Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Deichwesen 
  
liegenden Grundstücke im öffentlichen Interesse 
geboten ist, andererseits ist jeder Besitzer „künst- 
licher Anlagen, die zur Abhaltung eines Baches 
dienen“, verpflichtet, diese in solchem Zustand zu 
erhalten, daß Rechte Dritter nicht verletzt und 
öffentliche Interessen nicht gefährdet werden 
(hess. G v. 30. 7. 1887 a 94, 104). Nach dem 
sächsischen Mandat von 1819 (5 2) trifft die 
Unterhaltungspflicht diejenigen, „deren Eigentum 
durch den Bau gegen die Gewalt des Wassers ge- 
schützt wird“. In Elsaß--Lothringen er- 
folgt die Unterhaltung bei schiffbaren Wasserläufen 
durch den Staat, der die Interessenten bis zu 90% 
der Kosten heranziehen kann; bei nicht schiffbaren 
Wasserläufen sind die Grundeigentümer, deren 
Grundstücke vor Ueberschwemmung geschützt wer- 
den, unterhaltungspflichtig (els.-lothr. G v. 2. 7 
1891 85 27, 38, 22). 
Eine Benutzung der Deiche, die deren Wider- 
standsfähigkeit zu schwächen geeignet ist, kann die 
Aufsichtsbehörde (in Preußen im Geltungsgebiet 
des G von 1848 der Bezirksausschuß — 38 96 Nr. 4 
Zust G) beschränken oder untersagen (G von 1848 
524 (bezieht sich auch auf Genossenschaftsdeiche, 
für die indes der Regierungspräsident zuständig 
ist!: Deich O für Ostfriesland von 1853 50, für 
Lüneburg von 1862 g8 62 f.) In Bayern ist das 
Anpflanzen von Bäumen und Sträuchern, sowie 
die Anbringung von Zäunen und Einfriedigungen 
auf Hochwasserdämmen nur mit Erlaubnis der 
Verwaltungsbehörde gestattet. Auch können zur 
Verhütung der Beschädigung von Dammbauten 
polizeiliche Vorschriften erlassen werden (Wasser G 
von 1907 a 85 Abfs 2, a 87). In Schleswig-Hol- 
stein ist die Bebauung der Deiche im Gebiete des 
allg. Deichreglements von 1803 (§ 36), nach dem 
hess. G v. 14. 6. 1887 (a 40) das Bepflanzen der 
Dämme mit Bäumen, nach dem sächsischen Man- 
dat von 1819 (5 13) jede Benutzung der Dämme, 
insbesondere auch zum Reiten, Fahren, Vieh- 
treiben und Hüten, sowie jede Bepflanzung 
schlechthin verboten. Sehr eingehende Vorschriften 
über die Benutzung der Deiche enthält die — 
jedoch nur für Deichverbände (§§8 5, 6) geltende — 
oldenb. Deich O v. 8. 6. 55, nach der das Abmähen 
und Abweiden des Grases (a 221 § 1) und in der 
Regel auch das Reiten und Fahren auf der Kappe 
des Deiches (a 224 §. 1) erlaubt, jede andere Be- 
nutzung aber verboten ist (a 218). Zum Schutze der 
Deiche dienen ferner die Bestimmungen gegen vor- 
sätzliche und fahrlässige Beschädigung von Deichen 
(§38 321, 325, 326, 366 a StG#B) und endlich sind im 
Falle der Not alle Bewohner der benachbarten Ort- 
schaften nach Anordnung der Polizeibehörde zur 
persönlichen Hilfeleistung und zur Hergabe der zur 
Bekämpfung der Gefahr dienlichen Materialien 
verpflichtet (preuß. G von 1848 #25; schles w.-olst. 
Deichreglement 5 31; lüneburg. Deichordn. 8§ 55 f.; 
ostfries. Deichordn. §s§ 44 f.; bayer. Wasser G von 
1907 a 108; bad. Wasser G von 1899 5 89 und Was- 
serwehrordnung v. 8. 12. 99 (bad. GBl S. 930); 
hess. G v. 30. 7. 87 à 111; sächs. Mandat von 1819 
8 10; oldenburg. Deich O a 211, 212; els.-lothr. G 
von 1891 + 40). 
#5. Die bestehenden Deichverbände (Koege, 
Teichachten). I. Die bestehenden größeren Deich- 
verbände sind vielfach älter, als die moderne Ge- 
setzgebung. Als seit dem 17. Jahrhumdert das D. 
der staatlichen Beaufsichtigung und Regelung un- 
  
