Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

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Enteignung 
  
  
fassung den Umständen, unter denen der Vertrag 
geschlossen wird, und dem dabei zweifellos vorlie- 
genden Parteiwillen nicht Rechnung getragen 
sein. Die Parteien wollen durch ihre Einigung 
lediglich dasselbe im gütlichen Wege herbei- 
führen, was erzwungen worden wäre, wenn sie 
sich nicht geeinigt hätten. Die Einigung soll den 
E. Anspruch der Staatsgewalt ersetzen, und die 
Parteien schaffen, sofern die gesetzlichen Voraus- 
setzungen für eine E. vorlicgen, freiwillig nur das, 
was sonst ohne ihr Zutun kraft Gesetzes erfolgt 
wäre. Es lag deshalb nahe und empfahl sich auch 
aus rechtspolitischen Gründen, an die freiwillige 
Verwirklichung eines solchen Tatbestandes die 
gleichen rechtlichen Folgen zu knüpfen, wie an den 
entsprechenden Akt der Behörde. Daher haben 
die deutschen E.Gesetze vielfach solche Parteiver- 
träge im Verfahren begünstigt und ihnen unter 
bestimmten Voraussetzungen die vollen Rechts- 
wirkungen der E. beigelegt. 
5 13. Rückerwerbs= und Borkaufsrecht. Den 
Rechtsgrund der E. bildet die Notwendigkeit der 
Inanspruchnahme eines Grundstückes oder Rech- 
tes zur Durchführung des enteignungsberechtigten 
U. Jede E. wird daher immer nur unter der Vor- 
aussetzung vollzogen, daß der in Anspruch genom- 
mene Gegenstand zu der betreffenden öffentlichen 
Anlage tatsächlich und in dem Umfange gebraucht 
und verwendet wird, in welchem er enteignet 
worden ist. Liegt diese Voraussetzung nicht vor 
oder fällt sie später wieder weg, so entbehrt der 
Eingriff in das private Recht seines rechtlichen 
Grundes, und er muß wieder rückgängig gemacht 
werden. Dem Enteigneten erwächst aber aus 
einem solchen Tatbestande nicht, wie bisweilen 
angenommen worden ist, ohne weiteres ein un- 
mittelbares subjektives Recht gegen den Unter- 
nehmer auf Wiederherstellung des früheren Zu- 
standes. Denn die E. hat sich ohne jede Willens- 
äußerung von seiner Seite vollzogen; er hat deren 
Gegenstand nicht abgetreten und übergeben, son- 
dern dieser ist ihm vom Staate genommen wor- 
den, und ebensowenig, wie er diese Wegnahme 
durch seinen ihr entgegenstehenden Willen hin- 
dern konnte, war er in der Lage, ihre an sich 
dauernde Wirkung durch seinen Willen zu be- 
schränken. Auch ist ihm der gesetzlich vorgeschrie- 
bene Ausgleich für den Eingriff zu Teil geworden 
oder wenigstens in Form eines rechtlichen An- 
spruches hierauf zum Bestandteile seines Ver- 
mögens gemacht und dadurch das vordem ge- 
störte rechtliche Gleichgewicht wieder hergestellt 
worden. Die Billigkeit erfordert aber, daß dem 
Enteigneten innerhalb gewisser Grenzen durch 
das Gesetz ein öffentlich-rechtlicher Anspruch 
auf Wiederaufhebung der Ent- 
eignung eingeräumt werde, wenn deren Vor- 
aussetzung nicht eingetreten oder nachträglich weg- 
gefallen ist. Deshalb geben manche E.Gesetze dem 
Enteigneten ein Rückerwerbsrecht bezüg- 
lich des enteigneten Gegenstandes entweder schon 
dann, wenn dieser nicht für das öffentliche U ver- 
wendet worden ist (so Elsaß---Lothringen, 
Sachsen) oder erst dann, wenn das U nicht zu- 
stande kommt oder sein Betrieb dauernd einge- 
stellt wird so Mayern, Baden, Hessen). 
Andere dagegen (so besonders Preußen) räu- 
men dem Enteigneten nur ein Vorkaufs- 
recht für den Fall der Wiederveräußerung des 
  
