Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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satz das gleiche. Der Kaiser hat ein allgemeines 
Dispensationsrecht nicht (Laband, StR 4, 527). 
+ 3. Das Soubjekt der Tispensationsgewalt 
auf dem Gebiete des Kirchenrechts. Dieselben 
Grundsätze, welche für das Gebiet des staatlichen 
Rechtes gelten, finden auch ihre Bewährung auf 
dem Boden des Kirchenrechts. 
A. In der katholischen Kirche. 
In der katholischen Kirche besitzt der Papst (von 
dem praktisch nicht in Betracht kommenden allge- 
meinen Konzil kann hier abgesehen werden) das 
oberste Gesetzgebungsrecht und ist bei der Aus- 
übung desselben nur an das Dogma und an das 
göttliche Recht (sog. jus divinum) gebunden. 
Innerhalb derselben Schranken kommt ihm auch 
die D.Gewalt über das allgemeine Recht der 
Kirche und über die Rechtssätze zu, welche zwar 
nur eine beschränkte Geltung haben, aber auf An- 
ordnung eines Papstes oder eines allgemeinen 
Konzils beruhen. Die kanonistische Doktrin legt 
zwar den Bischöfen die Befugnis zur D. von ge- 
meinrechtlichen Vorschriften unter der Voraus- 
setzung bei, daß der Verkehr mit dem päupstlichen 
Stuhl unterbrochen ist oder der letztere nur unter 
großen Schwicrigkeiten angegangen werden kann, 
ferner, daß Gefahr im Verzuge obwaltet und die 
Verschiebung der D. bis zu ihrer Gewährung 
durch den Papst nicht wieder gut zu machende 
Nachteile herbeiführen würde. Da sie aber für 
diese Fälle die Vermutung einer päpstlichen Er- 
mächtigung unterstellt, führt sie dieses Recht im 
Grunde auch auf die Macht des obersten Gesetz- 
gebers zurück, ja die Kurialpraxis gestattet in sol- 
chen Fällen die D. bloß für das forum internum 
(Gewissensgebiet), legt also einer solchen D. für 
das Rechtsgebiet (sorum externum) keine Wir- 
kung bei. Im übrigen sind alle anderen kirchlichen 
Organe und kirchlichen Amtsträger nur kraft Er- 
mächtigung des obersten Gesetzgebungsorganes 
von den vorhin gedachten Rechtsnormen zu dis- 
pensieren befugt. Diese ist ihnen teils ein für alle 
Mal durch das Gesetz (wie z. B. durch das Trienter 
Konzil für gewisse Fälle den Bischöfen oder durch 
den Papst in den Ressortbestimmungen den ein- 
zelnen RKurialbehörden, z. B. der Pönitentiaria) 
gewährt, teils wird den Bischöfen bestimmter 
Länder (z. B. Deutschlands und Oesterreichs) für 
gewisse häufig vorkommende Fälle auf eine Reihe 
von Jahren oder auf Widerruf durch sog. facultates 
(wegen des fünfjährigen Zeitraums für Deutsch- 
land facultates quinquennales genannt) eine 
Ermächtigung zu D. erteilt. Endlich kann auch 
eine solche Uebertragung für einen speziellen Ein- 
zelfall statthaben. Ueber die neueste Zuständig- 
keitsverteilung der Dispensationsgewalt innerhalb 
des Organismus der römischen Kurialbehörden 
bestimmt die Konstitution Pius X vom 29. 6. 08 
(Arch. f. kath. K R Bd. 88, 679 ff., bes. 682 u. 686)0. 
Ein selbständiges D. Recht besitzen außert dem 
Papst die Provinzial= (Plenar-) und Diözesan- 
synoden, sowie die Bischöfe hinsichtlich der inner- 
halb ihrer Zuständigkeit erlassenen Anordnungen, 
und der Bischof kann auch von den Vorschriften 
der eigenen Diözesansynode dispensieren. Selbst- 
verständlich ist es endlich, daß das Organ mit 
höherer Jurisdiktion von den seitens eines ihm 
untergeordneten Organs gegebenen Normen, 
also der Papst von den Anordnungen aller Syno- 
den und aller Bischöfe zu dispensieren befugt ist. 
