Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
  
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Braunschweig (Landesfürst) 
  
besserungen wurden nach Abwerfung der Fremd- 
herrschaft großenteils (mit Ausnahme namentlich 
der Abschaffung der Patrimonialgerichtsbarkeit) 
wieder beseitigt. Während der Minderzährigkeit 
des Herzogs Karl II. vereinbarte die vormund- 
schaftliche Regierung des Prinzregenten, nachmali- 
gen Königs Georg IV. von England, mit den in ihrer 
alten Zusammensetzung nochmals einberufenen 
Landständen eine „erneuerte Landschaftsordnung“ 
(vom 25. 4. 1820), welche die bisher getrennt 
gebliebenen Landschaften des Herzogtums und 
des Fürstentums Blankenburg in einer Ver- 
sammlung vereinigte, an die Stelle der bisherigen 
3 Kurien unter Erhöhung der Zahl der landtags- 
fähigen Güter 2 an Rechten und Ansehen gleiche 
Sektionen setzte und die Befugnisse der Stände 
in mehrfachen Hinsichten über das in den Privi- 
legien von 1770 verbriefte Maß hinaus erweiterte. 
Allein erst, nachdem infolge der Vertreibung des 
Herzogs Karl (1830) dessen jüngerer Bruder, der 
Herzog Wilhelm, die Regierung übernommen 
hatte, erhielt das Land eine den Forderungen der 
neueren Zeit durchweg entsprechendes, umfassen- 
des StG#G, die Neue Landschaftsordnung 
v. 12. 10. 1832, gleichzeitig mit dem Erlaß eines 
Wahlgesetzes und einer Reihe organisatorischer 
Gesetze, die für die Landesverwaltung verschiedene 
neue Behörden einsetzten und deren Wirkungs- 
kreis eingehend regelten. Die Bewegung des Jahrs 
1848 führte zunächst auf dem Gebiet des Ver- 
fassungsrechts zu zwei, ausdrücklich nur provi- 
sorisch erlassenen Gesetzen über Aenderungen 
in der Zusammensetzung des Landtages und (un- 
ter teilweiser Zulassung allgemeiner direkter Wah- 
len) im Wahlrecht, in der Folge auch zu durch- 
greifenden Neuerungen in Justiz (GVG auf der 
Grundlage völliger Trennung von Justiz und Ver- 
waltung, Zivil-und Strafprozeßordnung mit 
öffentlich-mündlichem Verfahren, Geschworenen- 
gerichte) und Verwaltung (Erlaß einer neuen StO 
und einer LGO, Aenderungen in der Organisa- 
tion der Landesverwaltungsbehörden, Einführung 
der Grundsteuer u. a.). Die erwähnten beiden pro- 
visorischen Gesetze wurden bald hernach durch Gv. 
22. und 23. 11. 1851 ersetzt. Seit dieser Zeit hat 
die NLO Aenderungen von Erheblichkeit eigentlich 
nur in Betreff der Zusammensetzung des Land- 
tages (G. v. 6. 5. 1899, daneben etwa G wegen 
Abkürzung der Finanzperioden v. 26. 3. 1888), 
eine namhafte Ergänzung dagegen durch das 
„Regentschaftsgesetz“ v. 16. 2. 1879 erfahren. 
Auf Grund eben dieses G ist nach dem „unbe- 
erbten“ Ableben des Herzogs Wilhelm, des Letzten 
der älteren Linie des welfischen Hauses und nach- 
dem der Bundesratsbeschluß v. 2.7. 1885 die Ueber 
nahme der Regierung durch den erbberechtigten 
Thronfolger, Herzog Ernst August von Cumber- 
land wegen seines „dem reichsverfassungsmäßig ge- 
währleisteten Frieden unter Bundesgliedern wider- 
streitenden“" Verhältnisses zu Preußen, sowie we- 
gen der Aufrechterhaltung der Ausprüche seines 
Hauses auf Hannover für unzulässig erklärt hatte, 
zunächst (21. 10.85) der Prinz Albrecht von Preu- 
ßen, nach dessen Tode aber infolge eines Bundes- 
ratserachtens verschärften Inhalts (v. 28. 2. 1907) 
der Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg zum 
Regenten des Herzogtums von der Landesver- 
sammlung erwählt worden (28. 5. 1907). 
# 2. Der Landesfürst. I. Dessen rechtliche 
  
