458 Die öserreichischungarische Moenarchie. (März 2.)
vernehmen mit Rußland sei jedoch, daß Rußland bei jeder Gelegenheit
und in bestimmtester Weise der anläßlich der Annexion Bosniens ab-
gegebenen Erklärung, daß Oesterreich-Ungarn keine territoriale Ausdehnung
auf dem Balkan anstrebe, vollen Glauben schenke. Das deutschöster-
reichische Bündnis entspreche dem Herzensbedürfnis aller Deutschen
Oesterreichs (Bravo), aber auch dem legitimen Interesse aller Nichtdeutschen.
Zerstören Sie das Bündnis mit Deutschland, so gefährden Sie nicht bloß
die Deutschen Oesterreichs, sondern auch die Existenz aller anderen kleineren
Nationalitäten in Oesterreich, darum ist das Bündnis mit Deutschland
trotz aller Ränke gewisser diplomatischer Kanzleien Europas der beste Kern
im Mittelpunkt des mitteleuropäischen Staatensystems, an dem festzuhalten
unsere patriotische Pflicht ist. Seit 30 Jahren besteht dieses Bündnis; es
hat niemandem geschadet, es hat beiden Teilen wesentlich genützt. Wenn
in Italien eine ruhigere Auffassung der Dinge Platz greifen wird, wird
auch die öffentliche Meinung in Italien dahin kommen, der korrekten
Haltung seiner eigenen offiziellen Welt zuzustimmen, daß das Festhalten
am Dreibunde im wohlberstandenen Interesse Italiens liegt. (Beifall.)
Graf Pininski erklärt gleichfalls, die Besserung des Verhältnisses
zu Rußland, sowie freundschaftliche Annäherung an England wären
wünschenswert, jedoch nicht aus Herzensbedürfnis, sondern aus politischen
Gründen im Interesse der Friedenshaltung und ruhigen Entwicklung der
Verhältnisse auf dem Balkan.
2. März. (Cisleithanien.) Abgeordnetenhaus. Regierungs-
programm und Slaven.
In der ersten Lesung des Budgets betonte Ministerpräsident
Freiherr v. Bienerth zunächst die dringende Notwendigkeit, die staatliche
Finanzgebarung auf die Grundlage eines endgültigen Votanschlages zu
stellen. Hinsichtlich der Absichten und der Ziele der Regierung für die
nächste Zukunft betonte der Ministerpräsident, die Regierung werde, fest-
haltend an den wiederholt dargelegten Grundsätzen, weiterhin angelegentlich
bemüht sein, die nationalen Gegensätze abzuschwächen durch positive
gesetzgeberische Maßnahmen sowie durch eine unparteiische, die berechtigten
Ansprüche aller Volksstämme achtende und jedem einseitigen Parteieinfluß
entzogene Verwaltung. Sie werde ihr Bestes tun, um die freundlicheren
Aussichten zu erhalten und vermehren, die sich in dem nationalen
Widerstreite in Böhmen gezeigt hätten, wo sachliche Gesichtspunkte in
den Vordergrund zu treten begännen, und sie erachte auch den mit seltener
Einmütigkeit eingesetzten nationalen Ausschuß des Abgeordnetenhauses für
geeignet, durch nutzbringende Verwertung des ihm vorliegenden reichlichen
Arbeitsmaterials und insbesondere der keineswegs unabänderlichen nationalen
Regierungsvorlagen die Voraussetzungen für eine dauernde und ungestörte
Tätigkeit in den parlamentarischen Körperschaften zu schaffen. In Bezug
auf die organisatorischen Aufgaben des Hauses wies der Ministerpräsident
hin auf das Problem der Alters= und Invaliditätsversicherung
sowie auf die Notwendigkeit, die Budgetkrise durch Vermehrung der Ein-
nahmen und durch Ersparungen dauernd zu beseitigen. Insbesondere
werde eine entsprechende Umgestaltung der Staatsbahnverwaltung durch-
geführt werden müssen. Hierbei behalte sich die Regierung vor, auf die
wiederholt aufgetauchte Idee der Einsetzung einer kaiserlichen Kommission
zurückzukommen. Der Ministerpräsident hob weiter die Vorlage über die
italienische Rechtsfakultät hervor, durch die ein unerquicklicher Schwebe-
zustand beseitigt werden solle, ferner die Vorlage über den dalmatinischen
und südamerikanischen Schiffahrtsdienst, sowie die Notwendigkeit der