Ablösung der Reallasten (Baden) 45
ten Lasten sehr verschieden geartet. Es sind zum
Teil eigentliche RL, kraft deren, wie bei den
Fronden, Zehnten, Gülten, Grundzinsen, der je-
weilige Eigentümer des Grundstücks zu Diensten,
Sach= oder Geldleistungen verpflichtet ist; zum
Teil sind es Dienstbarkeiten, die dem Dritten das
dingliche Recht zum Bezug bestimmter Erzeug-
nisse des Grundstücks einräumen; zum Teil han-
delt es sich um nutzbare Befugnisse, die ursprüng-
lich auf die Hoheits= und Regalrechte der Landes-,
Grund= und Gerichtsherrn gegründet waren, sich
aber allmählich in privatrechtliche, mit dem Besitz
gewisser Grundstücke verknüpfte Ansprüche auf
periodische Leistungen an Sachwerten oder Geld
oder auf Ausübung gewisser Nutzungen umwan-
delten, wie die Leistungen für Schulen, Kirchen-
dienste, für die Stierhaltung, wie die Jagd= und
Fischereiberechtigungen; endlich gehören hierher
auch die Lehens- und Erblehensverhältnisse, inso-
fern als dadurch dem im dauernden Genuß des
Grundstücks Befindlichen die Pflicht zu bestimm-
ten periodischen Leistungen gegenüber dem „Ober-
eigentümer“ auferlegt ist. Das diesen Lasten Ge-
meinsame, was die zusammenfassende Behand-
lung der A. rechtfertigt, liegt nicht in ihrer recht-
lichen Beschaffenheit, sondern in den durch das
Vorhandensein der Last in privat- und volkswirt-
schaftlicher Hinsicht bedingten Wirkungen. In-
dem derjenige, welcher kraft dinglichen Herrschafts-
rechts die Liegenschaft bewirtschaftet, infolge der
Last genötigt ist, einem anderen aus den Erzeug-
nissen der Wirtschaft periodisch einen Teil oder
einen festen Betrag zur Verfügung zu stellen, ist
nicht bloß eine dauernde Quelle des Streits zwi-
schen den zwei zu ungleichen und vielfach auch
dem Betrag nach unsichern Teilen auf diese Er-
zeugnisse angewiesenen Berechtigten eröffnet,
sondern namentlich auch häufig zum Nachteil nicht
bloß für das Privatinteresse des Bewirtschafters,
sondern auch für das volkswirtschaftliche Interesse
eine die Fortschritte der Technik und der neuen
Betriebsmethoden nutzbar machende Verbesserung
der Wirtschaft und damit die wünschenswerte Er-
höhung des Reinertrags gehemmt. Es ist daher
in Baden seit mehr als einem Jahrhundert die
Verwaltungspraxis und die Gesetzgebung bestrebt
gewesen, durch Darbietung eines sich entweder
vor den Gerichten oder vor den Verwaltungs Be-
hörden abspielenden A. Verfahrens die Aufhebung
dieser Lasten, in der Regel unter Entschädigung des
Berechtigten und nötigenfalls im Zwangswege, her-
beizuführen, und zwar in der Regel ganz allge-
mein, ohne daß im Einzelfalle das Vorliegen
iener privat= und volkswirtschaftlichen Nachteile
nachzuweisen wäre. Die Geschichte der
Ablösungsgesetzgebung ist in der Ein-
leitung zu dem Art. über die Agrargesetz-
gebung in Baden dargestellt. Eigen-
tümlich ist der A.Gesetzgebung in Baden, daß
die A. außerhalb des Zusammenhangs mit der
Ordnung der Gemeinheitsteilung und der Feld-
bereinigung vollzogen und daß die meist reichlich
bemessenen Entschädigungen zu einem erheblichen
Teil auf die Staatskasse übernommen wurden.
Die Voraussetzungen der Aufhebung oder A. so-
wie die Pflicht und der Umfang der Entschädigung
sind, wie aus der nachstehenden Darstellung er-
sichtlich ist, für die einzelnen Arten der Lasten
verschieden geregelt worden.
