Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Einfuhr- und Ausfuhrverbote 
  
der Handels- und Wirtschaftspolitik. Unter der 
Einwirkung des Merkantilsystems, das den Ab- 
fluß von Edelmetallen aus dem Inlande möglichst 
zu hindern suchte, ist vielfach die A von Gold und 
Silber und Waren daraus, sowie die E von Luxus- 
waren, die die Entrichtung hoher Kaufpreise ans 
Ausland bedingten, verboten worden. Daneben 
gingen die Staaten zum Schutze der heimischen 
Gütererzeugung mit EVerboten und gelegentlich 
auch mit AVerboten vor, mit letzteren hinsichtlich 
solcher Waren, die notwendige Rohstoffe der inlän- 
dischen Industrie waren. In Brandenburg-Preu- 
ßen haben namentlich unter dem großen Kurfürsten 
und Friedrich dem Großen zahlreiche EVerbote be- 
standen. Im 19. Jahrhundert sind die wichtigeren 
Staaten von Verboten der E und A aus wirtschaft- 
lichen Gründen mehr und mehr zurückgekommen. 
Zwar machen sich neuerdings wiederum Bestre- 
bungen geltend, die um die Verwendung inländi- 
scher Bodenschätze (Kohlen, Erze) der nationalen 
Gütererzeugung zu sichern, auch vor AVerboten 
nicht zurückschrecken; doch besteht gegenwärtig ziem- 
lich allgemein der Grundsatz, daß E= und Aer- 
bote nur berechtigt sind, wenn sie sich auf andere als 
rein wirtschaftliche Erwägungen gründen, insbe- 
sondere auf sicherheits-, gesundheits--, 
veterinärpolizeiliche Gründe, auf außer- 
ordentliche Verhältnisse und Notstände, auf 
innere Beschränkungen des Warenverkehrs z. B. 
durch Staatsmonopole. 
Das ist auch der Rechtszustand in Deutschland. 
Nach § l des Vereinszoll Gv. 1. 7. 69 (VG) dürfen 
alle Erzeugnisse der Natur, wie des Kunst= und 
Gewerbefleißes im ganzen Umfange des Zoll- 
gebiets eingeführt, ausgeführt und durchgeführt 
werden. Ausnahmen hiervon können nach F 2 das. 
für einzelne Gegenstände beim Eintritt außeror- 
dentlicher Umstände oder zur Abwehr gefährlicher 
ansteckender Krankheiten oder aus sonstigen ge- 
sundheits= oder sicherheitspolizeilichen Rücksichten 
angeordnet werden. Zwar könnte diese reichsge- 
setzlich gezogene Schranke auch durch die Reichsge- 
setzgebung wieder überschritten werden, doch sind 
in fast allen neueren Handelsverträgen III 
Deutschlands wechselseitige Vereinbarungen ähn- 
lichen Inhalts getroffen, die der vollen Autono- 
mie auf diesem Gebiete während der Vertrags- 
dauer entgegenstehen. Die vertragschließenden 
Teile sind danach verpflichtet, den gegenseitigen 
Verkehr durch keinerlei E“, A= oder Durchfuhr- 
verbote zu hemmen. Ausnahmen dürfen nur statt- 
finden: 1. in Beziehung auf Kriegsbedarf unter 
außerordentlichen Umständen; 2. aus Rücksichten 
auf die öffentliche Sicherheit; 3. aus Rücksichten 
der Gesundheitspolizei oder zum Schutze von Tie- 
ren oder Nutzpflanzen gegen Krankheiten oder 
Schädlinge; 4. zu dem Zwecke, um auf fremde 
Waren Verbote oder Beschränkungen anzuwen- 
den, die durch die innere Gesetzgebung für die 
Erzeugung, den Vertrieb oder die Beförderung 
gleichartiger einhcimischer Waren im Inlande 
festgesetzt sind. — Die hiernach zulässigen E= und 
Aerbote sind ferner davon abhängig gemacht, 
daß sie auf alle oder doch auf alle diejenigen 
Länder angewendet werden, bei denen die glei- 
chen Voraussetzungen zutreffen (Handelsvertrag 
Deutschlands mit Belgien a 7, Italien a 6, 
  
  
Rumänien à 5, Schweden a7, Schweiz a 1, Ser- 
bien a V, Bulgarien a 6). 
  
