Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Deichwesen 
  
beamtengesetze von Kanngießer, Thudichum, 
Perels und Spilling", Pieper's, Brand', 
Arndt, Görres und Schulze zu den 1#/ 134 ff; 
Göz, Verwaltungsrechtspflege (Württemberg) 1902 S. 59; 
Walz,. badisches StK S. 151. — Val. auch Bertoldi, 
Aufhebung der Kautionspflicht der Staatsbeamten, 1904. 
Brand. 
(Für die Einzelstaaten ergänzt vom Herausgeber.) 
Deichwesen 
#s# 1. Rechtliche Ordnung im allgemeinen. 1 2. Grund- 
lagen der Gesetzgebung. §#§ 3, 4. Anlegung und Erhaltung 
der Deiche. 4 5, 6. Deichverbände, bestehende (Koege, 
Deichachten) und Neubildung. 
§5 1. Das Teichwesen und dessen rechtliche Ord- 
mung im allgemeinen. I. Deiche, d. h. Schutz- 
dämme gegen die Hochfluten des Meeres und der 
Ströme, waren zwar den Römern nicht unbekannt, 
aber erst die Verhältnisse des norddeutschen Tief- 
landes mit seinen flachen Seeküsten und den wei- 
ten Niederungen wasserreicher Ströme führten 
mit der weiteren Entwicklung des D. überhaupt 
auch zur Ausbildung eines besonderen Deichrechts. 
Die Entstehung zusammenhängender Deichlinien 
der deutschen Hauptströme wird in das 12. Jahr- 
hundert gesetzt. Die Eindeichung der Weichselnie- 
derung stammt aus der Zeit der Deutschordens- 
herrschaft. In den bis zum Mittelalter zurückrei- 
chenden Deichverbänden hat sich der Charakter der 
deutsch-rechtlichen Genossenschaft teilweise bis auf 
die Gegenwart erhalten; wenn der Sachsenspiegel 
bestimmt (1II 56), daß jedes Dorf seinen Teil des 
Dammes vor der Flut besestigen soll, daß aber im 
Falle des Durchbruchs alle, die „binnen dem 
Damme" angesessen, zur Hilfeleistung verbunden 
sind, so wird man darin unschwer den Ausgangs- 
punkt für die Unterscheidung der „gewöhnlichen“ 
und der „außerordentlichen“ Deichlast erblicken kön- 
nen, die noch jetzt viele Deichordnungen beherrscht. 
Man unterscheidet Winterdeiche, d. s. solche, die 
gegen die höchsten bekannten Wasserstände (dic ge- 
wöhnlich im Winter und Frühjahr eintreten) schü- 
tzen sollen, und Sommerdeiche, die nur zum Schutze 
gegen mittlere Hochwasser bestimmt sind. Das un- 
geschützte Land zwischen Deich und Strom heißt 
Vorland; für die eingedeichte Niederung an den 
Meeresküsten findet sich die Bezceichnung „Koog“ 
(in Schleswig-Holstein) und „Polder"“ (in Ostfries- 
land); letztere Bezeichnung wird aber auch im Vin- 
nenland angewendet, namentlich für solche einge- 
deichte Bodenabschnitte, die wegen ihrer tiefen 
Lage das Tagewasser nur künstlich (durch Schöpf- 
werke) abführen können. 
II. Eine besondere Gesetzgebung über das D. 
hat sich nur in Norddeutschland ausge- 
bildet, und zwar ist hier am wichtigsten das preu- 
chische Deichgesetz v. 28. 1. 48, das für den gan- 
zen Bereich der damaligen Monarchie erlassen 
wurde. Dasselbe ist durch G v. 11. 4. 72 mit mehr- 
fachen Modifikationen auf die Provinzen Schles- 
wig-Holstein und Hannover ausgedehnt, jedoch 
sind die in a II dieses Gesetzes genannten Ge- 
bietsteile, unter denen besonders die Marschdi- 
strikte (Ebbe= und Flutgebiet) in Betracht kommen, 
von der Ausdehnung ausgenommen. Von den 
  
