Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

ohne Befugnis zum direkten Eingreifen. Ein Aus- 
fluß der prinzipiellen Gleichstellung von Senat 
und Bürgerschaft ist die Bestimmung, daß in den 
verwaltenden Deputationen ein Beschluß nicht 
zustande kommt, wenn deren sämtliche senatorische 
oder bürgerschaftliche Mitglieder sich in der Min- 
derheit befinden (G die Deput. betr. & 18). Die 
Mitgliederzahl der Deputationen ist verschieden 
nach dem Umfang der Geschäfte; die Zahl der 
Senatoren darf in der Regel nicht mehr als die 
Hälfte der bürgerschaftlichen Mitglieder aus- 
machen (Dep.G #5 5). Vorsitzender ist ein Senator, 
der die Geschäfte leitet und die Behörde vertritt; 
die Rechnungsführung, soweit solche erforderlich 
ist, besorgt ein bürgerschaftliches Mitglied (Dep.G 
8 11ff). Bei Meinungsverschieden- 
heiten zwischen Senatund Bürger- 
schaft sieht das Gesetz zunächst Einsetzung einer 
Deputation vor, die Vermittlungsvorschläge zu 
machen hat; gelingt die Einigung auch dann nicht, 
so entscheidet bei Konflikten über die Auslegung 
der Verfassung oder eines Gesetzes oder über die 
Frage, ob eine im Verw Wege erlassene Pol Ver- 
ordnung in das Gebiet der Gesetzgebung gehöre, 
das hanseatische Oberlandesgericht; bei sonstigen 
Konflikten — also solchen politischer Natur — 
sehlt eine Entscheidungsinstanz, nur eine Ver- 
ständigung bleibt übrig (Verf s 66 und Ergän- 
zungsgesetz IV). 
7. Kommunalverbände. Als solche sind 
selbständig organisiert: 1. die beiden Hafenstädte 
Begesack und Bremerhaven; 2. die 15 Landge- 
meinden; 3. als höherer Kommunalverband über 
den letzteren das Landgebiet als Landkreis. Die 
Verfassung der Hafenstädte — G v. 18. 9. 79 — 
nahm den preußischen Entw einer St O von 1876 
zum Muster; darnach haben die Stadtgemeinden 
2 Organe: die Stadtverordnetenversammlung 
und den Stadtrat. Die Verwaltung der Häfen 
und Eisenbahnen ist in beiden Hafenstädten staat- 
lich. Auch die Verfassung der Landgemeinden 
— L v. 28. 7. 88 — schließt sich preußischem 
Muster an. Ebenso hat die Kreisverfassung des 
Landgebietes — G v. 23. 6. 78 — ihr Vorbild 
in der preußischen Kreisverfassung. 
Auch die Stadt B. wird in der Verfassung als 
besondere Gemeinde im Staate anerkannt (58 75); 
ihre Organe sind der Senat und die Stadtbürger- 
schaft, d. h. diejenigen Bürgerschaftsmitglieder, 
welche von den stadtbremischen Wählern gewählt 
und Angehörige der Stadtgemeinde sind. Ihre 
Verfassung ist darnach nur eine Modifikation der 
Stantsvenoosung. Eine Trennung von Staat und 
Stadt B. besteht vor allem auch sachlich nach der 
finanziellen Seite hin nicht. In der Stadt B. 
werden einige besondere Steuern erhoben; sie 
fließen in die Staatskasse, aus der auch die städti- 
schen Ausgaben für die Stadt B. bestritten wer- 
den. Es wird angenommen, daß die Ausgaben 
und Einnahmen der Stadt B. sich etwa decken und 
daß Unbilligkeiten zu ihren Gunsten durch Zu- 
wendungen aus der Staatskasse an andere Ge- 
meinden ausgeglichen werden können. 
#+ 8. Die Organisation der Verwaltung ist 
eine eigenartige infolge der weitgehenden Mit- 
wirkung der Bürgerschaft. Die Selbstverwaltung 
hat auch hier eine Dezentralisation der Verwaltung 
zur Folge. Der Senat ist die einheitliche Spitze 
mur der ihm allein unterstehenden Verw Zweige. 
  
