensierung mit 
einem entsprechenden Kommissionsauftrage eines 
anderen Kommittenten oder durch Abschluß mit 
einem Dritten außerhalb der B. oder endlich da- 
durch, daß er tatsächlich selbst der Gegenkontrahent 
seines Kommittenten bleibt, bewirken. Alle diese 
Arten gelten nach § 400 HG B als Ausführung der 
Kommission, wenn nur der maßgebliche B. Preis 
berechnet wird. Man wird daher alle diese Ge- 
schäfte, die in dem zuletzt erwähnten Falle auf 
das einzige zwischen Kommittenten und Kommis- 
sionär im Bureau oder durch Korrespondenz ab- 
geschlossene Kaufgeschäft zusammenschrumpfen, 
als B. Geschäfte gelten lassen müssen. 
Aus den angeführten rechtlichen und tatsäch- 
lichen Gesichtspunkten ergibt sich der Begriff des 
Börsengeschäfts im eigentlichen Sinne 
dahin, daß es ein Kaufgeschäft in zum B. Handel 
zugelassenen Waren oder Wertpapieren ist, wel- 
chem die allgemein üblichen Bedingungen und 
ein B. Preis zu Grunde gelegt wird, ohne daß es 
darauf ankommt, ob das Geschäft an der B. oder 
außerhalb der B. abgeschlossen wird. 
§s 6. Börsentermingeschäft. Eine besondere 
gesetzliche Regelung hat in Deutschland das B.Ter- 
mingeschäft erfahren. Die Bezeichnung B.Ter- 
mingeschäft für gewisse B. Geschäfte ist erst durch 
das Reichs BG v. 22. 6. 96 eingeführt worden. 
Daß der auf dem gewöhnlichen Lieferungsgeschäft 
aufgebaute Zeithandel in der Form schablonen- 
haft gleichmäßiger Geschäfte auf dieselbe Er- 
füllungszeit, zu denselben Bedingungen und über 
dieselben Mengen zur Beteiligung von Speku- 
lanten führte, denen es nicht auf Lieferung und 
Abnahme der Waren oder Wertpapiere zur Er- 
füllungszeit, sondern lediglich auf die zur Er- 
füllungszeit vorzunehmende Abrechnung der Diffe- 
renz zwischen dem Einkaufs= und dem Verkaufs- 
Preise der beiden ihrerseits abgeschlossenen Ge- 
schäfte (Einkaufsgeschäft mit folgendem Reali- 
sationsgeschäft oder Verkaufsgeschäft mit folgen- 
dem Deckungsgeschäft) ankam, war wohl so lange 
schon bekannt, als es B. gegeben hat. Wenn dann 
durch das Hinzutreten besonderer politischer oder 
wirtschaftlicher Umstände die Differenzen außer- 
ordentliche Höhen erreichten und dadurch zu 
Wirtschaftskrisen und Beeinflussungen des Wirt- 
schaftslebens auch der nicht unmittelbar beteilig- 
ten Kreise führten, schritten die Regierungen durch 
Verbote ein. So untersagte die preußische Re- 
gierung am 19. 1. 36 alle Zeitgeschäfte in spani- 
schen Anleihen; am 13. 5. 40 erklärte sie alle Zeit- 
geschäfte in ausländischen Wertpapieren für 
ungültig. Diese Verbote wurden im März 1860 
wieder aufgehoben. Nach dem schärferen Einsetzen 
der agrarischen Bewegung und dem Zusammen- 
bruch bedeutender inländischer Bankhäuser wurde 
eine Börsen = Enquete veranlaßt, die nach 
1 mjährigen Verhandlungen und Beratungen am 
  
  
11. 11. 93 ihren Schlußbericht erstattete, in wel- 
chem dem börsenmäßigen Zeithandel ein brei- 
ter Raum gewährt wurde. In dem daraufhin 
Ende 1895 dem RT vorgelegten Gesetzentwurf 
wurden die B.Termingeschäfte in einem besonde- 
ren Abschnitt unter der Ueberschrift Börsentermin- 
handel gesetzlichen Beschränkungen unterworfen. 