aufrecht erhaltenen Partikularrechten dieser Lan- 
desteile sind besonders zu erwähnen das allge- 
meine Deichreglement für die Marschdistrikte in 
Schleswig-Holstein v. 6. 4. 1803, die Deich= und 
Sielordnung für das Fürstentum Lüneburg v. 15. 
4. 1862 und die Deich= und Sielordnung für Ost- 
friesland v. 12. 6C. 53. Aus neuester Zeit ist noch 
das für ganz Preußen, mit Ausnahme der Marsch- 
distrikte, also auch für die Provinz Hessen-Nassau, 
ergangene Gesetz zur Verhütung von Hochwasser- 
gefahren v. 16. 8. 1905 zu erwähnen. Im vorm. 
Kurhessen, wo das preußische G von 1848 nicht gilt, 
und in den süd deutschen Staaten sowie in Elsaß- 
Lothringen ist, der geringeren Bedeutung des D. 
in diesen Ländern entsprechend, der Deich-(Damm-) 
Bau als Teil der Instandhaltung der Gewässer be- 
handelt. Nur im Großherzogtum Hessen ist für die 
schiffbaren Wasserläufe ein besonderes G über das 
Dammbauwesen v. 14. 6. 87 ergangen. In Bay- 
ernliegt nach dem Wasser Gvon 1907 a9#4, 98, 100 
die Verpflichtung zur Anlegung von „Hochwasser- 
dämmen“ an öffentlichen Gewässern dem Staate, 
an Privatflüssen mit erheblicher Hochwasserge- 
fahr der Kreisgemeinde, an sonstigen Privat- 
flüssen den Beteiligten ob. In Baden (Was- 
serG von 1899 §§ 82, 93 ff.) liegt die Herstellung 
von Deichen an größeren, „im Staatsflußbau- 
verbande stehenden Gewässern“" — unter Heran- 
ziehung der beteiligten Gemeinden zu einem Teile 
der Kosten — dem Staate ob, im übrigen sind die 
Gemeinden zur Anlegung der zum Schutze einer 
Ortschaft oder größerer Gemarkungsteile erfor- 
derlichen Dämme verpflichtet. Die gleiche Ver- 
pflichtung haben die Gemeinden in Hessen 
nach G v. 14. 6. 87 a 5 f. u. v. 30. 7. 1887 à 94. 
§ 2. Grundlagen der Gesetzgebung. Durch die 
Eindeichung sind weite und fruchtbare Gebiete 
der menschlichen Kultur erst erschlossen, und an die 
Erhaltung der bestehenden großen Deichsysteme 
knüpft sich eine Fülle der wichtigsten Interessen 
(vgl. wegen der vom technischen Standpunkte ge- 
gen die Grundlagen des jetzigen D. gerichteten 
Angriffe die ausführliche Darstellung und Wider- 
legung in „Preußens landwirtsch. Verwaltung in 
den Jahren 1875—1877“" S. 90—99). Anderer- 
seits ist es klar, daß durch die Deiche an einem 
Wasserlauf eine Veränderung seiner natürlichen 
Abflußverhältnisse bewirkt wird, die nicht ohne 
Rückwirkung auf das nicht eingedeichte Ueber- 
schwemmungsgebiet bleiben kann. Abgesehen da- 
von, daß durch ein zu nahes Heranrücken der Deiche 
an den Wasserlauf ein die oberhalb liegenden 
Grundstücke schädigender Aufstau erzeugt werden 
kann, wird unter allen Umständen durch den hoch- 
wasserfreien Abfluß einer seither überschwemmten 
Niederung ein natürliches Sammelbecken abge- 
schnitten, das, wenn sein Inhalt im Verhältnisse 
zu der Hochwassermenge bedeutend war, den Ver- 
lauf der Flutwelle zum Vorteil der unterhalb be- 
legenen Niederung außfhielt und verlangsamte, 
und endlich kann eine ungeeignete Lage der Deiche 
dahin wirken, daß der Stromstrich auf das jen- 
seitige Ufer zum Schaden desselben abgelenkt 
wird. Auf diesen sich teilweise gegenüberstehenden 
Gesichtspunkten beruht die geltende Gesetzgebung. 
Sie unterwirft das gesamte D. der staatlichen Ober- 
aussicht, und zwar erstreckt sich diese Oberaufsicht 
und die mit ihr verbundene Zwangsgewalt sowohl 
auf die Erhaltung der bestehenden Deiche, als auf
	        
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