Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

sich von dem Reichshaftpflichtgesetz darin, daß § 25 
E#v. 1838 die Haftpflicht auch für Güter regelt. 
Das Reichsrecht ist ihm insofern nicht gefolgt, 
als es darauf verzichtet hat, eine besondere Haft- 
pflicht für Sachen außerhalb des Beförderungs- 
vertrages festzusetzen. Die E. haftet nach Reichs- 
recht außervertragsmäßig für Sachschaden nur 
nach den gewöhnlichen Bestimmungen (Ver- 
schulden). Jedoch läßt a 105 EG z. BGB die 
Landesgesetze, die darüber hinaus eine Haftung 
der E. festsetzen, unberührt, so auch den erwähn- 
ten & 25. — Die Haftung für vertragsmäßi- 
gen Güterschaden ist dagegen reichsrechtlich ge- 
regelt (& 429 ff HGB). Ihre Darstellung gehört 
in das E. Frachtrecht. 
8 2. Subjekt und Objekt der Haftyflicht. 
I. Nach §1 Haftpflicht G haftet der Betriebsunter- 
nehmer einer E. für den Schaden, der dadurch 
entsteht, daß „bei dem Betriebe einer E. ein Mensch 
getötet oder körperlich verletzt wird". Der Haft- 
pflichtige kann sich nur dadurch befreien, daß er 
beweist, daß der Unfall entweder durch höhere 
Gewalt oder durch eigenes Verschulden des Ver- 
letzten oder Getöteten verursacht ist. Begrifflich 
ist notwendig, daß der Unfall sich bei dem 
Betriebe einer Eisenbahn zugetragen 
hat. Unter E. hat man die für den öffentlichen 
Verkehrbestimmten Eisenschienenstraßen zu ver- 
stehen, gleichviel, welche Betriebskraft verwendet 
wird. Auch Pferdebahnen fallen unter den Be- 
griff E. in diesem Sinne (ROp 28. 11. 76, 
Entsch 21, 237; RE in E. Entsch 1, 31 Entsch 
v. 2. 12. 79, S152 (Entsch v. 16. 4. 80] und öfter), 
ebenso Bahnen, die mit Elektrizität, Wasserkraft, 
Luftdruck betrieben werden, Schwebebahnen, 
Zahnradbahnen (R Entsch v. 9. 12. 87; E.Entsch 
6, 159). Sog. gleislose Bahnen (Straßenloko- 
mobile, Motorwagen, Kraftomnibusse) gehören 
nicht hierher (Entsch des Reichsversicherungs- 
amtes E.Entsch 21, 278). Ob gerade Eisenschienen 
erforderlich sind, ist bestritten, aber zu bejahen 
(R Entsch. 1. 12. 84 E.Entsch 4, 20. Retr 
12, 371; Rek. Besch. des RV. v. 18. 10. 04 
E.Entsch 21, 278). Unterirdische Bahnen fallen, 
wenn sie nicht dem allgemeinen öffentlichen 
Verkehr dienen (Bergwerks-, Hüttenbahnen) nicht 
unter & 1 des Haftpflichtgesetzes (and. Ans. RG# 
bei Bolze 1, 566, ferner Entsch v. 8. 4. 85, E.Entsch 
4, 85, v. 16. 9. 85, das. 4, 222 v. 24. 4. 02, 
das. 19, S61, 62). Die Eröffnung für den öffent- 
lichen Verkehr ist zur Unterstellung der Bahn unter 
das Haftpflichtgesetz wesentlich. Daher fallen 
nicht unter das Gesetz die lediglich privaten 
Zwecken dienenden Bahnen, die Be- 
standteile einer gewerblichen Anlage (Berg- 
werk, Fabrik usw.) sind; so auch Ro# E. Entsch 1, 
366. Das Haftyflichtgesetz ist ein Ausnahme- 
gesectz und darf als solches nicht ausdehnend aus- 
gelegt werden. Nach der wiederholt ausgespro- 
chenen Ansicht des Gesetzgebers bildet der 
Schutz des Publikums gegen die durch den öffent- 
lichen Betrieb (Durchschneidung öffentlicher Wege, 
allgemeine Zugänglichkeit) drohenden Gefahren 
das wesentlichste Moment für die Einführung 
dieses erhöhten Schutzes. Aus dem gleichen 
Grunde fallen auch die Privatanschluß- 
bahnen nicht unter das Gesetz land Ans. R## 
21. 1. 80, 16. 5. 82, E.Entsch 1, 106; 2, 173, 
11. 1. 94, 10, 332;: 4. 3. 98, 15, 221; 24. 4 02, 
Eisenbahnen (VI. Haftpflicht) 
  
  
19, 61, 621. Im Bau begriffene, dem öffent- 
lichen Verkehr noch nicht eröffnete Bahnen fallen 
nicht unter das Gesetz, auch nicht diejenigen, die 
mit den sog. Arbeitszügen befahren werden. 
