Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

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Erbschafts- und Schenkungssteuer 
  
  
sie hatten diese Besteuerung durchweg in die 
EStGesetze ausgenommen. Ueberhaupt keine 
Besteuerung der Schenkungen hatten 
Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, 
Reußä. L. und Schaumburg-Lippe,. 
11. Das Eingreifen der Reichs- 
gesetzgebung. Ein Antrag, die Est zu 
einer Reichs St auszugestalten, wurde bereits im 
Jahre 1877 von Preußen beim Bundesrate ein- 
gebracht; als aber die von letzterem berufene Kom- 
mission von Sachverständigen sich gegen diesen 
Antrag aussprach, ist er fallen gelassen. Die 
große Reichsfinanzreform von 1906 gründete sich 
sodann im wesentlichen mit auf die Einführung 
einer Reichs E St, wie sie danach in dem Reichs- 
gesetz v. 3. 6. 06 (Rl 654) erfolgte. Die 
reichsgesetzliche Besteuerung schließt sich in ihren 
Grundsätzen in der Hauptsache an die frühere 
bundesstaatliche an. Charakteristisch ist nament- 
lich die Freilassung der Deszendenten und Ehe- 
gatten von der St sowie die Abstusung der St Sätze 
einerseits nach dem Grade der Verwandtschaft 
andererseits nach der Höhe des Erwerbs. Die 
St Sätze sind im allgemeinen höher gegriffen, um 
neben der Entschädigung der Bundesstaaten für 
ihren St Ausfall — den Bundesstaaten, welchen 
die Hebung der St obliegt, verbleibt ein Drittel 
ihrer Roheinnahme, während zwei Drittel das 
Reich erhält — ein ergiebiges Erträgnis für das 
Reich zu sichern. Den Bundesstaaten ist durch 
ausdrückliche gesctzliche Vorschrift die Befugnis 
eingeräumt, für eigene Rechnung Zuschläge zu 
der Reichs ESt sowie eine besondere St von Ab- 
kömmlingen und Chegatten zu erheben. 
Bei der letzten Reichsfinanzreform von 1908/09 
sollte nach den Vorschlägen der verbündeten Re- 
gierungen wiederum in stärkerem Maße auf eine 
Inanspruchnahme des Erbanfalls namentlich durch 
Heranziehung der Abkömmlinge und Ehegatten 
zu einer St zurückgegriffen werden. Zu dem 
Zweck sind dem RT die vom Bybeschlossenen 
Entwürfe für ein Nachlaß St Gesetz, welches jeden 
Nachlaß von einer bestimmten höheren Grenze ab, 
speziell aber auch den der Abkömmlinge und der 
Ehegatten des Erblassers, treffen sollte, für ein 
Gesetz über das Erbrecht des Staats, durch welches 
das Verwandten-Erbrecht beschränkt und in den 
danach erblosen Nachlaß der Fiskus als Erbe be- 
rufen wird, und für cin Gesetz wegen Abänderung 
des EStGesetzes, welches in der Hauptsache durch 
die beiden erstgenannten Gesetze bedingt war, 
vorgelegt. Diese Gesetzentwürfe wurden aber ins- 
gesamt von dem Reichstag verworfen. Die Ehe- 
steuerung wurde danach durch die betreffende 
Reichsfinanzreform nicht weiter berührt, 
nur wurde in dem G betr. Aenderung im Finanz- 
wesen v. 15. 7. 09 (Röl 743) bestimmt, daß von 
dem Rohertrage, welcher aus der Besteuerung 
der E aufkommt, vom I. 4. 09 an das Reich drei 
Viertel erhalten und den Bundesstaaten nur noch 
ein Viertel verbleiben solle. 
III. Wegen der Schutzgebiete / Kolonial= 
finanzen, auch unten §& 3 I, 5+ 6 Abs 2. 
II. bie Erbschaftssteuer des Reichs 
§#s#3. Gegenstand der Erbschaftssteuer; räum- 
liche Herrschaft des Gesetzes; Feststellung und 
Berechnung. 
  