Die verbündeten Regierungen verkannten zwar 
nicht, daß Ausartungen der Spekulation auch in 
anderen Geschäftsformen möglich seien, wollten 
aber zunächst nur die Form des B.Termingeschäfts 
durch die Beschränkungen treffen (Motive 46). 
Als Grundlage gab der Entwurf eine Feststellung 
des Begriffs der B.Termingeschäfte dahin, daß 
als solche gelten sollen Kauf= oder sonstige An- 
schaffungsgeschäfte in Waren oder Wertpapieren 
auf eine festbestimmte Lieferungszeit oder mit 
einer festbestimmten Lieferungsfrist, wenn sie 
nach Geschäftsbedingungen geschlossen werden, 
die von dem B. Vorstande für den Terminhandel 
festgesetzt sind, und wenn für die an der betreffen- 
den B. geschlossenen Geschäfte solcher Art eine 
amtliche Feststellung von Terminpreisen erfolgt. 
Diese Begriffsbestimmung war lediglich den ge- 
rade damals an den deutschen B. bestehenden 
tatsächlichen Zuständen angepaßt und entnommen. 
An den Fondsbörsen, an welchen ein Zeithandel 
in gewissen Wertpapieren stattfand, wurden diese 
Geschäfte nach gleichmäßigen Bedingungen mit 
Festsetzung der Lieferung und Abnahme auf den 
letzten Tag des Abschlußmonats (ultimo) ge- 
schlossen und neben den Kursen für die gewöhn- 
lichen, am nächsten Tage zu erfüllenden Geschäfte 
(Kassakurse) die Kurse für solche Ultimogeschäfte 
(Ultimokurse) amtlich festgestellt. Ebenso erfolgte 
an den Produkten B., an welchen ein Zeithandel 
in gewissen Waren stattfand, neben der Feststellung 
der Preise für die gewöhnlichen, am nächsten 
Tage zu erfüllenden Geschäfte (Lokopreise), eine 
solche für die auf gewisse spätere Monate (die 
sog. Termine) abgeschlossenen Geschäfte, deren 
Erfüllung nach Wahl des Verkäufers an irgend 
einem B.Tage des Lieferungsmonats nach vor- 
heriger Ankündigung an den Käufer zu erfolgen 
hatte (Terminpreise). Alle diese bestehenden Ein- 
richtungen und Gepflogenheiten suchte die gesetz- 
liche Definition zu umfassen. Dabei war aber 
übersehen, daß die vorhandenen Festsetzungen 
der Geschäftsbedingungen durch die B. Vorstände 
keine begriffsmäßig notwendigen Voraussetzungen 
des Zeithandels in Waren oder Wertpapieren 
waren, daß vielmehr diese Geschäftsform sich frei 
entwickelt hatte und die B. Vorstände sie nur nach- 
träglich in Zusammenstellungen von Geschäfts- 
bedingungen (Usancen) kodifiziert hatten ohne 
jeglichen Zwang, so daß also der Verkehr durch 
Handelsgebrauch auch andere Bedingungen schaf- 
f#een konnte. Als daher infolge der Beschlüsse des 
R in das Reichs B v. 22. 6. 96 neben den Be- 
schränkungen des B. Terminhandels auch Verbote 
desselben für Anteile von Bergwerks= und Fabrik- 
unternehmungen und für Getreide- und Mühlen- 
fabrikate aufgenommen wurden (§ 50), ent- 
wickelte sich alsbald für Zeitgeschäfte in diesen 
Wertpapieren und Waren ein Handel nach ab- 
weichenden Geschäftsbedingungen. Aber auch 
für diejenigen Wertpapiere und Waren, in denen 
der B.Terminhandel durch das Gesetz nicht unter- 
sagt war, wurden abweichende Geschäftsbedingun- 
 
	        
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