Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Enteignung 
  
stungen v. 13. 6. 73 (Beschaffung von Pferden 
für den Kriegsbedarf, die Inanspruchnahme von 
Schiffen und Schiffsgeräten für Hafen= und 
Flußsperren). Im übrigen unterliegt der E., so- 
weit nicht ihr Anwendungsgebiet gesetzlich beson- 
ders beschränkt ist, jeder Gegenstand des Privat- 
eigentums und jedes damit zusammenhängende 
private Recht, gleichviel wer der Eigentü- 
mer oder der sonstige Berechtigte ist. Die E. wird 
daher weder durch die Eigenschaft des Objektes als 
Staats Eigt, Kirchen-, Gemeinde= oder sonstiges 
Korporationsgut, noch durch vertragsmäßige, 
richterliche oder gesetzliche Veräußerungsverbote 
oder durch Lehns= oder Fideikommißqualität eines 
Grundstückes gehindert. Anders liegt die Frage 
beim sog. öffentlichen Eigt (res publicae im eigent- 
lichen Sinne), also bei Grundstücken und Rechten, 
die dem Gemeingebrauche oder sonst einem öffent- 
lichen Zwecke dienen (öffentliche Plätze, Straßen, 
Wasserläufe, ferner öffentliche Eisenbahnen, Be- 
gräbnisplätze, Festungswerke, Truppenübungs- 
plätze usw.). Diese unterstehen der Herrschaft der 
öffentlichen Verwaltung. Hier ist daher das 
Rechtsinstitut der E. nicht ohne weiteres anwend- 
bar; der E. Ausspruch kann das öffentliche Eigt 
nur überwinden, wenn das positive Gesetz dies 
ausdrücklich zuläßt (so z. B. nach dem sächs. 
E.G). 
& 7. Die dingliche Wirkung der Enteignung 
(Eigentumsveränderung). Die bestimmungsge- 
mäßen Wirkungen der E. werden durch den Ver- 
waltungsakt unmittelbar erzeugt. Es 
wird damit dem Enteigneten nicht eine Pflicht 
zur Eigtllebertragung oder Rechtsbestellung für 
den Unternehmer auferlegt, sondern das Eigt 
oder sonstige dingliche Recht wird unmittelbar 
entzogen und ebenso auf den Unternehmer über- 
tragen. Diese Wirkungen treten ein, ohne daß 
es irgend einer Rechtshandlung des Enteigneten 
bedarf, insbesondere nicht einer Tradition. Der 
Rechtserwerb des Unternehmers ist kein ab- 
geleiteter, sondern ein ursprünglicher. Deswegen 
ist auch das dem Unternehmer entstandene Recht 
mit keinem Mangel behaftet, an dem etwa das 
frühere Recht des Enteigneten an der Sache ge- 
litten hat. Die an der enteigneten Sache be- 
stehenden dinglichen Rechte Dritter fallen zu- 
sammen. Denn die Sache wird nicht nur ihrem 
Eigentümer, sondern allen ihren bisherigen pri- 
vatrechtlichen Beziehungen entrissen. Die E. 
wirkt gegenüber allen bisher an der Sache Be- 
rechtigten gleich ihrem physischen Untergange. 
Diese Wirkungen der E. müssen nun entsprechend 
der rechtlichen Natur und Kraft sowie dem Zwecke 
ihres Ursprungsaktes auch unabhängig von dem 
sonst für Rechtsveränderungen im Verkehre mit 
Grundstücken bestehenden Grundbuchszwange ein- 
treten. Die nachfolgende Verlautbarung der be- 
treffenden Rechtsänderungen im Grundbuche hat 
daher nur deklaratorische, nicht konstitutive Be- 
deutung; sic ist lediglich eine Ordnungsmaßregel, 
wodurch jene Aenderungen beurkundet werden. 
Dies ist in den meisten E.Gesetzen auch ausdrücklich 
ausgesprochen. So in Preußen, Bayern, 
Württemberg, Hessen, Baden und 
Sachsen. Die Rechtsveränderung vollzieht 
sich demnach unmittelbar auf Grund des legalen 
E.Ausspruches der zuständigen Behörde. Diese 
Wirkung der E. tritt ein kraft öffentli- 
  