enteigneten Gegenstandes durch den Unternehmer 
ein. Die Ausübung dieser Rechte ist aus Zweck- 
mäßigkeitsgründen regelmäßig an bestimmte Fri- 
sten seit Vollziehung der E. gebunden. Sachsen 
gibt sowohl das Rückerwerbs= wie das Vorkaufs- 
recht, je nachdem die angegebenen Voraussetzun- 
gen vorliegen. 
s 14. Das SEuteignungsverfahren. Das Ver- 
fahren bei der E. zerfällt in 3 Teile: die Be- 
stimmung der Gegenstände der 
Enteignung, die Feststellung der 
Entschädigung und die Vollziehung 
der Enteignung. 
I. Die Bestimmung der abzutreten- 
den Gegenstände erfolgt im VerwWege, 
nur Bayern und Württemberg haben 
hier eine Berufung an den Vß zugelassen. Das 
Verfahren beginnt mit Aufstellung eines Planes, 
welcher die nähere Bezeichnung der zu enteignen- 
den Grundstücke, der Eigentümer und etwaigen 
anderen Berechtigten enthält. Dieser Plan wird 
öffentlich zur Einsicht ausgelegt, auch wohl den 
bekannten Beteiligten persönlich mitgeteilt. Bin- 
nen einer bestimmten Frist haben die Beteiligten, 
und außer ihnen noch etwa die Vorsteher der von 
der E. betroffenen Gemeinden, die Befugnis, 
Widerspruch zu erheben. Die Einwendungen wer- 
den nötigenfalls an Ort und Stelle erörtert. Auf 
Grund dieser Verhandlungen stellt die zuständige 
Behörde die Gegenstände der E. fest (vorläu- 
fige Planfeststellung). Gegen diese Entscheidung 
ist — abgesehen von Bayern und Württemberg — 
nur Beschwerde oder Rekurs an die vorgesetzte 
VerwBehörde zulässig. Letztere stellt sodann den 
Plan endgültig fest. 
II. An die Bestimmung der zu enteignenden 
Grundstücke schließt sich das Entschädigungs- 
verfahren an. Zu diesem werden die Eigentü- 
mer und diejenigen anderweiten Berechtigten, wel- 
che der leitenden Behörde bekannt sind, persönlich, 
alle anderen durch öffentliche Bekanntmachung 
geladen. Das Ausbleiben im Termine hat zur 
Folge, daß über die Entschädigung ohne Beteili- 
gung des Ausbleibenden entschieden wird. Die 
Abschätzung der zu enteignenden Gegenstände 
erfolgt unter Zuziehung von Sachverständigen. 
Die endgültige Festsetzung der Entschädigung 
liegt nach deutschem Rechte regelmäßig in den 
Händen der Gerichte. Entweder entscheiden diese 
sofort auf Grund der sachverständigen Schätzung, 
oder es findet zunächst eine Feststellung durch die 
VerwBehörde oder durch die Kommission der 
Sachverständigen statt, und erst gegenüber dieser 
ist die Beschreitung des Rechtsweges zulässig (so 
namentlich Preußen und Sachsen). 
III. Nach Festsetzung der Entschädigung muß 
diese, soweit der Grundsatz der vorgängigen Ent- 
schädigung besteht (s. oben & 9), ehe die Ueberwei- 
sung der Sache erfolgen kann, gezahlt oder hinter- 
legt werden. Wenn auf die Entschädigungssumme 
nur ein einziger Berechtigter Anspruch hat, so kann 
sie ihm sofort ausge zahlt werden. Sind da- 
gegen mehrere Berechtigte dabei beteiligt, so muß 
zunächst ein Verfahren zur Wahrung der Rechte 
dieser stattfinden und nach dessen Absetzung die 
Entschädigung nötigenfalls hinterlegt wer- 
den. Dies kommt namentlich vor bei Lehns= und 
Fideikommißgütern, sowie bei Grundstücken, wel- 
che mit Hypotheken, Grundschulden oder Real=
	        
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