Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

Enteignung (A. Reichsgebiet) 
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körper insoweit, als ihnen die Ausübung öffent- 
licher Verwaltung an Stelle des Staates über- 
tragen ist. Endlich kann als Unternehmer auch 
ein Einzelner, eine Gesellschaft oder eine juristi- 
sche Person auftreten, die an sich nicht Trägerin 
öffentlicher Verwaltung ist. In diesem Falle 
muß der Unternehmer nicht nur für seine Person 
befähigt sein, das betreffende öffentliche U aus- 
zuführen und zu betreiben, sondern durch beson- 
dere staatliche Verleihung (Konzession) das Recht 
hierzu erhalten haben. Die Verleihung des ER 
hat daher hier den vorherigen Erwerb des Un- 
ternehmerrechtes zur Voraussetzung. In 
der staatlichen Konzessionierung des U. liegt 
aber an und für sich noch nicht die Anerkennung 
derjenigen Eigenschaften des U, die zur Ver- 
leihung des Erf gegeben sein müssen. Letztere 
muß daher nach oder neben der Konzessionierung 
besonders erfolgen. Wie das Unternehmerrecht, 
so ist auch das ER an die Person des Beliehenen 
gebunden. Der Uebergang des Unternehmer- 
rechtes auf einen Andern hat daher nicht ohne 
Weiteres auch den Uebergang des ER zur Folge, 
sondern es bedarf entweder neuer Verleihung 
oder wenigstens der Genehmigung der Uebertra- 
gung auf den neuen Unternehmer durch die zur 
Verleihung des E zuständige Behörde. 
e) Die dritte Person bei der E. ist der Eigen- 
tümer oder sonstige Berechtigte, dem zur Durch- 
führung des U ein Recht entzogen oder beschränkt 
wird, der Enteignete (Expropriat). Ent- 
eigneter imweiteren Sinne des Wortes ist 
jeder, in dessen Rechtskreis durch die E. einge- 
grifsen wird, dem also infolge der E. ein Recht 
entzogen oder geschmälert wird, gleichviel ob die 
E. hierauf unmittelbar gerichtet war oder ob jener 
Erfolg nur als Wirkung der E. eintritt. In einem 
engeren Sinne wird das Wort gebraucht, in- 
dem man hierunter entweder nur den betroffenen 
Eigentümer oder nur denjenigen versteht, dem 
durch die E unmittelbar eein Recht entzogen 
oder beschränkt wird, also nicht auch die nur von 
der Wirkung der E. Betroffenen. Die engere 
Bedeutung — Enteigneter als unmittelbar Be- 
troffener — hat das Wort in der Regel in der Ge- 
setzessprache. Nicht Enteignete sind diejenigen, 
die in ihren Rechten oder Interessen nicht durch 
die E., sondern nur durch die öffentliche Anlage 
(als Nachbarn oder Anlieger) betroffen werden, 
sowie diejenigen, denen kein — dingliches — Recht 
an der enteigneten Sache, sondern nur ein per- 
sönliches Recht gegen den Eigentümer auf Erwerb, 
Nutzung oder Gebrauch der Sache zusteht. Die 
ersteren stehen außerhalb des Wirkungskreises 
des E. Vorganges. Die letzteren verlieren zwar 
infolge der gegen den Eigentümer der Sache 
durchgeführten E. die Möglichkeit, ihr Forde- 
rungsrecht fernerhin auszuüben; dieser Erfolg 
tritt aber nicht ein als Rechtsfolge der E. an sich, 
sondern lediglich als Wirkung der hieraus für den 
Schuldner sich ergebenden Unmöglichkeit der 
Leistung. Soweit aber trotzdem den Inhabern 
solcher Rechte in einzelnen E. Gesetzen ein Ent- 
schädigungsanspruch gegen den Unternehmer ge- 
geben ist (s. unten § 8), werden sie dadurch noch 
nicht zu Enteigneten im Rechtssinne. — Enteig- 
neter sein kann jedes Privatrechtssubjekt, dem ein 
der Durchführung des öffentlichen Unternehmens 
hinderliches dingliches Recht zusteht, also auch der 
  
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. I. 
  