II. Zuständig zum Erlaß von E= und Aer- 
boten ist das Reich insoweit, als das Rechtsgebiet, 
in dem das Verbot seinen Ursprung hat, zu seiner 
Zuständigkeit gehört. Dabei kann der Erlaß der 
Verbote im einzelnen auf die Bundesstaaten 
delegiert werden. Daneben können diese auch aus 
eigenem Rechte solche Verbote erlassen, jedoch 
nur auf Gebieten, die ihrer Regelung freigegeben 
sind. Diese sind infolge der Entwicklung der Reichs- 
gesetzgebung mehr und mehr eingeschränkt wor- 
den. Insoweit hiernach eine Zuständigkeit der 
Bundesstaaten zum Erlasse von E= und Wer- 
boten aus eigenem Rechte überhaupt noch besteht, 
ergibt sich überdies aus ihrer Stellung zum Reich 
für sie die Verpflichtung auf die Folgen Rücksicht 
zu nehmen, die solche Verbote für die politischen 
und Handelsbeziehungen zu dritten Staaten ha- 
ben können. 
Wegen der Verbote für die Schutzgebiete 
Kolonialgewerberecht. 
+# 2. Ausfuhrverbote. Dauernde Merbote 
kommen in Deutschland nur ganz vereinzelt vor. 
Zur Zeit gibt es nur ein solches, das auf der inter- 
nationalen Reblauskonvention v. 3. 11. 81 beruht, 
der Deutschland angehört (Fleischmann, Völker- 
rechtsquellen Nr. 45). Dieses Verbot wird im 
Zusammenhange mit dem zum Schutz gegen die 
Reblaus erlassenen E Verboten besprochen werden 
(& 3 Ziff. 4c). Häufiger sind vorübergehende 
MVerbote, die teils in politischen Verhältnissen, 
wie Kriegen befreundeter Staaten, teils in außer- 
ordentlichen Umständen des Inlands ihren Grund 
haben. Beispiele sind die Waffenausfuhrverbote 
nach Aethiopien v. 27. 5. 95 (R#l 423) und nach 
China v. 6. 8. 00 (RGl 789), aufgehoben am 
23. 8. 03 (RöGl 273), ferner das Verbot der A# 
von Streu= und Futtermitteln v. 4. 7. 93 (RGBl 
203), ausgehoben am 21. 5. 94 (Rl 453). Aus 
Anlaß des letzteren ist die Frage erörtert worden, 
ob ein derartiges Verbot mit den in den Handels- 
verträgen vorgesehenen Beschränkungen der ABer- 
bote (s. § 1) vereinbar ist. Die Frage ist zu be- 
jahen. Das Verbot findet seine Rechtfertigung in 
dem Vorbehalt, der in den Verträgen in Beziehung 
auf Kriegsbedarf unter außerordentlichen Um- 
ständen gemacht ist. Dieser setzt nicht voraus, daß 
der das Aerbot erlassende Vertragsstaat sich 
bereits im Kriege oder unmittelbar vor einem 
Kriege befindet. Es genügt vielmehr, daß die 
Avon Kriegsbedarf d. h. von Waren, deren Man- 
gel die Hceresverwaltung im Kriegsfalle in ernste 
Verlegenheiten bringen würde, infolge außerordent- 
licher Umstände z. B. besonders knapper Vorräte, 
eine Entwicklung nimmt, die sich bei Eintritt eines 
Krieges als gefährlich erweisen könnte. Diese Auf- 
fassung von der Tragweite der erwähnten Ver- 
tragsbestimmung hat übrigens außer Deutschland 
auch Ocsterreich-Ungarn betätigt, indem es 1904 
ein AVerbot für Futtermittel erließ. 
§ 3. Einfuhrverbote. Die wichtigsten Fälle, 
in denen EVerbote in Frage kommen, sind durch 
die Reichsgesetzgebung festgelegt. Dabei sind die 
Verbote entweder im Gesetz unmittelbar ausge- 
sprochen und dann in Beziehung auf Gegenstand 
und Umsang genau umschrieben. Oder es ist im 
Gesetze lediglich die Ermächtigung oder Verpflich- 
tung für bestimmte Verworgane vorgesehen, 
im Falle des Eintritts eines im Gesetze angegebe- 
neu Tatbestandes ein CVerbot zu erlassen. Die
	        
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