Stellung und vermögensrechtliche Ausstat- 
tung. — Der Landesfürst vereinigt in sich die ge- 
samte ungeteilte Staatsgewalt, die er in ver- 
fassungsmäßiger Weise auszuüben hat (Rever- 
salen darüber bei dem Regierungsantritt auszu- 
stellen !) und vertritt den Staat in allen Bezie- 
hungen zum Deutschen Reich und anderen Staaten. 
Die mit seiner Unterschrift erlassenen Verfügungen 
in Landesangelegenheiten sind nur vollziehbar, 
wenn mit der Kontrasignatur eines stimmführen- 
den Mitgliedes des Staatsministeriums versehen. 
Die Ausübung der Militärhoheitsrechte ist nach 
Maßgabe der Konvention vom 9./18. 3. 86 dem 
König von Preußen übertragen. Der Landes- 
fürst verleiht Titel, Rang, Würden, Privilegien, 
Standeserhöhungen, Ehrenzeichen und kann in 
Einzelfällen von gesetzlichen Vorschriften dispen- 
sieren (sofern dabei Rechte dritter Personen in 
Frage kommen, nur mit Zustimmung der Betei- 
ligten). Der Sitz der Reg darf nur in dringenden 
Notfällen außer Landes verlegt werden. Der Be- 
darf des Landesfürsten und seines Hauses (dar- 
unter Besoldungen und Pensionen der Hofbe- 
amten, Instandhaltung der Hofhaltungsgrund- 
stücke, Kosten des Marstalls, des Hoftheaters, der 
Hofkapelle) haftet in einer zunächst (Finanzneben- 
vertrag v. 18. 10. 32) auf 237000 Taler festge- 
setzten, späterhin (LA von 1874) um 30000 Taler 
erhöhten Summe auf dem Reinertrag des Kam- 
merguts. Daneben bleiben der Hofhaltung vor- 
behalten die Herzogl. Schlösser, Gärten, Hofge- 
bäude, Anlagen, Inventarien, sowie gewisse Ge- 
fälle und Naturallieferungen. 
II. TUhronfolgeordnung und Re- 
gentschaft. Die Regierungsform des Herzog- 
tums ist die erblich monarchische. Die Reg wird 
vererbt im Fürstl. Gesamthause B.-Lüneburg nach 
der Linealfolge und dem Recht der Erstgeburt und 
zwar zunächst im Mannesstamm aus rechtmäßiger, 
ebenbürtiger, hausgesetzlicher Ehe. Erlischt der 
Mannesstamm des Gesamthauses, so geht die Reg 
auf die weibliche Linie „nach gleichen Grund- 
sätzen“ über (NLO #F14). Die inneren Verhältnisse 
des Herzogl. Hauses ordnet der Landesfürst durch 
Hausgesetze, die zwar der ständischen Zustimmung 
nicht unterliegen, aber auch das Landesgrundgesetz 
nicht abändern dürfen. — Eine Regentschaft 
tritt ein: 1) nach der NLO wenn der Landesfürst, 
der mit vollendetem 18. Jahr volljährig wird, 
noch minderjährig ist („Regierungsvormundschaft"“). 
Die Regentschaft gebührt, sofern der Landesfürst 
für den minderjährigen Nachfolger nicht selbst 
„den Vormund bestellt“ hat, den volljährigen regie- 
rungsfähigen Agnaten nach der Gradesnähe, dann 
der Mutter und darauf der Großmutter des 
Minderjährigen väterlicherseits, jener wie dieser 
unter der Voraussetzung, daß sie im Witwenstand 
verblieben sind. Im äußersten Fall hat die Stände- 
versammlung auf Vorschlag des Staats Min den 
Vormund aus den „volljährigen, nicht regierenden 
Prinzen der zum deutschen Bunde gehörenden 
Fürstenhäuser“ zu wählen (NLO § 16—19). 
2) Nach dem G v. 16. 2. 79 Nr. 3 (die proviso- 
rische Ordnung der Regierungsverhältnisse bei 
einer Toronerledigung betreffend), dem sog. Re- 
gentschaftsgesetze, zur Sicherung der verfassungs- 
mäßigen Verwaltung des Herzogtums gegen 
Störungen in Fällen, wo „der vollberechtigte 
Thronfolger am sofortigen Regierungsantritte
	        
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