Braunschweig (Selbstverwaltung)
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der Gemeinderat oder selbst der Kreisausschuß in
Gemeindeangelegenheiten die pflichtmäßige Dienst-
leistung, so gehen die Befugnisse des Gemeinderats
auf den Kreisausschuß über, während die des
Kreisausschusses vom Staats Min, Abt. des In-
nern, oder nach dessen Anweisung von der Kreis-
direktion ausgeübt und die Geschäfte des Ge-
meindevorstehers auf dessen Kosten nach Anord-
nung der Staatsbehörde kommissarisch besorgt
werden.
kre II. Die Kreiskommunalverbände.
Im Anschluß an die Einteilung des Herzogtums
in sechs Verwaltungskreise, aber unter Zerlegung
des einen derselben (B.) in mehrere Einzelver-
bände hat die Kr O v. 5. 6. 71 (Abänderungs G
v. 6. 4. 92, 10. 12. 00, 9. 4. 06 u. 16. 3. 08) acht
Selbstverwaltungsbezirke höherer Ordnung ge-
schaffen, ausgestattet mit dem Recht der Statutar-
autonomie und zuständig für alle Angelegenheiten,
welche in jenem Gesetz als „Kreiskommunalange-
legenheiten“ bezeichnet sind, oder welche, nicht
verfassungsmäßig der Zuständigkeit der Landes-
versammlung unterliegend, die Interessen alles
oder eines größeren Teils der Gemeinden der
Kreises bezw. der Kreisangehörigen berührend
und das allgemeine Wohl betreffend, durch einen
vom Staat Min bestätigten Beschluß der Kreisver-
sammlung für Kreiskommunalangelegenheiten er-
klärt werden (KrO § 6). Das Grundvermögen
dieser „Kreiskommunalverbände" bilden die Kreis-
fonds zu insgesamt 15 Millionen Mk., verteilt
unter die einzelnen Verbände nach Kopfzahl der
staatsangehörigen Bevölkerung und bestimmt (G
v. 15. 6. 71 Nr. 36) zur Herstellung und Erhaltung
gemeinnütziger Einrichtungen, wie Bildungsanstal-
ten, Kranken-, Armen-, Waisenhäuser u. dergl.,
sowie zur Tragung der Kreislasten (darunter außer
den Verw Kosten namentlich: Wegebauten, Unter-
stützungen der Gemeinden rücksichtlich der Schul-
und Armenlasten, Beihilfen für Auswandernde,
Unterbringung Kranker oder Schwachsinniger in
Heil- und Pflegeanstalten). Bei Unzulänglichkeit
der Erträge der Kreisfonds und sonstiger den
Kreisverbänden überwiesener Einkünfte (Abgaben
bei gewissen gerichtlichen Verhandlungen, Jagd-
scheingebühren, Strafgelder) werden Kreisabgaben
erhoben (mit Ausnahme der Wegebaukosten nach
Verhältnis der staatlichen Einkommen-, Grund-
und Gewerbesteuer — G v. 10. 12. 00). — Die
Organe der Kreiskommunalverbände sind die
Kreisversammlung und „der Kreisausschuß. Die
Kreisversammlungen bestehen — ab-
gesehen vom Kreisverbande Stadt B., in welchem
die Geschäfte der Kreisorgane von den städtischen
Behörden wahrgenommen werden — je nach der
Einwohnerzahl der Kreise aus 9 bis 27 Mitgliedern,
von denen die Mehrzahl seitens der Landgemein-
den (durch den Gemeindevertretungen entnom-
mene, für jeden Amtsbezirk einen eigenen Wahl-
körper bildende Wahlmänner), der Rest teils von
den Städten (durch die vereinigte Versammlung
von Stadtmagistrat und Stadtverordneten), teils
von den hochstbesteuerten Grundbesitzern und
Gewerbetreibenden gewählt wird. Daneben er-
neunt für jede Kreisversammlung mit Ausnahme
der des Kreisverbandes Thedinghausen die Kam-
mer (s. oben #4, III 2 A) 2 Mitglieder wegen der
Teilnahme der im Domanial- und Privatbesitz