I. Gegenstand der EsSt ist der Erwerb von 
Todes wegen. In erster Linie wird damit also 
alles dasjenige erfaßt, was durch Erbfolge, durch 
Vermächtnis oder als Pflichtteil erworben wird. 
Das Gesetz hebt dann aber noch ausdrücklich eine 
Reihe besonderer Fälle heraus, in denen gleicher- 
weise ein Erwerb von Todes wegen angenommen 
werden soll, wenn es sich beispielsweise handelt. 
um eine nach dem Bürgerlichen Recht als Ver- 
fügung von Todes wegen zu beurteilende Schen- 
kung, um Zuwendungen unter Lebenden, die auf 
den Pflichtteil angerechnet werden sollen, um 
Zuwendungen als Abfindung für einen Erbver- 
zicht oder für die Ausschlagung einer E oder eines 
Vermächtnisses, um einen Erwerb durch Eintritt 
eines Lehens= oder Fideikommißfalles, um be- 
stimmte Bezüge aus Familienstiftungen, um Ver- 
mögensvorteile, die auf Grund eines von dem 
Erblasser geschlossenen Vertrages unter Leben- 
den von einem Dritten mit dem Tode des Erb- 
lassers unmittelbar erworben werden, ufsw. — 
Bewegliches Vermögen ist der ESt unterworfen, 
wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes bezw. 
zur Zeit des Anfalls (bei Erwerb zu Lebzeiten des. 
Erblassers) ein Deutscher war und zugleich einem 
Bundesstaate angehörte; soweit es sich im Aus- 
lande befindet, wird die in dem auswärtigen Staa- 
te erweislich gezahlte Abg auf die ESt angerech- 
net; soweit es sich in einem deutschen Schutzge- 
bicte befindet, unterliegt es der St nicht, wenn 
der Erblasser zu der bezeichneten Zeit seinen Wohn- 
sitzoder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Schutz- 
gebiete hatte. Von dem Vermögen eines aus- 
ländischen Erblassers wird die St erhoben, wenn 
er zur Zeit des Todes oder des Anfalls seinen 
Wohnsitz bezw. gewöhnlichen Aufenthalt in einem 
Bundesstaate hatte, jedoch nur insoweit als sich- 
das Vermögen im Inlande befindet. Von inlän- 
dischen Grundstücken ist die ESt stets zu erheben 
ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz. 
oder Aufenthalt des Erblassers, während Grund- 
stückc, die sich im Auslande befinden, nicht zur 
steuerpflichtigen Masse gehören. 
1I. Feststellung des Gegenstan- 
des und Berechnung. Die Grundlage 
für die Besteuerung bildet der Geldwert der E- 
Gegenstände, der Betrag der EMasse. Der Er- 
mittlung des Betrags der Masse wird der Wert, 
d. i. im wesentlichen der Tausch= und Verkaufs- 
wert zur Zeit des Anfalls zu Grunde gelegt; bei 
Grundstücken, die dauernd land= und forstwirt- 
schaftlichen Zwecken zu dienen bestimmt sind, ist 
der Ertragswert maßgebend; es gilt als solcher 
das Fünfundzwanzigfache des Reinertrages, den 
die Grundstücke nach ihrer bisherigen wirtschaft- 
lichen Bestimmung bei ordnungsmäßiger Bewirt- 
schaftung nachhaltig gewähren können. — Für 
eine Reihe von Sonderfällen trifft das Gesetz be- 
züglich der Wertfeststellung eingehendere Vorschrif- 
ten, z. B. bezüglich der Nutzungen und Leistun- 
gen, die auf Zcit beschränkt oder von unbestimm- 
ter Dauer sind, bezüglich der Leibrenten und 
anderer auf die Lebenszeit einer Person be- 
schränkten Nutzungen, des bedingten Erwerbs und 
der bedingten Belastung, der unsicheren Rechte, 
des Erwerbs von Vermögen ohne die Nutzung. 
Die Est wird von dem Betrage berechnet, um 
welchen der Erwerber durch den Anfall berei- 
chert worden ist. Dementsprechend sind einer-
	        
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