Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

654 
Eisenbahnen 
— — — — 
  
EIIIDIIIIIIU 
Eisenbahnnetzes. 
I. Die erste — E. ist die am 7. 12. 1835 dem 
Betriebe eröffnete Ludwigsbahn von Nürn- 
berg nach Fürth (6,04 km lang); es folgten 
1837 die erste Teilstrecke der früheren Leipzig- 
Dresdener Privatbahn (jetzt zu den Kgl sächsischen 
Staatsbahnen gehörig), 1838 die ersten Strecken 
preußischer Privatbahnen, mit dem 1. 12. 38 die 
erste deutsche Staatsbahn (Braunschweig-Wolfen- 
büttel). Ueber die geschichtliche Entwicklung des 
deutschen E.Netzes vgl. Stürmer, Geschichte 
der E., 2 Teile, 1872, 1876; Kühn, Die histo- 
rische Entwicklung des deutschen und deutsch- 
österreichischen E.Netzes, Ergänzungshefte zur 
Z des Kgl preußischen statistischen Bureaus, Berlin 
1882, 1883 ff.; Statistik der im Betriebe befind- 
lichen E. Deutschlands, bearbeitet im Reichs- 
E. Amte 1 (Berlin 1882) S38—78 und Anhang 2. 
In den ersten Jahrzehnten des E. Zeitalters 
waren in Deutschland die Privatbahnen über- 
wiegend. In Preußen insbesondere konnten 
Staatsbahnen erst gebaut werden nach Einführung 
der Verfassung, weil es dazu der Aufnahme von 
Anleihen bedurfte, die nach §& II der V v. 17. 1. 
1820 „nur mit Zustimmung und unter Mit- 
garantie der künftigen reichsständischen Versamm- 
lung" möglich war. Ebenso waren im Königreich 
Sachsen hauptsächlich Privatbahnen vorhanden. 
In den meisten übrigen Mittelstaaten wurde da- 
gegen sogleich mit dem Bau von Staatsbahnen 
begonnen. Auf Braunschweig folgten (1840) 
Baden und Nassau, (1843) Bayern und Hannover, 
(1845) Württemberg. In Sachsen wurde die erste 
Staatsbahn 1848 eröffnet. Die älteste preußjsche 
Staatsbahn ist die durch G v. 7. 12. 49 genehmigte 
Kagl Ostbahn. Das Nebeneinanderbestehen von 
Staats= und Privatbahnen erwies sich aber mit 
der Zeit aus wirtschaftlichen und politischen Grün- 
den unhaltbar. Ein in den Jahren 1875 und 1876 
unternommener Versuch, alle deutschen E. in das 
Eigentum und den Betrieb des Deutschen Reichs 
zu übernehmen (Reichs E. Gedanke) scheiterte. Bald 
darauf wurden der Ankauf der bestehenden Privat- 
bahnen von den einzelnen Staaten in die Hand 
genommen und jetzt liegt die Sache so, daß das 
Staatsbahnsystem in allen deutschen 
Staaten das alleinherrschende ist. Am 1. 1. 09 
ist die einzige noch vorhandene größere Privat- 
Bahn, die pfälzische Bahn, in den Betrieb des 
bayrischen Staats übergegangen. Es gibt nur 
noch wenige Privatbahnen und diese sind von dem 
Staatsbahnnetz eingeschlossen und können ein 
selbständiges Dasein nicht mehr führen. 
Für die Entwicklung des preußischen E. Wesens 
ist von besonderer Bedeutung der zwischen Preu- 
ßen und Hessen am 23. 6. 96 abgeschlossene 
Staatsvertrag,, in dem nach dem Erwerb 
der hessischen Ludwigsbahn durch Preußen und 
Hessen nach dem Vertrage vom 8./9. 7. 96, das 
gesamte preußische und hessische E.Netz zu einer 
Betriebs= und Finanzgemeinschaft zusammen- 
geschlossen und einheitlich verwaltet wird (preuß. 
G v. 16. 12. 966 GS 215). Diese Gemeinschaft, 
in die nach dem Staatsvertrag v. 14. 12. Ol (preuß. 
Gv. 7. 7. 02 GS 297) auch die vormalige Main- 
Neckarbahn aufgenommen ist, und die infolgedessen 
in das Gebict des Großherzogtums Baden hinein- 
reicht, hat sich wirtschaftlich und finanziell für die 
  