terworfen wurde, geschah das in der Weise, daß 
für die einzelnen Flußgebiete und Marschdistrikte 
obrigkeitliche Deichordnungen erlassen wurden, 
durch welche die Rechtsverhältnisse der über- 
kommenen Deichverbände gesetzlich kodifiziert und 
das D. des betr. Distrikts im einzelnen geregelt 
wurde. Auf diesem Boden stehen noch jetzt die in 
den Provinzen Schleswig-Holstein und Hannover 
in Kraft gebliebenen partikularrechtlichen Deich- 
ordnungen. Einen anderen Charakter hat das 
preuß. Deich G von 1848, das zwar die Deichord- 
nungen und Statuten, die bei seinem Erlasse be- 
standen, unter Vorbehalt späterer Revision mit 
landesherrlicher Genehmigung, aufrecht erhielt 
(* 23), im übrigen aber in den § 11—22 gesetz- 
liche Normativbestimmungen für neu zu bildende 
Deichverbände gibt. Die vorbehaltene Revision 
ist für die meisten Verbände inzwischen erfolgt. 
Die Rechtsverhältnisse der noch bestehenden älte- 
ren Verbände sind nach den betr. Statuten und 
Reglements sowie den Grundsätzen des gemeinen 
Deichrechts zu beurteilen; doch ist es nicht ausge- 
schlossen, die Grundsätze des G von 1848 subsi- 
diär zur Anwendung zu bringen, insofern diese 
dem gemeinen Rechte im wesentlichen entsprechen. 
Zur Ergänzung der Bestimmung des Deich G von 
1848 über Deichverbände sind durch königl. Erlaß 
v. 14. 11. 53 „Allgemeine Bestimmungen für künf- 
tig zu erlassende Deichstatute“ gegeben, die für 
diejenigen Deichverbände rechtsverbindlich sind, 
in deren Statuten diese Bestimmungen in Bezug 
genommen sind (X 59 der Bestimmungen). Der 
Deichverband (Deichkommune, Koog, Deichacht) 
bildet eine Korporation, welche die Eigentümer der 
durch den Deich geschützten Grundstücke umfaßt 
und deren Verfassung durch Gesetz und Deichstatut 
bestimmt wird (Allg. Bestimmungen von 1853 FlW 1, 
lüneb. Deich O § 124, ostfrief. Deich O. & 129). Die 
Mitgliedschaft ist ausnahmslos an den Besitz eines 
deichpflichtigen Grundstücks gebunden: „kein 
Land ohne Deich, kein Deich ohne Land“ (vgl. ol- 
denb. Deich O a 7). Innerhalb des Verbandes kön- 
nen selbständige Genossenschaften für besondere 
Zwecke, namentlich die Binnenentwässerung, ge- 
bildet werden, deren Gebiet durch Binnendeiche 
getrennt ist. Eine besonders ausgedehnte An- 
wendung findet dies in den ostfriesischen und lüne- 
burgischen Marschdistrikten, wo die Deichordnungen 
eingehende Vorschriften über die für die Ent= und 
Bewässerungen erforderlichen Anlagen (Siele) 
enthalten und die Einteilung des gesamten Deich- 
gebiets in Sielverbände (Sielachten) anordnen. 
Die Ent= und Bewässerung erscheint hier als ein 
Zubehör der Deichanlage, wie dics durch § 2 des 
preuß. G v. 1. 4. 79, betr. die Bildung von Wasser- 
genossenschaften, (G 297) auch für das Geltungs- 
gebiet des G von 1848 anerkannt ist. 
II. Die innere Verfassung des Deichverbandes 
ist im Geltungsgebiete des letzteren Gesetzes dahin 
geordnet, daß neben dem Deichhauptmann, der an 
der Spitze des Verbands steht und ihn nach außen 
vertritt, und dem Deichinspektor, der die technische 
Oberleitung hat, als Organ für die Kontrolle und 
oberste Verwaltung ein aus dem Deichhauptmann 
als Vorsitzenden, dem Deichinspektor und den Re- 
präsentanten der Deichgenossen bestehendes Deich- 
amt fungiert. Die Unterbeamten werden vom 
Deichhauptmann angestellt, ein Deichrentmeister 
und die sog. Deichschöppen vom Deichamte ge-
	        
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