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Bundesrat
hörden getroffene Entscheidung kassieren und den
Behörden der Einzelstaaten keine Anweisung er-
teilen; er kann nur darüber einen Ausspruch tun,
welchen Inhalt die allgemeine Pflicht aller Bun-
desstaaten, die Reichsgesetze zu beobachten, in An-
sehung des speziellen, den Gegenstand des Be-
schlusses bildenden Punktes hat.
Der B. hat ein Wahlrecht oder Vorschlagsrecht
hinsichtlich der Mitglieder des Rechnungshofes,
des Reichsgerichts (sowie des Oberreichsanwalts
und der Reichsanwälte), des Bundesamts für das
Heimatswesen, der Disziplinarkammern und des
Disziplinarhofes, der Senatspräsidenten und Räte
des Reichsmilitärgerichts mit Ausnahme des bay-
rischen Senats, der Verwaltung des Reichs-
Invalidenfonds, des Reichsbankdirektoriums, der
ständigen Mitglieder des Patentamtes und der
Mitglieder des Reichs-Versicherungsamtes, des
Börsenausschusses, des Aufsichtsamtes für Privat-
versicherung und des Versicherungsbeirates. Auch
sind die Reichs-Zollbevollmächtigten und Kon-
trolleure und die Konsuln nach Vernehmung
eines B. Ausschusses zu ernennen. Die Ernennung
selbst erfolgt in allen Fällen vom Kaiser (RWBals).
Auch bei gewissen Reg Akten von hervorragen-
der Bedeutung ist die Zustimmung des B. nach
der RVerforderlich, nämlich zur Erklärung des
Krieges, es sei denn, daß ein Angriff auf das
Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt (a 11
Abs 1); zum Abschluß von Verträgen mit fremden
Staaten, insoweit sie in den Bereich der Reichs-
gesetzgebung eingreifen (a 11 Abs 2); zur Voll-
streckung der Exekution gegen Bundesglieder (a 17)
und zur Auflösung des RTX während der Legis-
laturperiode (a 24).
Eine ausgedehnte Kompetenz ist dem B. in
Finanzangelegenheiten zugewiesen teils durch die
N selbst, teils durch eine große Zahl spezieller
Gesetzesbestimmungen; insbesondere ist hervor-
zuheben, daß sämtliche Zoll= und Steuergesetze
des Reiches Ermächtigungen für den B. zum Erlaß
der Ausführungsbestimmungen enthalten.
Endlich enthalten die Reichsgesetze noch eine
große Anzahl von speziellen Punkten, über welche
dem B. die Beschlußfassung zugewiesen ist, ohne
daß man aus denselben ein einheitliches Prinzip
für die Kompetenzbestimmung des B. abstrahie-
ren kann.
3. Der Bundesrat als Organ der
Rechtspflege. In den im vorstehenden
erwähnten Verw Funktionen des B. ist in einem
gewissen Grade eine VerwJurisdiktion enthalten,
so in der im a 7 Abs 3 der RV ihm übertragenen
Beschlußfassung über Mängel, in den im Reichs-
Beamtengesetz ihm zugewiesenen Entscheidungen
über Pensionen; auch in dem Beschluß über die
Vollstreckung der Exekution gegen ein Bundes-
glied ist ein Urteil über die Verletzung der Bundes-
pflichten enthalten. In zahlreichen Reichsgesetzen
wird dem B. die Entscheidung in einzelnen Fällen
von Verw Streitigkeiten zugewiesen (Beispiele im
Staatsrecht des Deutschen Reichs 1, 244 ff).