Dispensation 
  
–. — 
B. In der evangelischen Kirche. 
Nach der herrschenden Lehre (Friedberg, 
Das geltende Verfassungsrecht d. evangel. Landes- 
kirchen 142) steht in den evangelischen Kirchen 
Deutschlands dem Landesherrn das D. Recht 
zu. Indessen ist für diejenigen Kirchen, in de- 
nen der Landesherr — und das sind jetzt die 
Mehrzahl — nach den neueren Verfassungen bei 
Ausübung der kirchlichen Gesetzgebung an die 
Zustimmung der General-, Landes= oder auch 
der Provinzial-Synoden gebunden ist, die Ein- 
schränkung zu machen, daß er von den so erlasse- 
nen kirchengesetzlichen Normen nur unter Mitwir- 
kung der betreffenden synodalen Organe zur D. 
befugt ist, da er die Kirchengesetze allein abzu- 
ändern keine Macht hat, es sei denn, daß ihm 
diese durch die Gesetze für gewisse Fälle ausdrücklich 
gewährt worden ist. Soweit dem Landesherrn 
noch das D. Recht zusteht, kann er es auch 
heute noch den kirchenregimentlichen Behörden 
zur Ausübung übertragen. So ist eine solche 
allgemein in Altpreußen durch die landes- 
herrlichen Ressortbestimmungen an den Ober- 
kirchenrat erfolgt (v. Rönne-Zorn 2, 449 f), 
und für einzelne Fälle sind auch die Provinzial- 
Konsistorien, ja für minder wichtige (so z. B. hin- 
sichtlich des Aufgebots) die Superintendenten 
damit betraut (f. Preußen V v. 21. 6. 45 8 1, 
Goßner, KR. 196). Wo dagegen, wie z. B. 
in Baden, das D.Recht durch die Kirchenver- 
fassung (5. 9. 61 5 110, 5) der kirchenregimentlichen 
Behörde (hier dem Oberkirchenrat) zugewiesen 
ist, kann es diesen nur auf dem kirchenverfassungs- 
mäßigen Wege entzogen und nicht, wie im ersteren 
Fall, von dem Landesherrn zu eigener Ausübung 
ohne weiteres an sich genommen werden. 
4. Die Ausübung des Tispensationsrechtes. 
Die D. bildet ein Mittel, die Härten, welche die 
Anwendung eines bestehenden Rechtssatzes für 
gewisse Fälle und für bestimmte Personen herbei- 
führen kann, zu mildern und zu beseitigen. Wenn 
sie daher auch nur unter dieser Voraussetzung, also 
beim Vorliegen eines genügenden Grundes, ge- 
rechtfertigt ist, so bildet dies doch für die vom ober- 
sten Gesetzgeber zu erteilende D. keine rechtliche 
Schranke, und die von ihm gewährte D. ist unter 
allen Umständen rechtsgültig, auch wenn sie den 
gedachten Bedingungen nicht entspricht. Anders 
verhält es sich mit den durch den obersten Gesetz- 
geber speziell oder den durch ein Gesetz an unter- 
geordnete Organe übertragenen Dispensations- 
befugnissen. Diese müssen innerhalb der vom 
Gesetz oder vom obersten Gesetzgeber bestimmten 
Schranken und Bedingungen ausgeübt werden, 
widrigenfalls sie, weil die Uebertragung der D.Ge- 
walt nicht weiter reicht, nichtig sind. Das gilt so- 
wohl für das staatliche, wie auch das kirchliche Recht. 
Die Erteilung der D. geschieht in der Regel durch 
schriftliche Erklärung des obersten Gesetzgebers 
oder des von ihm delegierten Organs. Der Form 
des Gesetzes bedarf es indessen dann, wenn der 
erstere bei der Gesetzgebung (also auch bei der D.) 
an die Mitwirkung anderer Faktoren (des Land- 
tages, einer Synode) gebunden ist. Anderenfalls 
kann sie auch mündlich geschehen, sofern nicht eine 
besondere Form (eine solche ist jedenfalls nach 
katholischem Kirchenrecht für die päpstlichen D. 
nibtiebsolut vorgeschrieben) gesetzlich angeord- 
net ist. 
 
	        
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