Einkommensteuer (Geschichte)
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B. Staaten mit allgemeinen Einkommenstenern
3. Geschichtliche Eutwickelung
I. Preußen
Das Altere preußische St System, wonach in der Haupt-
sache das Land durch die Kontribution und die Städte durch
die Akzise belastet wurden, hatte mit der Aufhebung des
wirtschaftspolitischen Gegensatzes zwischen Stadt und Land
durch die Stein-Hardenbergsche Gesetzgebung seine wich-
tigste Stütze verloren. Denn das Land konnte jetzt nicht mehr
auf dem Umweg über die Städte besteuert werden. An
Stelle der teilweise ausgehobenen Mabl- und Schlachtsteuer
und der ermäßigten sonstigen Akziseabgaben trat durch Edikt
v. 7. 9. 1811 eine Personen St, die ½ Rtl. pro Kopf aller
über 12 Jahre alten Personen betrug. Daneben wurde 1812
eine Klassen St ausgeschrieben, die durch das Edikt und die
Instruktion v. 24. 5. 1812 durch eine allgemeine Einkom-
mens- und Bermögens St ersetzt wurde. Die Eink St wurde
1814 wieder beseitigt und die Vermögens St fiel gleichfalls
mit der Beendigung der napoleonischen Kriegszeiten.
Mit den Reformen des Jahres 1820 wurde die rohe Per-
sonen St durch G v. 80. 5. 1820 durch eine Klassen St ersetzt.
Nach ihrer Fortbildung durch Kab O v. 12. 12. 1820 und v.
5. 9. 1821 umfaßte sie nach allgemeinen Klassenmerkmalen
12 St Sätze, die zu je 3 auf 4 Klassen verteilt waren: 144
96, 48—24, 18, 12—8, 6,4—3, 2, 1 N Rtl. für den Haushalt.
Personen ohne eigenen Haushalt wurden mit dem halben
Satze ihrer Klasse getroffen. Die Zahl der St Klassen für die
Nheinprovinz wurde durch Kab O v. 1. 12. 28 auf 18 erhöht.
Inden 132 größeren Städten wurde eine Mahl- und Schlacht-
Steuer IU erhoben. Dagegen kam in ihnen die Klassen St
in Wegfall.
Durch G v. 1. 5. 51 wurde das StRecht weiter entwickelt.
Die Klassensteuer wurde zur direkten St der Ein-
kommen bis 1000 Tl. und teils nach ellgemeinen Klassenmerk-
malen, teils nach der Höhe des Eink erhoben. Sie umfaßte 3
Haupfklaossen in 12 Stufen mit monatlichen Steuersätzen: 24,
20, 16, 12—10, 8, 5, 6—3, 2, 1 und ½ Ti. Die Erhebung
der Klassen St, die von Anfang an als Ersatz der Mahl- und
Schlachtsteuer gedacht war, blieb auf das Land und die
Landstädte beschränkt. Die Eink über 1000 Tl. wurden
durch die klassifikierte Einkommensteuer
getroffen. Ihr Rechtsgebiet war die ganze Monarchie. Doch
wurde den in den mahl= und schlachtsteuerpflichtigen Städten
wohnenden Stoflichtigen 20 Tl. für geleistete Verbrauchs St
von ihrem StBetrage abgezogen. Der St Tarif stellte 12
Stufen mit einem festen monatlichen Steuersatz von 2 1½
bis 600 Tl. auf. Diese Obergrenze von 12XK 600 -7200 Tl.
St wurde auf alle Eink von 240 000 Tl. und mehr gleich-
mäßig und ohne weitere Steigerung angewendet. Die
St Pflicht wurde durch kommissarische Einschätzungen ermit-
telt.
Nach langer Pause wurde durch G v. 25. 5. 73 die St-
Gesetzgebung reorganisiert. Die Mahl- und Schlacht St wurde
beseitigt. Die Klassensteuer wurde ouf das ganze
Staatsgebiet ausgedehnt und blieb wiederum die Besteue-
rung für die Eink bis 3000 M. Sie war jetzt nur mehr dem
Namen nach eine Klassen St, tatsächlich aber eine Abteilung
der allgemeinen Eink St. Eink bis 420 M. blieben steuerfrei,
die höheren wurden in 12 Klassen mit St Sätzen von 3 bis
72 M. besteuert. Der Ertrag war auf 42 Mill. M. kontingen-
tiert. Die Eink von mehr als 3000 M. unterlagen der klas-
lifisierten Einkommensteuner. Steuerpflichtig
waren nur die physischen Personen. Die St Sätze begannen
mit 90 M. und betrugen 3% der Unterstufe jeder Klasse. Die
Anlagemethode blieb die Einschätzung durch Kommissionen.