52. Dingliche Pflichten zu Diensten und son-
stigen persönlichen Leistungen. 1. Die Leib-
eigenschaft wurde für das altbadische Ge-
biet durch Edikt des Markgrafen Karl Friedrich
v. 23. 7. 1783 unter Verzicht der Landesherrschaft
auf die daraus fließenden Abgaben aufgehoben.
Für die im Anfang des 19. Jahrh. hinzugekom-
menen Gebietsteile wurde die Leibeigenschaft
durch Ziff 18 des 6. Konstitutionsed v. 1808 in
eine Erbpflichtigkeit umgewandelt, als deren Aus-
fluß zunächst die Verbindlichkeit zu bestimmten
Frondeleistungen und Abgaben erhalten blieb.
Die persönlichen Leibeigenschaftsabgaben wurden
sodann durch G v. 5. 10. 1820 gegen eine aus der
Staatskasse zu leistende volle Entschädigung der
Berechtigten aufgehoben.
2. Die gutsherrlichen Fronden
(die sogen. Herrenfronden) wurden durch G v.
5. 10. 1820 als auf Antrag der Pflichtigen ablösbar
erklärt und, als dieses Gesetz geringen Erfolg hatte,
durch G v. 28. 12. 31 samt allen Surrogaten auf-
gehoben. Den Berechtigten wurde als Entschä-
digung bei walzenden (auf Gütern haftenden)
Fronden der 18fache, bei persönlichen Fronden
der 10fache Betrag des Jahreswerts ersetzt, und
zwar übernahm die Staatskasse bei walzenden
Fronden ½, bei persönlichen Fronden ½ der
A. Summe.
3. Die Bannrechte, insbesondere Mühlen-,
Kelter-, Backofen-, Schenkenbann, wurden, soweit
sie dem Fiskus zustanden, durch G v. 28. 8. 35
unentgeltlich und, soweit sie im Besitze andrer
Personen waren, durch das G v. 10. 4. 48 gegen
eine mit G v. 26. 3. 52 auf das 12fche des Durch-
schnittsertrags festgesetzte, aus der Staatskasse zu
leistende Entschädigung aufgehoben.
3. Dingliche Pflichten zur periodischen
Leistuung von Sachwerten oder Geldbeträgen.
1. Die Zehnten. Die durch ihren Wert-
betrag und durch die nachteiligen Einwirkungen
auf einen rationellen Landwirtschaftsbetrieb drük-
kendste RL war der Zehnte, welcher den Besitzern
der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke, so-
weit nicht kraft besonderer Titel Zehntfreiheit be-
stand, die Verpflichtung auferlegte, dem Berech-
tigten, d. h. wo nicht ein anderer die Berechtigung
nachweist, dem „Ortsherrn", den zehnten Teil des
Rohertrags an landwirtschaftlichen Früchten, meist
auch vom Trauben= oder Weinertrag, vielfach auch
von den im Landwirtschaftsbetrieb erzeugten
Tieren, zur Verfügung zu stellen. Nach den Prei-
sen der Periode von 1780—1809 wurde im Jahre
1833 der Jahresertrag aus den Zehnten auf
2 103 490 fl., etwa 3 600 000 M. geschätzt; davon
kamen auf den großen Zehnten (Getreide) 61%,
auf den kleinen (Heu u. s. f.) 25%, auf den Wein-
zehnten 14% ; als berechtigte Zehntherren waren
in runder Summe am Zehntertrag beteiligt:
das Domänenärar mit 50, die Standes-- und die
Grundherrn mit 20, die Pfarrpfründen mit 15,
und die sonstigen Anstalten und Stiftungen,
Schuldienste u. s. f. mit 15%. Mit der Beseitigung
der Zehntlasten wurde im Jahre 1831 begonnen,
indem zwei besonders drückende Arten dieser RL
aufgehoben wurden; und zwar geschah
durch das G v. 28. 12. 31 die Aufhebung des
Neubruchzehntens, d. h. des Zehntens,
der von einem seither nicht landwirtschaftlich ge-
nutzten, neu urbar gemachten Grundstück zu ent-