Fertig gestellt und dem öffentlichen Verkehr 
übergeben ist aber eine E. mit der mit staatlicher 
Genehmigung erfolgten Betriebseröffnung (OH## 
Entsch v. 2. 12. 73 Bd. 12 S 10; 14, 425; 20, 13: 
19, 118). In Entsch 20, 151; 21, 243; 25, 203 
hat das OH# seinen früheren Standpunkt ver- 
lassen und angenommen, daß es bedenklich sei, 
die Anwendbarkeit des Gesetzes auf die dem 
öffentlichen Verkehr übergebenen Bahnen zu be- 
schränken. Dieser irrigen Ansicht hat sich das 
Reichsgericht angeschlossen. Ueber die gänzlich 
verfehlte Begründung des Reichsgerichtes val. 
Eger, Haftpflichtgesetz s, 55 ff. Auch in der Lite- 
ratur hat die Ansicht des Reichsgerichts wenig 
Anhänger gefunden. 
Der Unfall muß „bei dem Betriebe“ ge- 
schehen sein. Unter Betrieb ist der Inbegriff 
derjenigen Funktionen des Eisenbahngewerbes 
zu verstehen, welche ihm die ihm eigentümliche 
Gefährlichkeit verleihen. Nicht jede Beschä- 
digung „bei Gelegenheit“" des Betriebes be- 
gründet eine erhöhte Haftpflicht. Vielmehr muß 
die Beschädigung mit der besonderen Gefährlich- 
keit des Betriebs im Zusammenhang stehen 
(OHG Entsch v. 29. 10. 77 Bd. 23 S 1. R# 
10. 2. 80, E.Entsch 1, 127; v. 30. 6. 80 das. 1, 243 
und öfter.) Die besondere Gefährlichkeit des E. Be- 
triebes wird aber durch die große Schwere und 
doch leichte Beweglichkeit der Wagen (RG 16. 5. 
82 E. Entsch. 2, 273, v. 11. 3. 98 das. 15, 129; 
Bolze 4, 400; 14, 227 a), die Schwierigkeit des 
Ausweichens (R 8. 12. 90 E.Entsch 8, 87), die 
Eile des Betriebs (beim Ein= und Aussteigen 
RG 13. 10. 80, E. Entsch 1, 288) begründet. Na- 
türlich darf aber nicht gefordert werden, daß ein 
Zusammenhang mit einer Gefahr vorliegt, die 
ausschließlich bei E. vorkommen kann; es fallen 
z. B. Explosion der Maschine unter die eine Haft- 
pflicht begründenden Ursachen, obwohl derartige 
Unfälle bei allen Dampfmaschinen vorkommen 
können (RG6, 37 ff). Dasselbe gilt von der mit 
dem clektrischen Strome verbundenen Gefahr 
bei elektrischen Bahnen (Ru 15. 1. u. 29. 1. 00 
E. Entsch 17, 225). Dagegen fallen z. B. nicht un- 
ter das Gesetz Unfälle beim eigenmächtigen Oeff- 
nen der Fenster und Türen, es sei denn, daß die 
besondere Schnelligkeit, das Rütteln des Zuges 
die Verletzung herbeigeführt hat, das Herabfallen 
von Steinen vom Gesimse (R# 13. 7. 04, E.Entsch 
21, 179), von Glas bei einem Glasdach, das Aus- 
gleiten auf den Treppen, Brand in Bureau- 
räumen u. a. m. 
Unfälle in den Nebenbetrieben einer Bahn 
(Maschinen-Reparaturwerkstätten, Gasbereitungs- 
anstalten, Schwellentränkungsanstalten usw.) fal- 
len nicht unter & 1 des Gesetzes (unbedingte Haft- 
pflicht), sondern nur (als Fabriken) unter 5 2 
des Gesetzes, wonach der Betriebsunternehmer 
einer Fabrik für Unfälle dann haftet, wenn ein 
Bevollmächtigter, Repräsentant oder Aufsichts- 
person durch ein Verschulden in Ausführung der 
Dienstverrichtungen den Unfall herbeigeführt hat 
(RG31. 3.05, Jur. Wochenschr. 347). Unter Kör- 
perverletzung versteht das Gesetz, wie das 
Strafgesetzbuch, jede körperliche Mißhandlung oder
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.