Zwei Jahrzehnte blieb diese Grundlage unverändert.
Durch G v. 26. 3. 83 wurden die beiden untersten Stufen
der Klassen St aufgehoben, so daß nunmehr die Eink bis
900 M. von der St frei blieben. Ein Gesetzentwurf v. J.u1883
wollte die Klassen= und Eink St zu einer steuertechnischen
Einheit verschmelzen, sie auf die Eink von 1200 M. beschrän-
ken und degressive St Sätze von 1% bis 3% von Eink von
10 000 M. an einführen. Ein zweiter Gesetzentwurf plante
die Einführung einer Kapitalrenten St zur stärkeren Be-
lostung des Eink aus dem Kapitalvermögen. Beide Gesetz-
entwürfe erlangten aber nicht Gesetzeskraft.
Die mehrfach angestrebte und in den Thron-
reden von 1889 und 1890 in Aussicht gestellte Neu-
gestaltung der direkten Staatsbesteuerung nahm
erst durch die Miquelschen Reform-
pläne (1890—95) feste Gestalt an, die in
3 GEntw v. 3. 11. 90 (Reform der Eink-, Erb-
schafts= und Gewerbe St) zum Ausdruck kam. Dar-
nach soll die E. die Grundlage der direkten Staats-
besteuerung bilden, die schwerfälligen und wenig
entwickelungsfähigen Ertrags St sollten als Staats-
St beseitigt und ihre Erträge den Gemeinden
überwiesen werden. Das Anlageverfahren sollte
vor allem durch Einführung des Deklarations-
zwangs verbessert, die mittleren und kleinen Eink
sollten durch einen degressiven St Fuß entlastet,
die höheren Eink Stufen stärker belastet werden
und die Klassen= und klassifizierte E. zu einer ein-
heitlichen, allgemeinen E. verbunden werden.
Die lediglich historisch, aber nicht sachlich begründete
Zweiteilung sollte wegfallen. Auf Grund dieser
Reg Vorlage kam das E.-Gv. 24. 6. 91 zustande,
Einzelheiten haben die Novellen v. 19. 6. 06,
v. 18. 6. 07 und v. 26. 5. 09 geändert. Zur stär-
keren Belastung des Eink aus Vermögen wurde
durch Gv. 14. 7. 93 eine formelle Vermögens St,
die Ergänzungssteuer, dem Steysteme
eingefügt Vermögenssteuer j.
II. Bayer#n
Die Vorläufer der bayerischen Personelbesteuerung
sind das 1808 eingeführte Familienschutzgeld und die Fami-
lien St, die 1814 an dessen Stelle trat. Durch zwei Gv. 4. 6.
48 wurde eine Kapital St zur Erfassung des beweglichen Ber-
mögens und eine allgemeine Eink St, und zwar beide probe-
weise für das Finanzjahr 1848—49, eingeführt. 1850 wurde
die Familien St aufgehoben und durch zwei G v. 11. 7. 50
eine Kapitalrenten St und eine allgemeine Eink St im Prin-
zipe der sormalen Doppelbesteuerung eingerichtet. Nachdem
sich aber diese letztere nicht bewährt und bei dem unzurei-
chenden Veranlagungsverfahren ein sehr ungünstiges finan-
zielles Resultat ergeben hatte, nahm man im J. 1856 das
reine Ertrags St System an und verwandelte durch G v. 1. 5.
1856 die allgemeine Eink Steuer in eine besondere oder spe-
zielle Eink St, die nicht nur Lohn-, Besoldungs= und Berufs-
Eink St war, sondern auch teils ergänzend, teils ersetzend,
alle objektiven Bestandteile des Eink treffen sollte, die nicht
bereits einer der übrigen Ertragssteuern (Grund-, Haus-,
Gewerbe-, Kapitalrenten St) unterlagen. Dieser Rechtsstand
ist bis 1910/12 prinzipiell erhalten geblieben, wenn auch die
Gv. 19. 5. 81 und v. 9. 6. 99 manche Verbesserungen des
StRechts herbeigeführt haben.
Schon die Riedelsche St Reform von 1879—81
hatte die Durchführung eines aus Ertrags St
(Grund-, Haus-, Gewerbe-, Kapitalrenten St) und
einer allgemeinen E. gemischten Systems geplant,
kam aber nicht zustande. Dagegen hat sich seit
1893—1895 starke Meinung für eine allgemeine
und progressive E. gezeigt. In dieser Richtung
hatte zunächst die Staats Reg einen Umbildungs-
prozeß durch eine umfassende Denkschrift einge-