Teilnehmer sehr gut bewährt und es sind wiederholt 
Versuche gemacht, eine ähnliche Gemeinschaft zur 
weiteren Vereinheitlichung des deutschen E.Netzes 
auch mit andern Staaten abzuschließen. Diese 
Versuche sind bis jetzt noch nicht von Erfolg ge- 
wesen. (Vgl. im übrigen Eisenbahnver- 
bände, unten III 4). 
II. Der Umsang des deutschen 
Eisenbahnnetzes gestaltet sich nach der 
letzten vorliegenden Statistik für das Rechnungs- 
jahr 1908 wie folgt: An vollspurigen Haupt= und 
Nebenbahnen waren vorhanden 57 354 km. Rech- 
net man hinzu die nebenbahnähnlichen Klein- 
bahnen um 9175 km, so beträgt der Gesamt- 
umfang 66 529 km. Dieses Netz verteilt sich auf 
8 Staatsbahnnetze, einschl. der Militärbahn und 
der inzwischen in Staatsbesitz übergegangenen 
Pfalzbahn, mit 53 912 km und 89 Privatbahnen 
mit 3442 km. Die Staatsbahnen haben folgende 
Ausdehnung: Reichsbahnen 1986 km, preußisch- 
hessische Staatsbahnen 36 178 km, bayrische Staats- 
bahnen (einschl. Pfalzbahn) 7576 km, sächsische 
Staatsbahnen 2790 km, württembergische Staats- 
bahnen 1880 km, badische Staatsbahnen 1713 km, 
mecklenburgische Friedrich-Franzbahn 1100 km, 
oldenburgische Staatsbahnen 649 km. Von den 
Privatbahnen ist zwar nicht die längste, aber die 
für den Verkehr bedeutsamste die Lübeck-Büchener 
E. mit 144 km. Eine besondere Stellung neben 
diesen im Mutterlande gelegenen nehmen die in 
den deutschen Kolonien vorhandenen E. ein, 
die hier nicht berücksichtigt sind. [# unten Abschnitt 
VII S 703T. 
II. Das geltende Vertaltungdrecht?!) 
1. Die gesetzlichen Grundlagen 
§l 3. Das Reichsrecht. Die grundlegenden Be- 
stimmungen sind enthalten in a 4 Ziff. 8 und in 
Abschnitt VII (a 41—47) der RV. Hiernach unter- 
liegt das E.Wesen der Beaufsichtigung 
und der Gesetzgebung durch das Reich im 
Interesse der Landesverteidigung und des allge- 
  
  
*) 1. Sollte die geplante Aenderung der Verfassung in 
Elsaß- Lothringen, wie es verlautet (Ende 1910), 
auch Aenderungen in dem E.Wesen der Reichslande im Ge- 
folge haben, so findet sich das Nähere in den „Nachträgen“ 
dieses Bandes oder des letzten Bandes. 
2. Ueber das internationale Recht val. in dem 
vorliegenden Gesamtartikel namentlich die Abschnitte Über 
„Frachtrecht“, „Eisenbahntarife“, „Eisenbahnverbände“, auch 
„Konzessionen“, „Schutzgebiete"; ferner die Artikel: „Lan- 
desgrenzsachen“, „Staatsverträge“, „Krieg“. 
Ueber die Beziehungen des Deutschen Reiches zur 
Gotthardbahn, in denen (zur Zeit noch nicht geklärte) 
Aenderungen bevorstehen, wird ein besonderer Artikel — ie 
nach Erledigung der schwebenden Fragen, am Schlusse 
dieses Bandes oder des ganzen Werkes — unterrichten. 
Außer den Lehr-= und Handbüchern des Bölkerrechts 
(v. Lis zt 1 29 I, v. Ullmann 1147 V) sind zu ver- 
gleichen: Meili, „Eisenbahnverträge“ (in Holtzendorffss 
HB VBr 3, 257); W. Kaufmann, Die mitteleuropäi- 
schen E. und das internationale öffentliche Recht, 1893; 
Kopp, Das völkerrechtliche Berfahren und die Rechts- 
wirkungen bei Herstellung von E. Verbindungen an den 
Grenzen souveränuer Staaten, Diss. Greisswald 1907. 
(Vom Herausgeber.)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.