Staat, die Gemeinden und andere juristische Per- 
sonen des öffentlichen Rechtes, soweit sie Inhaber 
von Privatrechten sind. 
Die Rechtsstellung des Enteigneten ist grund- 
sätzlich rein passiver Natur. Soweit ihm aus dem 
Eingriffe in seinen Rechtskreis Rechte gegen den 
Staat oder den Unternehmer erwachsen, ent- 
stehen sie unmittelbar ohne sein Zutun. Seine 
Entschädigungsansprüche sind von Amts wegen zu 
berücksichtigen und festzustellen, roenn nicht aus- 
nahmsweise das Gesetz für bestimmte Fälle einen 
besonderen Antrag des Enteigneten erfordert. 
Ein Recht auf den Betrieb des Verfahrens steht 
ihm von Haus aus nicht zu. Dagegen kann er 
sich gegen den ihm drohenden oder gegen den be- 
reits vollzogenen Eingriff mit den gesetzlichen 
Rechtsmitteln wehren, sowie auch in Bezug auf 
die Feststellung und Leistung der ihm zukommen- 
den Entschädigung seine Rechte und Interessen 
durch Anträge und Rechtsmittel selbständig zur 
Geltung bringen. 
5 6. Die Objekte der Euteigmung. Der reinen 
Wortbedeutung nach ist Enteignung nur 
Entziehung von Eigentum. Dies ist 
ihr ursprünglichster und wichtigster Anwendungs- 
fall. Die EigtEntziehung kann eine gänzliche 
oder teilweise sein, je nachdem das volle Eigt an 
der Sache entzogen, oder diese nur mit einer 
Dienstbarkeit oder sonstigen Gebrauchsbeschrän- 
kung zugunsten des öffentlichen Unternehmens 
beschwert wird. Dem Zwecke der E. würde aber 
in vielen Fällen nicht genügt werden, wenn sie 
auf die Entziehung von Eigt beschränkt wäre. 
Es können auch Rechte Dritter an der 
Sache allein der Durchführung eines öffent- 
lichen U entgegenstehen, wenn entweder der 
Unternehmer die Sache, welche für die Anlage 
nötig ist, bereits besitzt, aber ein daran bestehen- 
des dingliches Recht eines andern noch beseitigen 
muß, um die Anlage ausführen und betreiben zu 
können, oder er die Sache vom Eigentümer im 
freien Verkehr erworben hat, aber sich mit den 
daran dinglich Berechtigten wegen Aufgabe ihrer 
Rechte nicht einigen kann. Dann bildet das 
dingliche Recht für sich den Gegenstand der E. 
Persönliche Rechte Dritter können 
an und für sich ihrer Natur nach die Verwendung 
eines enteigneten Grundstückes zum U nicht hin- 
dern, da sie nicht an der Sache, sondern nur ge- 
genüber der Person des früheren Eigentümers 
begründet sind. Bestritten ist, ob die E. auf 
unbewegliche Sachen beschränkt sei oder 
sich auch auf bewegliche Sachen erstrecke. 
Geht man davon aus, daß zur Rechtfer- 
tigung der E. nicht absolute Notwendigkeit 
vorzuliegen braucht, sondern schon eine relative, 
wirtschaftliche, Notwendigkeit genügt, weil das 
öffentliche U nicht bloß überhaupt möglich ge- 
macht, sondern auch lebensfähig gestaltet, daher 
auf die ökonomisch richtigste Art und Weise aus- 
geführt werden muß, so kann auch die Notwendig- 
keit der Inanspruchnahme beweglicher Sachen ge- 
geben sein (so auch Sieber und Layer). Ein 
solches Verhältnis wird aber nur in besonders 
gearteten Ausnahmefällen vorliegen. Deshalb 
haben die allgemeinen Eesetze fast ohne Aus- 
nahme die E. auf Grundstücke und die Rechte an 
solchen beschränkt. Tatsächlich vorgesehen ist aber 
die E. von Mobilien im R über die Kriegslei- 
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