befindlichen Gemarkungen und Forsten an den
Rechten und Lasten des Kreises, sowie zur Wahr-
nehmung der Interessen des Kammer- und Klo-
sterguts. Die Wahlen gelten für 6 Jahre. Alle
3 Jahre scheidet die Hälfte der Gewählten aus.
Die Aemter sind Ehrenämter; für Ablehnung und
Niederlegung eines derselben wie für Ausschließung
von einem solchen gelten die für die Gemeinde-
ämter gegebenen Bestimmungen. Die — regel-
mäßig öffentlichen — Sitzungen der Kreisver-
sammlungen (Kreistage) sollen im April und
Oktober jährlich stattfinden und können auf
Antrag des Kreisausschusses oder einer bestimm-
ten Mitgliederzahl sonst nach Bedarf anberaumt
werden. Der Vorsitzende wird aus den Mitglie-
dern gewählt, der Vertreter der Staatsbehörde
nimmt mit beratender Stimme teil. Errichtung
und Aenderung von Kreisstatuten, Aufnahme von
Anleihen, Veräußerungen von Grund= oder Ka-
pitalvermögen des Kreises bedürfen einer Mehr-
heit von ½ der Abstimmenden. Den Kreis-
ausschuß bilden 4 bis 7 von der Kreisver-
sammlung aus ihrer Mitte zu wählende Mitglie-
der unter Vorsitz des (nur bei Stimmengleichheit
mitabstimmenden) Vertreters der Staatsbehörde,
welcher den Kreisausschuß auch nach außen zu
vertreten hat. Im übrigen ist in allen Kreiskom-
munalangelegenheiten die Kreisversammlung die
berufene Vertretung des Kreises; der Kreisaus-
schuß bereitet ihre Beschlüsse, soweit erforderlich,
vor und bringt sie zur Ausführung. Namentlich
liegt der Kreisversammlung ob die Feststellung
des Kreishaushaltsetats, Verteilung der Wege-
baulast, Entscheidung über Beschwerden der Ge-
meinden und Gemarkungen wegen Ueberbür-
dung mit Kreisabgaben, Beschlußfassung über
statutarische Anordnungen, Anstellung von Kreis-
beamten (Rechnungsführer, Wegebeamte, Kreis-
branddirektor). Gegen ihre Entscheidungen ist
Verwaltungsklage zulässig, wenn sie betreffen die
Unterverteilung der Kreisabgaben, Wahlberech-
tigung und Wählbarkeit zu Kreisämtern, die
Wahllisten, Ablehnung oder Niederlegung eines
Kreisamts, Ausschließung von einem noschen,
Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und
Anstalten des Kreises (Verwaltungsrechtspflege G
v. 5. 3. 95 §+ 48 à—f, G v. 29. 6. 99 8 24 u. a.).
Die „Staatsbehörde“ (Kreisdirektion) hat das
Recht und die Pflicht, die Ausführung ungesetz-
licher oder dem Gemeinwohl widerstreitender Be-
schlüsse der Kreisversammlung, des Kreisaus-
schusses, etwaiger Kommissionen und Deputatio-
nen zu untersagen. In solchen Fällen kann wieder
Klage vor dem VGH erhoben werden. Die eigent-
liche Aufsichtsbehörde ist das Staats Min. Der
Genehmigung desselben bedürfen alle Beschlüsse
über Feststellung des Kreishaushaltsetats, über
Abweichungen vom allgemeinen Abgabenver-
teilungsmaßstab zu Gunsten oder zu Lasten ein-
zelner Kreisteile, über Veräußerungen von Grund-
oder Kapitalvermögen (abgesehen von Ersparnissen
der letzten 5 Jahre), über Aufnahme von Anleihen
oder Uebernahme von Bürgschaften und über Er-
richtung von Kreisstatuten und polizeilichen Reg-
ements.
Literatur: Otto, Staatsrecht des Herzogtums
B. in Marquardsens H des öffentl. Rechts Bd. 8, Halb-
band 2, Abt. 11 Rhamm, Staatsrecht des Herzogtums
Braunschweig, 1908 (z. T. nach Otto); v. Franken-