chen Rechtes. Der dadurch geschaffene Zu- 
stand für den Unternehmer fällt aber für alle 
weiteren neu eintretenden Beziehungen un- 
ter die Regeln des Zivilrechts (O. Mayer), und 
nur in diesem Sinne ist die dingliche Wirkung 
der E. selbst als privatrechtlich zu be- 
zeichnen. Andererseits unterliegt diese Rechts- 
stellung des Unternehmers der aus dem Wesen 
und Zwecke der E. folgenden, also auf öffentlichem 
Rechte beruhenden Beschränkung, daß das ent- 
eignete Gut dem öffentlichen Unter- 
nehmen dauernd gewidmet blei- 
benmuß. Durch diese Beschränkung wird aber 
das Privateigentum des Unternehmers nicht voll- 
ständig absorbiert; es verbleibt ihm jede privat- 
wirtschaftliche Verfügungsmacht, die sich mit der 
auf dem enteigneten Gegenstande ruhenden 
Last, dem bestimmten öffentlichen Zwecke gewid- 
met zu bleiben, verträgt. 
&# 8,.Die obligatorische Wirkung der Enteig- 
mung (Entschädigung). 
I. Grund und rechtlicher Cha- 
rakter. Die E. enthält einen, wenn auch im 
Interesse der Allgemeinheit notwendigen, gesetz- 
lich erlaubten, und daher vom Standpunkte des 
Staates berechtigten, doch vom Einzelnen nicht 
verschuldeten und daher von dessen Standpunkte 
ungerechtfertigten Eingriff in das wichtigste Pri- 
vatrecht, das Eigt. Der Staat soll aber den im 
Interesse der Allgemeinheit erforderlichen Ein- 
griff in den Rechtskreis des Einzelnen nicht weiter 
ausdehnen, als unbedingt erforderlich ist. Die 
Allgemeinheit kann kein Interesse daran haben, 
den Einzelnen auch in seinem Vermögen zu schä- 
digen; sie bedarf bei der E. nur der Sache, nicht 
auch ihres Wertes. Aus der Möglichkeit eines Aus- 
gleiches ergibt sich aber im Rechtsstaate zugleich 
die Notwendigkeit, wenigstens den durch den Ein- 
griff in das Eigt entstandenen Schaden am 
Vermögen auszugleichen. Ein wei- 
terer Grund für die Entschädigungspflicht liegt in 
der durch die öffentliche Gerechtigkeit gebotenen 
gleichmäßigen Verteilung der Staatslasten. Kein 
Mitglied des Staates soll vor den übrigen bela- 
stet werden. Hierauf beruht die gesetzlich allge- 
mein eingeführte Verpflichtung zur Entschä- 
digung des Enteigneten für den ihm durch die 
E. entstandenen Vermögensschaden. Diese Ver- 
pflichtung und der ihr gegenüberstehende Anspruch 
des Enteigneten ist die andere, ebenfalls unmittel- 
bar erzeugte Wirkung der E. Sie ist obliga- 
torischer Natur, und charakterisiert sich als 
reine obligatio ex lege, also nicht, wie früher 
vielfach angenommen wurde, als eine obligatio 
guasi ex contractu oder eine auf damnum in- 
juria datum beruhende obligatio quasi ex delicto. 
Auch diese Rechtswirkung der E. ist ihrem Grunde 
und Wesen nach nicht privatrechtlich, sondern öf- 
fsentlichrechtlich. Nur ihre Ausflüsse lie- 
gen auf privatwirtschaftlichem Gebiete und unter- 
stehen, soweit sie nicht vom öffentlichen Rechte be- 
sonders bestimmt werden, den Normen des Privat- 
rechtes und der privatrechtlichen Verfügungsfrei- 
heit der Beteiligten. Der Charakter eines Rechtes 
als Privatrecht oder öffentliches Recht wird weder 
bestimmt durch seinen materiellen Inhalt, ins- 
besondere nicht durch die Beziehung zum Ver- 
mögen des Berechtigten, noch durch die Eigen- 
schaft der Rechtssubjekte, für die und gegen die es
	        
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