— — — — — — — — —— 
Bremen 
  
Im übrigen stehen an der Spitze der einzelnen 
Verwaltungen die — außer der besonders aufge- 
führten Finanzdeputation nach dem Gesetz jetzt 23 
— Deputationen und einige andere Selbstver- 
waltungsorgane selbständig neben einander ohne 
Zusammenfassung in wenige große Ressorts. 
Bei den kleinen Verhältnissen, den vielfachen per- 
sönlichen Beziehungen machen sich die Mängel 
einer so weitgehenden Dezentralisation nicht allzu 
sehr fühlbar. 
Nach der Zusammensetzung der Behörden er- 
gibt sich eine Gliederung in: 1. Die dem Senat 
allein übertragenen Verwaltungen, so die aus- 
wärtige, die Polizei Verw. Die Leitung der 
Ressorts haben einzelne Senatoren als Senats- 
kommissare oder aus mehreren bestehende Senats- 
kommissionen. 2. Die zum gemeinsamen Wir- 
kungskreis von Senat und Bürgerschaft gehören- 
den Verw Zweige, an deren Spitze die Deputa- 
tionen stehen (Zusammensetzung und Geschäfts- 
gang oben §# 6). 3. Die Verwaltungen einzelner 
„Behörden“, die ebenfalls aus Senatoren und 
Bürgern gebildet sind, bei denen letztere aber nicht 
wie bei den Deputationen notwendig Mitglieder 
der Bürgerschaft zu sein brauchen; so das Tonnen- 
und Bakenamt, die Behörde für Handels= und 
Schiffahrtsangelegenheiten, für Gewerbeange- 
legenheiten u. a. Durch Vertretung in diesen Be- 
hörden sind auch die von alters her bedeutsamen 
offiziellen Berufsorganisationen, die Handels- 
kammer und die Gewerbekammer, an der Ver- 
waltung beteiligt; als weitere offizielle Berufs- 
vertretungen bestehen: die Kammer für Land- 
wirtschaft und neuestens (G v. 5. 4. 06) die Kam- 
mer für Kleinhandel. 
Oertliche Bezirke der Staatsverwaltung für 
einzelne Zwecke sind: 1. die Stadt B.; 2. die 
Amtsbezirke Vegesack und Bremerhaven; 3. das 
Landgebiet. 
8 9. Einzelne VBerwaltungszweige. I. Die 
auswärtige Verwaltung gehört zum 
Wirkungskreis des Senats; sie ist der Senats- 
kommission für Reichs-- und auswärtige Ange- 
legenheiten speziell übertragen. Der Senat er- 
nennt und instruiert den Bremischen Bevollmäch= 
tigten im BzR. Eine diplomatische Vertretung 
hat B. nur mit Hamburg und Lübeck gemeinsam 
am preußischen Hof durch den Gesandten der 
Hansestädte. Konsuln bei andern deutschen Staa- 
ten hat B. nicht bestellt. Doch sind eine Reihe 
von Gesandten und Konsuln anderer Staaten 
beim Senate beglaubigt. 
II. Die Verwaltung der Polizei 
steht ebenfalls dem Senate zu (Verf ## 57m). 
Er hat das Recht, Pol Verordnungen zu erlassen 
und kann dieses Recht anderen Behörden dele- 
gieren (Kontrolle in Verf §65). Den Pol Behörden 
ist im Rahmen der reichsgesetzlichen Bestimmungen 
die Befugnis zum Erlaß von polizeilichen Straf- 
verfügungen übertragen (Gv. 25. 6. 79 # 94). 
Ferner haben sie ein weitreichendes Recht, „so- 
weit ihre amtliche Wirksamkeit im öffentlichen 
Interesse es erfordert“, einzelne durch Straf- 
befehle zu Handlungen oder Unterlassungen an- 
zuhalten (G v. 25. 6. 79 §J 96; Beschwerde dage- 
en an den Senat; event. auch Zivilklage gemäß 
erf § 15). Landespolizeibehörde 
ist die PolKommission des Senats. Behör- 
den der lokalen Polizeiver wal- 
  
 
	        
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