Die Mittel zur Erreichung dieser Zwecke er-
schöpfen sich zwar nicht in der Disziplinarstraf-
befugnis; es gibt auch andere Mittel, die nicht den
Charakter der Disziplinarstrafe tragen, wie z. B.
Rügen, Ermahnungen, Zwangsstrafen (unten
5 8, Da); aber die Disziplinarstrafe ist das wich-
tigste und unentbehrlichste dieser Mittel.
Das öffentliche Strafrecht und das Disziplinar-
strafrecht, bestehen unabhängig neben einander.
Die Bestrafung einer Handlung durch den Straf-
richter hindert nicht, daß außerdem noch die Dis-
ziplinarstrafgewalt geltend gemacht wird:; ebenso
kann die strafrechtliche Verfolgung durch Verjäh-
rung oder Fehlen des Strafantrages ausgeschlossen
sein, während die Disziplinarbestrafung statthaft
bleibt. Auch die Strafmittel der D. decken sich nicht
mit dem System der öffentlichen Strafen sie treffen
den Schuldigen vielmehr lediglich in dem Rahmen
des durch seine Anstellung begründeten Dienst-
verhältnisses, und nur zufällig gehört die Geld-
strafe beiden Strafsystemen an. Während ferner
die Strafverfolgung wegen Verletzung der öffent-
lichen Rechtsordnung eine Pflicht des Staa-
tes ist, läßt sich dieser bei der Disziplinarstrafge-
walt vorwiegend von Zweckmäßigkeitsrücksichten
eiten.
# 2. Nebersicht der Gesetzgebnug. Das im
Reich und in den größeren Bundesstaaten für
die nicht richterlichen B geltende Disziplinarstraf-
Fscht hat seine Quelle im preußischen
echt.
Zwar lag den Verfassern des „Allgemeinen
Landrechts für die Preußischen Staaten“ eine
#undäägliche Unterscheidung zwischen gemeinen
ergehen und VBergehen gegen die D. noch so
fern, daß für reine Disziplinarvergehen vielfach
Leibes-, Freiheits= oder Ehrenstrafen, also Strafen.
angedroht waren, die nicht den Beamten,
sondern den Staatsbürger trafen. Auch in
betreff des Verfahrens bestand keine strenge
Scheidung zwischen strafrichterlicher und Dis-
ziplinargewalt. Bloße Dienstvergehen, wie Zu-
widerhandlung gegen die Vorschriften des Amtes,
Bruch der Amtsverschwiegenheit, leichtsinniges
Spielen und Schuldenmachen, konnten ebenso-
wohl im Verwaltungswege wie durch gericht-
liches Urteil mit Amtsverlust bestraft werden.
Es war das Verdienst des G v. 29. 3. 44, daß
es zum ersten Male zwischen gemeinen Ver-
brechen eines B und zwischen Vergehen gegen
die D. eine feste Grenze zu ziehen suchte: die
ersteren sollten von den Gerichten, letztere unter
Ausschließung einer jeden Kompetenz der ordent-
lichen Gerichte im Disziplinarverfahren unter-
sucht und bestraft werden. Aber die Abgren-
zung selbst war mangelhaft, denn es blieben
noch zahlreiche Handlungen als gemeine Ver-
gehen den Strafgerichten unterstellt, die, wie
z. B. der wiederholte Ungehorsam gegen Vorge-
setzte, einen rein disziplinaren Charakter tragen.
Das richtige Verhältnis zwischen den Gebieten
des gemeinen Strafrechts und der D. wurde
erst hergestellt durch das noch heute in Geltung
befindliche G v. 21. 7. 52 über die Dienstver-
gehen der nicht richterlichen Beamten (GS
465), indem es den selbständigen Charakter des
Dienstvergehens als einer Handlung, durch die
—ohne Rücksicht auf ihre Bedeu-
tung in strafrechtlicher Beziehung
Disziplin (Dienstvergehen)
573
— die Würde des B oder die Amtspflicht verletzt
wird, und damit zugleich die völlige Un-
abhängigkeit des Disziplinarver-
fahrens vom gerichtlichen Straf-
verfahren anerkannte.
Das preußische Disziplinar G v. 21.7.52 ist dem-
nächst für die Disziplinarvorschriften des RB#
v. 31. 3. 73 (ReEl 61) vorbildlich geworden;
die Abweichungen betreffen hauptsächlich die
(wesentlich anders gestaltete) Organisation der
entscheidenden Disziplinarbehörden.
In Anlehnung an das RBG haben dann ver-
schiedene Bundesstaaten die Disziplinarverhält-
nisse neu geordnet: so Württemberg in dem
B v. 28. 6. 76 (Reg Bl 211) und den Abän--
derungsch v. 1. 8. 07 (Reg Bl 243) und 23.
7. 10 (Reg Bl 313), Baden in dem G v. 24.
7. 88 (GVBl 399) und dem Abänderungs Gv.
12. 8. 08 (GVBl 365) — beide Gesetze in zu-
sammenhängender Paragraphenfolge als „Be-
amtengesetz“ publiziert durch die Bek des Min
der Finanzen v. 12. 8. 08 (GVBl 420) —,
Sachsen G v. 3. 6. 76, betr. einige Abände-
rungen der gesetzl. Bestimmungen über die Ver-
hältnisse der Zivilstaatsdiener, Hessen Gv.
21. 4. 80 (Reg Bl 67), betr. die Disziplinarver-
hältnisse der nicht richterlichen Staasbeamten,
endlich Bayern in dem B v. 16. 8. 08 (GVBl
581). In Elsaß--Lothringen ist durch das
Gv. 23. 12. 73, betr. die Rechtsverhältnisse der
Bund Lehrer (GBl Nr. 39), das RB# eingeführt.
Die Disziplinarverhältnisse der Richter IM
sind in manchen Beziehungen, hauptsächlich aber
in betreff der Zusammensetzung der Disziplinar-
gerichte, anders geregelt als die der nicht richter-
lichen Beamten, und zwar entweder in unmittel-
barem Zusammenhange mit den Disziplinar-
vorschriften für die nicht richterlichen B (wie in
den BS6 von Württemberg und Baden)
oder durch besondere Gesetze (wie in Preußen
durch das Gv. 7. 5. 51, GS 218, in Bayern
durch das Disziplinar G v. 26. 3. 81 (in der neuen,
aus den Aenderungen des BG v. 16. 8. 08 sich
ergebenden Fassung durch Just. Min am 5. 12.
08 bekannt gemacht im GVB!l1007), in Sachsen
durch das G v. 20. 3. 80, GS 31, in Hessen
durch das G v. 31. 5. 79, Reg Bl 235). In
Elsaß-Lothringen sind in bezug auf
die Disziplinarbestrafung der richterlichen B die
Bestimmungen des französischen Rechtes in Gel-
tung geblieben; die Befugnisse des französischen
Kassationshofes sind auf das Reichsgericht über-
gegangen (a 4 des Gv. 23. 12. 73 GBl Nr. 39).
Für „Kolonialbeamte" pvgl. den beson-
deren Artikel.
I. Dienstvergehen und deren Bestrafung
A. Dienstvergehen
#§s 3. Begriff. Die Beamten- und Diszipli-
nargesetze der Bundesstaaten fassen in wesent-
licher Uebereinstimmung mit dem RB (7 10)
die Pflichten des Staatsbeamten dahin zusam-
men, daß er die Obliegenheiten des ihm über-
tragenen Amtes den Gesetzen, Verordnungen
und Dienstvorschriften entsprechend gewissenhaft
wahrzunehmen und sich durch sein Verhalten in
und außer dem Amte der Achtung würdig zu