Endlich ist der B. in einigen Beziehungen an
die Stelle der ehemaligen Bundesversammlung
getreten, nämlich als oberste Rekursinstanz bei Be-
schwerden über Justizverweigerung (RVB. a 77,
gleichlautend mit dem a 29 der Wiener Schluß-
akte); als Austrägalinstanz bei Streitigkeiten nicht
privatrechtlicher Natur zwischen verschiedenen
Bundesstaaten (RV# a 76 Abs 1); als Vermitte-
lungsamt bei Verfassungsstreitigkeiten in solchen
Bundesstaaten, in deren Verfassung nicht eine
Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten
bestimmt ist (RV a 76 Abs 2). Unter Verfassungs-
streitigkeiten sind nur Streitigkeiten zwischen der
Regierung eines Staates und den Landständen
zu verstehen und der B. ist nur zuständig, wenn
er von einem der streitenden Teile angerufen wird.
Auf Streitigkeiten über Thronfolge und Regent-
schaft bezieht sich a 76 Abs 2 nicht: auch a 76 Abs 1
trifft nicht zu, weil Thronfolgestreitigkeiten regel-
mäßig keine Streitigkeiten zwischen verschiedenen
„Staaten“ sind; der B. ist aber jedenfalls befugt,
die Legitimation seiner Mitglieder und dadurch
mittelbar die Befugnis ihrer Vollmachtgeber zu
prüfen; und aus dem bundesstaatlichen Verhältnis
selbst ergibt sich, daß niemand in einem deutschen
Staate Landesherr sein kann, der nicht von der
Gesamtheit der Staaten als Mitglied des Bundes
anerkannt ist.
8 4. Die Geschäftsordnung ist geregelt teils
durch die RV, teils durch die vom B. beschlossene
GeschO v. 27. 2. 71, revidiert durch Beschl v.
26. 4. 80.
Die Berufung, Eröffnung, Vertagung und
Schließung steht dem Kaiser zu (RV a 12). Der
B. muß berufen werden, wenn der RI berufen
wird (RBVa 13), und wenn ein Drittel der Stim-
menzahl des B. die Berufung verlangt (RBal4).
Zwischen den verschiedenen Sessionen besteht das
Prinzip der Kontinnität, d. h. Angelegenheiten,
welche in einer Sitzungsperiode nicht völlig er-
ledigt sind, werden in einer folgenden Sitzungs-
periode an dem Punkte, bis zu welchem sie ge-
diehen sind, fortgeführt. Diese Anordnungen ha-
ben aber ihre praktische Bedeutung vollkommen
verloren, da der B. seit vielen Jahren ununter-
brochen versammelt ist und die ihm obliegenden
Geschäfte eine Schließung seiner Sitzungen nicht
gestatten. Dadurch ist die schein bare Aehn-
lichkeit zwischen dem B. und dem NL, welche
durch à 12 der RV begründet wird, verschwunden.
Der Vorsitz und die Leitung der Ge-
schäfte steht dem RK zu (RBal5 Abs 1). Dieses
Recht ist von der Präsidialstellung des Königs
von Preußen abgeleitet. Der R# kann sich durch
jedes andere Mitglied des B. vermöge schrift-
licher Substitution vertreten lassen (RMa15 Abs2).
Die Auswahl unter den Bevollmächtigten steht
dem R frei, durch das Schlußprotokoll v. 23. 11.
1870 Ziff. 9 ist aber der bayerischen Regierung
die Zusicherung erteilt worden, daß ihr Vertreter
im Falle der Verhinderung Preußens (nicht
des Rä) den Vorsitz im B. führe. Ueber die Lei-
tung der Geschäfte, die Anberaumung der Sitzun-
gen, die Erledigung der Vorlagen, die Reihenfolge
der Sitze und Abstimmung und über die Fest-
stellung der Protokolle enthält die oben erwähnte
Geschäftsordnung die näheren Vorschriften.
Die Beschlußfassung erfolgt im allge-
meinen nach einfacher Majorität: bei Stimmen-
gleichheit entscheidet die Präsidialstimme, d. i. die
Stimme Preußens. Bei Berechnung der Majo-
rität kommen nur die wirklich abgegebenen Stim-
men in Betracht. Ausgenommen sind Verände-
rungen der Verfassung: sie sind abgelehnt, wenn
sie 14 Stimmen gegen sich haben (RV a 78 Abs 1).
In einigen anderen Fällen genügt die Mehrheit